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Donnerstag, 12. November 2009

BIONADE - eine gebraute Limo ohne Alkohol

SWR 2 Buchkritik (Sachbuch) Bettina Weiguny: “Bionade – Eine Limo verändert die Welt“Eichborn Verlag, Frankfurt a. M., 246 Seiten, 19,95 €.

Die Geschichte von unglaublichen Aufstieg einer Kult-Limonade namens BIONADE hat einfach zu viel von einem Märchen. Zu viel ist passiert, das man nüchtern betrachtet „unmöglich“ oder “unglaublich“ nennen müsste. Und deshalb erzählt die Freiburger Wirtschaftsjournalistin Bettina Weiguny nicht nur eine verrückte, sympathische Familiengeschichte oder vom Durchbruch einer Erfindung. Sie hat ein Stück Wirtschaftsgeschichte geschrieben, das gerade in schlechten Zeiten Mut macht.

Dazu gehören eine Landschaft, eine Idee aus Chemie und Technik sowie eine Handvoll Menschen, die auch haarsträubende Fehler machen, aber einfach nicht aufgeben. Auf ihrer Homepage stellt sich die BIONADE GmbH als junges, innovatives Familienunternehmen vor, das biologisch hergestellte, alkoholfreie Limonade verkauft.
Aber der innovativste Teil der Familie ist der älteste: Braumeister Dieter Leipold. Über zehn Jahre tüftelte er zäh an der Idee einer Limonade ohne Alkohol: nicht angemischt, nicht gerührt, nicht geschüttelt, sondern nach den Regeln des Reinheitsgebotes gebraut – nach Ansicht von Fachleuten ein Ding der Unmöglichkeit.
Dieter Leipold heiratet die Brauerei-Erbin Sigrid Peter in Ostheim, einer bayerischen Kleinstadt im Biosphärenreservat Rhön: eine schöne, aber gottverlassene Gegend. Sogar die Wolle der Rhönschafe ist zu kratzig für Socken oder Pullover. Außer guter Luft gibt es hier so gut wie nichts.
Mitte der 80er Jahre, als Leipold die ersten Experimente macht, ist die Brauerei schon pleite. Wie pleite, merkt seine Frau erst 1993 beim Tod ihres Vaters. Da halten die Gläubiger nicht länger still. Den drohenden Konkurs bekämpft die ganze Familie an den Zapfhähnen und Plattentellern der hauseigenen Diskothek. Gut ein Jahr später werden die ersten Flaschen mit BIONADE abgefüllt.
Doch mühsam ernährt sich das Eichhörnchen: Der Name klingt zu sehr nach Öko, die Lebensmittelbürokraten kennen keine gebraute Limo, und es finden sich keine Vertriebspartner. Um BIONADE unters Volk zu bringen, muss investiert werden, aber die dafür nötigen Einkünfte bleiben aus. 1999 droht wieder mal das Ende, und als ob die Dramaturgie jetzt überhaupt keine Ideen mehr hätte, hat Frau Peter-Leipold einen Lotto-Sechser und kann der Firma mit 1,4 Millionen auf die Beine helfen.
Anfang 2004 steht BIONADE noch einmal vor dem Aus. Da sind die Familienunternehmer schon erfolgreich, unterschätzen aber in ihrer genialischen Wurstelei die Sturheit von Banken und Finanzämtern in Terminsachen. Die Autorin erklärt anschaulich, wieso es gerade diese Brauerei schließlich schafft, das Blatt zu wenden: Wie BIONADE dank falscher Etiketten aus Ungarn, Guerrilla-Marketing und harter Arbeit zum Kult-Getränk wird – erst in Hamburger Szene-Clubs und dann in den Kantinen der Medienhäuser. Was die Existenz der Firma immer wieder akut gefährdet hat, wie sie sich zum echten Öko-Betrieb wandelt, vom verachteten Außenseiter zum begehrten Bündnispartner und Arbeitgeber in der Region aufsteigt.
2008 wurden in Deutschland weit über 200 Millionen BIONADE-Flaschen verkauft, mehr als beim direkten Konkurrenten RED BULL. Der Familienbetrieb plant die Expansion ins europäische Ausland und sogar in die USA, das Stammland des Giganten Coca Cola.
Um dem Geheimnis dieses Erfolgs auf die Spur zu kommen, hat Bettina Weiguny zwei Jahre lang die Familie begleitet, aber auch Gerichtsvollzieher, Insolvenzverwalter, Händler, Konkurrenten und Werbeleute befragt. Aber kaum war das Buch fertig, kam die Krise. Die holte im Winter auch die Überflieger aus der Rhön zurück auf den Teppich. Doch nach einer Zitterpartie in den kalten Monaten stiegen die Absatzmengen zu Beginn der Frühlingswärme höher denn je, berichtet die Firma auf Nachfrage. Auch wenn Geschäftskunden Probleme haben, Lokale schließen oder Absatzeinbußen erleben: BIONADE-Trinker sind anscheinend ähnlich krisenfest wie die Fans eines Fußballclubs.