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Donnerstag, 23. November 2023

Das SWR Symphonieorchester Stuttgart feiert Wagner und Bruckner

Das Abonnementkonzert des SWR-Symphonieorchesters Stuttgart am 16./17. November war zwei großen Komponisten gewidmet, für die der großartige Dirigent Marek Janowski als Spezialist gilt: Richard Wagner und Anton Bruckner. Janowski (84), ein kleiner, meist ernst und stets konzentriert wirkender Mann, wurde ihn Warschau geboren und wuchs in Wuppertal bei seiner Mutter auf, wo er Klavier- und Geigenunterricht erhielt. Studiert hat er in Köln bei Wolfgang Sawallisch, und nach Stationen als Korrepetitor und Konzertmeister in Aachen, Köln, Düsseldorf und Hamburg wurde er Generalmusikdirektor in Freiburg. 1976 mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet, setzte er seine Karriere in Dortmund, Köln und Berlin sowie als begehrter Gastdirigent fort. seine Gesamteinspielung von Wagners Zyklus "Der Ring des Nibelungen" mit der Staatskapelle Dresden (2004) ist wegweisend. Das Konzert begann mit Wagners Siegfried-Idyll, dem einzigen Instumentalstück des Großmeisters teutonischer Schwulst-Lyrik und Mammut-Opern. Eine prima Einstimmung, die die auch Nicht-Wagnerianer ansprechen konnte, gefühlvoll gespielt und mit sparsamer Gestik dirigiert. 

Dann sang die bekannte deutsch-italienische Wagner-Sopranistin Anja Kampe die "Wesendonk-Lieder": ein Star ohne Star-Allüren, in jeder Lage extrem sicher bei Intonation, Textverständlichkeit und Interpretation, trotz einer leichter Erkältung, für deren mögliche Folgen sie sich vorab entschuldigen ließ. Geboren 1968 in Zella-Mehlis in der damaligen DDR, heiratete sie nach der Wende einen Italiener und begann ihre Karriere in Turin. Die "Wesendonk"-Lieder schienen für die dramatische Sopranistin mit dem charmanten Lächlen nur eine leichte Übung der Stimmbänder zu sei, so unangestrengt war ihr Vortrag. Ein Genuss, der leider nach 20 Minuten schon wieder vorüber war.

Nach der Pause dann gab es die Sinfonie Nr. 3 d-Moll von Anton Bruckners (in der endgültigen Fassung von 1889): Das war einfach wunderbar, groß und nuanciert, feinfühlig und wuchtig. Ein Schmankerl hatte das Programmheft noch zu bieten: Ein Scherenschnitt-Porträt von Wagner und Bruckner, eine Karikatur von Otto Böhler (1847 - 1913). Bruckner kannte Wagner und verehrte ihn geradezu katzbuckelnd. Er hat Wagner seine 3. Sinfonie (die mehrfach umgearbeitet wurde) gewidmet. Auf dem sorgfältig kalligraphierten Titelblatt ist zu lesen "dem unerreichbaren, weltberühmten und erhabenen Meister der Dicht- und Tonkunst in tiefer Ehrfurcht". Das Publikum erlebte ein Orchester und einen Dirigenten, die sich trotz knapper Probenzeit blind verstanden. Lang anhaltender Beifall war die Belohnung.

Mittwoch, 1. November 2023

Ein Suhrkamp-Thriller thrillt nicht wirklich

Na ja, Jonathan Moore hat einen sexy Krimi geschrieben, und wenn einem wirklich langweilig ist, mag man ihn lesen: "Poison Artist" (350 S., 16,95 €) hat viel mit Gift und wenig mit Kunst zu tun. Es werden ziemliche Mengen Absinth getrunken und es entpuppt sich eine geheinnisvolle Schöne aus den Bars von San Francisco als Giftmischerin - oder doch nicht? Das Zitat von Stephen King (der ein echt guter Autor ist) auf dem Cover ist wohl kaum mehr als ein PR-Gag. Serienmorde sind zur Zeit Mode, doch nach der dritten "Wachsleiche" konnte ich zeitweise das Gähnen kaum unterdrücken. Der Leser erfährt viel über die Arbeit eines forensischen Toxikologen und wenig über die Motive bzw. die Vorgehensweise des Killers/der Killerin. Absonderliche Rituale beim Trinken, für die man ein Spezialbesteck braucht, wirken maniriert. Es gibt unerklärte Rückblenden und die Vermutung, die schöne Emmeline könnte der Geist einer histoischen Figur sein, die in einem merkwürdigen Spukhaus (wieso untersucht das niemand?!) als Porträt an der Wand hängt, aber keine Aufklärung. Was war das für ein merkwürdiger, anscheinend nicht sexueller Missbrauch in der Geschichte dieser Frau, die mit ihrem Vater und als sein mörderisches Instrument (wie das nun?) viele Jahre lang in Papas Auto gelebt und ihr Leben in einer Haftanstalt ausgehaucht hat? Hat sich der Toxikologe am giftigen Absinth um den Verstand gesoffen? Bis auf einige künstlich erzeugte Wachsleichen gibt es kaum Handfestes, kaum einen Plot. Furcht erregen geht anders, vor allem an Halloween.