Hier ein ein Offener Brief von Kulturschaffenden an die Bundeskanzlerin bezüglich
der Verschleppung von Maria Kalesnikava.
Jochen
Sandig, Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele, war dieser Tage
mit Maria Kalesnikava im Austausch über eine künstlerische
Zusammenarbeit im Rahmen der Ludwigsburger Schlossfestspiele
2021.
Mit herzlichen Grüßen,
Christine Diller,
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
OFFENER BRIEF – „FREIHEIT FÜR MARIA KALESNIKAVA“
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
am
frühen Morgen des 7. September 2020 ist Maria Kalesnikava im
Stadtzentrum vom Minsk von maskierten Männern in einem schwarzen
Lieferwagen entführt worden. Seither fehlen gesicherte Informationen
über ihren Verbleib. Agenturmeldungen zufolge wurde von staatlicher
weißrussischer Seite am heutigen 8. September der Versuch unternommen,
sie und ihre Kollegen Anton Rodnenkow und Iwan Krawzow in die Ukraine
abzuschieben. Rodnenkow und Krawzow befinden sich
demnach mittlerweile in der Ukraine. Maria Kalesnikava soll sich jedoch
einer Abschiebung durch Zerreißen ihres Reisepasses widersetzt haben.
Man muss davon ausgehen, dass sich Frau Kalesnikava jetzt in Gewahrsam
der weißrussischen Sicherheitskräfte bzw. des
Geheimdienstes KGB befindet.
Frau
Kalesnikava ist eine belarussische Musikerin, Kuratorin, die
Art-Direktorin des Minsker Kulturprojektes „Ok16“ und ein führendes
Mitglied des Koordinationsrats der Belarussischen Opposition.
Zuvor hatte sie 12 Jahre in Stuttgart studiert und gearbeitet, u.a. als
PR-Managerin des renommierten Neue-Musik-Festivals ECLAT. Sie leitete
mehrere Projekte in Stuttgart und Minsk u.a. in Zusammenarbeit mit dem
Goethe-Institut.
Diese
Entführung hat sich vor dem Hintergrund der massiven Zivilproteste in
Belarus ereignet, die seit den Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020
andauern und jede Woche Hunderttausende Menschen
im ganzen Land auf die Straßen bringen. Maria Kalesnikava war die
Vertreterin des Wahlkampfstabs des Präsidentschaftskandidaten Viktor
Babariko, den das Lukaschenko-Regime hinter die Gitter gebracht hat.
Zusammen mit der Präsidentschaftskandidatin Swetlana
Tichanovskaja, die nach unabhängigen Schätzungen die Wahl gewonnen hat,
sowie mit Veronika Tsepkalo, der Frau des Präsidentschaftskandidaten
Valeri Tsepkalo, bildete Maria Kalesnikava die Spitze der
Protestbewegung. Ihre Mitstreiterinnen Tichanowskaja und
Tsepkalo wurden beide von den belorussischen Geheimdiensten gezwungen,
das Land zu verlassen. Tichanowskaja berichtete, man habe sie und ihre
Kinder bedroht.
Da
es seit Wochen Berichte über Folter, Gewalt und Entführungen
in Belarus gibt, sind wir zutiefst besorgt über das Schicksal von Maria
Kalesnikava.
Wir
begrüßen, dass Bundesaußenminister Heiko Maas sich gestern sehr
deutlich öffentlich zu diesem Fall geäußert hat. Frau Bundeskanzlerin,
wir appellieren heute mit höchster Dringlichkeit an
Sie, dass Sie persönlich – auch vor dem Hintergrund Ihres Vorsitzes in
der Europäischen Union – gemeinsam mit Ihren europäischen Amtskollegen
alle politischen Möglichkeiten ausschöpfen, um den Verbleib von Frau
Kalesnikava schnell aufzuklären, ihre Sicherheit
zu gewährleisten und ihre sofortige Freilassung zu erwirken.
Mit herzlichem Dank im Voraus und freundlichen Grüßen
Christine Fischer, Intendantin Musik der Jahrhunderte, Leiterin Festival ECLAT
Prof. Martin Maria Krüger, Präsident Deutscher Musikrat e.V., Vorsitzender Musikfonds e.V.
Gerhart R. Baum, Bundesminister a.D., Vorsitzender des Kulturrats NRW
Petra Olschowski, Staatssekretärin Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg
Dr. Julia Cloot, Präsidentin Internationale Gesellschaft für Neue Musik, Deutsche Sektion
Viktor Schoner, Intendant Staatsoper Stuttgart
Jochen Sandig, Intendant Ludwigsburger Schlossfestspiele
Sasha Waltz, Choreographin
Sergej Newski, Komponist
Katja Petrowskaja, Schriftstellerin
Manos Tsangaris, Direktor der Sektion Musik der Akademie der Künste Berlin, Künstlerischer Leiter Münchener Biennale
Björn Gottstein, Künstlerischer Leiter Donaueschinger Musiktage
Dr. Regula Rapp, Rektorin Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart
Paul-Georg Dittrich, Regisseur
Miron Hakenbeck, Dramaturg
Titus Engel, Dirigent
Viktoriia Vitrenko, Vorstand InterAKT Initiative e.V.
Jasmin Schädler, Vorstand InterAKT Initiative e.V.
Vincent Stefan, Musiker, Regisseur, Komponist
Steven Walter, Leiter Podium Esslingen
Hanns Zischler, Schauspieler, Schriftsteller
Samir Odeh-Tamimi, Komponist, Stellv. Direktor Sektion Musik Akademie der Künste Berlin
Julia Gerlach, Sekretär der Sektion Musik Akademie der Künste
Rainer Pöllmann, Musikredakteur und Co-Leiter Festival Ultraschall Berlin
Lucia Ronchetti, Komponistin
Katharina Raabe, Lektorin, Suhrkamp Verlag
Ilma Rakusa, Übersetzerin
Jens Cording, Kulturmanager
Elke aus dem Moore, Direktorin der Akademie Schloss Solitude
Martina Grohmann, Intendantin Theater Rampe
Paula Kohlmann, Dramaturgin Theater Rampe
Dr. Lydia Jeschke, Redaktionsleitung Neue Musik und Jazz im SWR
Dr. Stefanie Stegmann, Leitung Literaturhaus Stuttgart
Kerstin Preiwuß, Schriftstellerin
Thorsten Schütte, Filmakademie Baden-Württemberg
Ulrike Groos, Direktorin Kunstmuseum Stuttgart
Hans-Georg Kaiser, Intendant Freiburger Barockorchester
Hans D. Christ, Direktor Württembergischer Kunstverein
Iris Dressler, Direktorin Württembergischer Kunstverein
Prof. Martin Schüttler, Komponist, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart
Prof. Angelika Luz, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart
Franz Martin Olbrisch, Vizepräsident Internationale Gesellschaft für Neue Musik, Deutsche Sektion