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Dienstag, 12. Januar 2021

Im Schatten der Krisen: Generalangriff auf die Demokratie

Viele Leute meinen zu Recht, die Menschen hätten momentan andere Sorgen als die Verteidigung der Demokratie. Seit der Erstürmung des Kapitols in Washington jedoch warnen FBI und Geheimdienste vor offenen bewaffneten Aufständen und Putschversuchen bei der Vereidigung von Joe Biden als gewählter demokratischer Präsident der USA. Was bisher auch die meisten Fachleute eher isoliert betrachtet haben, nämlich das Agieren autoritärer Führer, ist global orchestriert. All das findet während bzw. seit Beginn und im Windschatten großer globaler Krisen statt: New-Economy-Krise, Börsencrash, Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise. Es ist wirklich etwas zu viel in letzter Zeit.

Viele Menschen sind bedrängt von allen Seiten, enttäuscht von gebrochenen politischen Versprechen, verarmt, verängstigt und verunsichert. Deshalb hoffen sie auf einen Heilsbringer, eine Führer, eine Lichtgestalt, einen Messias, ob der nun Bolsonaro oder Nethaniahu heißt. Deshalb glauben sie jeden Mist. Sie wollen glauben, weil ihre Hoffnungen schwinden und weil sie schon zu oft belogen und betrogen wurden. Es ist wie mit dem Glauben an das Abnehmen durch Diät: Irgendwann muss doch endlich eine kommen, die wirkt! Existenzsorgen und akute Nöte bzw. Bedrohungen werden auch durch die Klimakrise mit steigendem Meeresspiegel, verpesteter Atemluft, endlosen Waldbränden und platzenden Methanblasen im sibirischen Permafrost nicht geringer. Die Häuser der Sibirjaken versinken im Boden, die von Venedig oder New Orleans im Wasser und die von Timbuktu im Sand. Das Wetter spielt verrückt, weil das Klima todkrank ist und auf dem letzten Loch pfeift. Idealer kann der Nährboden nicht sein für Leute, die darauf ein böses Süppchen kochen, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen. Am 23. Januar steckten Demonstranten ein Corona-Testzentrum in den Niederlanden an. Das waren keine spinnerten Impfgegner, sondern ein (wohl aus Moskau) ferngesteuerter und von langer Hand systematisch aufgehetzter Mob.

Populisten versprechen das Blaue vom Himmel - und schwupps, gibt es einen Brexit oder keinen Regenwald mehr. Und wenn diese Typen erst mal da sind, gehen sie nicht mehr ohne weiteres - wie Donald Trump oder Wladimir Putin. Als Heinrich Böll eine Kurzgeschichte mit dem Titel "Es muss etwas geschehen" schrieb, war das noch Satire. Heute ist Hohlsprech in Leerformeln ein politisches Programm.

Man kann mühelos eine Zusammenschau von Aktivitäten dieser Art improvisieren. Zuckerbrot und Peitsche: Unschlagbar günstige Lockangebote, Kredite und dann Knebelverträge prägen sowohl Chinas Industrie- und Handelspolitik, das Projekt "Seidenstraße" als auch den Abbau von Bodenschätzen oder die Landwirtschaft auf fremden Boden zur eigenen Versorgung in Afrika. Chinas Griff nach Honkong und bald vielleicht auch Taiwan unter Bruch internationaler Verträge sind brandaktuell. In Russland und seinen früheren Teilstaaten wie der Ukraine und Belarus sind autoritäre Regierungen etabliert, aber auch in den Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn. Ebenso wenig zufällig sind die aggressive Politik Putins in Syrien und in der Arktis, Erdogans illegale Bohrschiffe auf dem griechischen Festlandsockel und sein Zündeln in Berg Karabach oder Libyen. Iran destabilisiert den Libanon mit Hisbollah, Hamas und iranischen Milizen, die auch in Syrien stehen, um Israel militärisch einzukreisen und den Saudis Paroli zu bieten. Saudiarabiens ultra-orthodoxe islamische Wahabiten ihrerseits finanzieren Söldner und Prediger, Schulen, Moscheen und den Druck von Koranen in der ganzen Welt. So haben sie erfolgreich ihr menschenverachtendes, frauenfeindliches Weltbild und ihre rückständige Interpretation des Korans in alle Welt exportiert. Die Mittel dazu hat ihnen das Erdöl beschert. - Ein Grund mehr, sich unabhängig von Öl und Gas zu machen. Das alles hat Methode, auch wenn es vielleicht nicht gut abgesprochen ist, weil die Protagonisten einander spinnefeind sind. Doch das kann sich alles noch ändern.

Mental gibt es keinen Unterschied zwischen IS, religiösen Fanatikern wie den Saudis oder den iranischen Mullahs (übrigens auch fanatischen Hindu-Nationalisten in Indien), Neonazis und Linksterroristen bzw. gewalttätigen Antifa-Akitivisten oder Naturschützern. Für sie alle ist die freiheitlich-rechtsstaatliche, liberale Demokratie des Westens moralischen verkommen und das Feindbild Nr. 1: "dekadent", korrupt, verlogen und eine dauernde Bedrohung. Wo sie schwächelt, bekommen Autokraten, Identitäre, Faschisten, Fanatiker und Rassisten Oberwasser. Ihr "Wir gegen die" unterscheidet nicht mehr zwischen Freund und und  Feind, zwischen Gegnern und Weltsichten, sondern zwischen zwei parallelen Welten. In denen ist kein Platz für "die anderen". Deshalb ist keine Diskussion möglich mit Faschisten und Anhängern von Verschwörungsmythen aller Art. Deshalb bleiben auch fundamentalistische (evangelikale) Christen wie in den US-Südstaaten, Polen und in den orthodoxen Kirchen (schon auf dem Balkan) sowie streng orthodoxen Judengemeinden so empfänglich für dergleichen wie jede Sekte. Für diese Menschen ist Corona keine Krankheit, sondern entweder eine Waffe der Eliten zur Unterjochung der Massen und zum Aufbau einer Weltdiktatur - oder eine Strafe Gottes für die Ungläubigen, der seine treuen Diener persönlich beschützt und in einem besseren Jenseits tröstet.

Weiße oder arabische Milliardäre bzw. Oligarchen haben es Steve Bannon ermöglicht, auch in ganz Europa sein Gift durch rechte "Thinktanks", Medien (Verleger wie Götz Kubitschek) und Parteien-Förderung in die Köpfe der Menschen zu träufeln. Und weil Geheimdienste und Politik diese Entwicklung und ihre Träger lange Zeit nicht ernst genommen haben, sind sie jetzt überall und haben sogar unsere Sicherheitsorgane unterwandert. Dazu gehört auch das überfällige Regulieren der Internetkonzerne wie Google, Facdebook, Amazon und Co. Konzerne maßen sich an, über die Kontrolle und Umsetzung von Recht und Gesetz zu entscheiden. Wenn sie Trump bei Twitter rauswerfen, weil er einen Putschversuch anzettelt und mit Lügen und Hasstiraden seine Anhänger zu Gewalt gegen seine politische Gegner aufstachelt, weil keiner sonst diese Notbremse ziehen kann, ist das ein Skandal! Bill Gates, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos dürfen nicht bestimmen, wann es genug oder zu viel ist.

Nein, ich bin nicht paranoid. Doch ich habe schon bei der Bundeswehr durch einen Wochenendjob in Berlin, als Student und als Journalist durch vielfälige Kontakte und Reisen (auch zu Ex-Stasi-Offizieren und Geheimdienstlern zwischen Ost und West) Erfahrungen gesammelt, die immer von Spezialisten bestätigt worden sind. Das alles habe ich nach dem Fall des "Eisernen Vorgangs" und bei der Flüchtlingskrise durch Recherchen zur organisierten Kriminalität und zum Terrorismus immer wieder aktualisiert. 

So habe ich z.B. schon vor 20 Jahren die Schmuddelecken des Darknet recherchiert. Aber die Digitaslisierung der Polizei ist bis heute ein Treppenwitz! Politiker aller Parteien haben einfach zu lange nicht gemerkt oder nicht ernst genommen, was es heißt, dass Deutschland bei der Digitalisierung der Behörden ganz hinten steht: Das ist beileibe nicht bloß das endlose Warten auf einen Termin bei Behörden oder eine Kfz-Zulassung, abgehängter ländlicher Raum, langsames oder ganz fehlendes Internet, nicht funktionierende oder nicht aufeinander abgestimmte Behördensoftware, verkorkste Bildungsansätze und verpasste Lebenschancen. Kein Netz, nirgends. Vom PC-Museum in deutschen Behörden schweige ich lieber ganz.

Nur aus diesem Grund ist Deutschland auch ein so beliebter Rückzugsraum für Terrroristen, Mafiosi, Waffenschieber und andere finstere Gestalten. Nicht nur für illegale Drohnenkrieger der US-Army oder Spekulanten, die an Börsen weltweit nanoschnell mit Währungen handeln oder Kurse manipulieren, sind wir eine Top-Adresse. Nein, wir sind auch darum ein Paradies für weltweiten Menschenhandel und Kinderpornographie, weil unsere Polizei in der digitalen Steinzeit lebt. In den USA sind die Probleme noch lange nicht vorbei. Weder dort noch bei uns gibt es Grund zu Panik. Aber ich denke schon, die Demokraten müssen wachsamer und wehrhafter werden, und zwar schnell. Sonst ist die ganze Münchner Sicherheitskonferenz akademisches Pillepalle.

Donnerstag, 7. Januar 2021

Ein neuer Krake auf dem Buchmarkt: Drogerie-Tycoon Dirk Rossmann

So geht das: Bücher verkaufen, obwohl der Buchhandel im Lockdown steckt. Eben lese ich auf Facebook von einem bemerkenswerten Artikel im Fachblatt "Buchreport":

Bock auf Bücher:
Die Drogeriekette Rossmann ist über ihre Beteiligungs-Gesellschaft mit 3,05 % bei Bastei Lübbe eingestiegen. Drogerie-Baron Dirk Roßmann, 74, hatte bei dem Verlag Ende 2020 seinen ersten Roman veröffentlicht, den Klimakrisen-Thriller Der neunte Arm des Oktopus.
Rossmann beteiligt sich an Bastei Lübbe - buchreport
buchreport.de
Rossmann beteiligt sich an Bastei Lübbe - buchreport
Der Drogerieunternehmer Dirk Roßmann beteiligt sich nach seinem j

 

Und das im Windschatten der gigantischen Ablenkung durch Corona, Trumps Sturm auf das Capitol, Putins und Chinas Angriff auf internationales Recht, Erdogans Kriegstreiberei etc.! Das ist nicht nur skandalös, das schreit angesichts geschlossener Buchhandlungen nach der Justiz! Dieser Lümmel schert sich genauso wenig um Fairness und Anstand im Handelsrecht wie Jeff Bezos mit Amazon. Außerdem ist dieses Handeln eine offene Verhöhnung aller AutorInnen und Autoren, die hart und ehrlich für einen Erfolg arbeiten.

Sonntag, 3. Januar 2021

Corona verzerrt den Wettbewerb in der Kultur

Was als "Künstlersoforthilfe" begann, ist inwischen zur massiven Wettberwerbsverzerrung mutiert. Nicht nur haben staatliche Unterstützungsprogramme (auch die für "Soloselbständige) viele Künstler nie erreicht bzw. direkt von der Freiberuflichkeit auf Hartz IV gesetzt; auch die vielen Künstler mit kurzfristigen Engagements und Werkverträgen (Schauspieler, Sänger, freie Autorinnen und Autoren beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Horch und Guck etc.) wurden gedankenlos in Armut gestürzt. Gewollt hat das niemand, aber auch nicht korrigiert. Auch unter den gänzlich freien Hobbyliteraten und Hobbymusikerinnen, die sich, teils seit Jahrzehnten, neben ihrem miesen Job als Kindergärtnerin, Taxifahrer, Kellner usw. Selbstachtung, Respekt soziale Anerkennung und teilweise einen ordentlichen Nebenverdienst erwerben konnten, stehen die allermeisten auf Nulldiät. Seit März 2020. Und das Problem ist eben nicht vorbei, wenn der Lockdown zu Ende geht.

Was das Finanzamt mit solchen Postcorona-Nischenexistenzen macht, ist noch nicht raus. Ich befürchte aber, amtliche Anerkennung oder gar Hilfe ist nicht zu erwarten, am allerwenigsten für Dichterinnen und Dichter. Literatur gibt uns allen emotional und intellektuell etwas, da geht es nicht nur um Geld. Und doch sehe ich mit Trauer, wie die "üblichen Verdächtigen", d.h. die erfolgreichen MainstreamerkollegInnen und Bestsellerproduzenten, schon wieder die Präsenz in der Presse und den Veranstaltungskalendern des neuen Jahres, generell in allen bezahlten Bereichen übernehmen: gesponserte Youtube-Lesungen, auch in Veranstaltungsprogrammen wie "Neustart Kultur". Jetzt halt als Monopolisten. Wenn wir da nicht sehr bald zu Gunsten der Kleinen nachsteuern, auch bei der Lobbyarbeit, hören viele auf. Dann wird´s nicht nur still, sondern auch gähnend langweilig im Land der Dichter und Denker. 

Ich beispielsweise konnte Ende 2019 gerade noch einen Lyrikband veröffentlichen, doch 2020 wurden alle Lesungen abgesagt, und 2021 gibt es noch keine Planungen. Veranstaltungen sind schon seit vielen Jahren das Rettungsboot für Lyriker. Doch wer traut sich jetzt, ein Dichtertreffen mit bezahlten Lesungen zu organisieren, zu dem (vielleicht bis auf berechtigte Ausnahmen) nicht nur Prominente, sondern mehrheitlich Unbekannte eingeladen werden? Für die Presse, die ja sonst keine Lyrik mehr wahrnimmt, könnte das ebenfalls eine Ausnahme bedeuten, für die Autoren und Autorinnen eine Chance. 

Für den stationären Buchhandel zählt auch nur noch der Mainstream, und das wird vermutlich noch schlimmer werden. Um nur ein kleines Beispiel zu nennen: Der Pop Verlag hat kein Geld, um reisende Vertreter zu bezahlen. Also habe ich das bei den wichtigsten 5 Geschäften in meiner unmittelbaren Umgebung selbst übernommen (Lyriker haben ja sonst nichts zu tun). Beim frisch fusionierte Buchhaus Wittwer-Thalia, der größten der Stadt, hat ein Praktikant während des ersten Lockdowns vom Tisch der mehrfach informierten Chefeinkäuferin aus Versehen "entsorgt", wie sie mir nach etlichen telefonischen Nachfragen unter tausend Entschuldigungen gestand. Ich brachte ihr das Buch zum zweiten Mal persönlich und auf meine Kosten zur Ansicht, und sie beteuerte, sich bald melden zu wollen. Das war im August 2020. Gehört habe ich seither nichts mehr von ihr.

Ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung - auch auf die Solidarität jener Kolleginnen und Kollegen, denen ich in einem früheren Leben Aufträge und viel öffentliche Aufmerksamkeit verschafft habe. Wer wird mich einladen oder mein Buch empfehlen? Ein Lichtblick immerhin: mit gut einem Jahr Verspätung ist die erste richtige Rezension über mein Buch erschienen, allerdings beim Pop Verlag, wo auch mein Buch herauskam - in der Kulturzeitschrift BAWÜLON Heft Nr. 4/2020. Ein Literaturportal in Österreich hat sie bereits in der Facebook-Gruppe https://www.facebook.com/groups/1518173745088870/ verlinkt und mir einen Kommentar eingeräumt. Doch das alles geschieht in Nischen weitab des Mainstreams.