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Dienstag, 29. September 2020

"Politik des Zuhörens"? - Nein, Tiefschlaf in Sachen Kultur!

Künstler sind keine Klimatechniker, vor allem Musiker nicht. Ich habe im Nachgang eines kleinen Literaturfestivals jedoch begonnen, bezahlbare technische Lösungen vor allem für kleinere und mittlere Räume im Internet zu suchen. Gerade kleine Veranstalter mit relativ kleinen Räumen klagen in der Corona-Pandemie über enorme Probleme bei Proben und Konzerten, Lesungen oder Theateraufführungen. Aber auch die Großen, die für ihre Angestellten sogar Kurzarbeitergeld bekommen, fordern: "Lasst uns wieder arbeiten!" So etwas wie Normalbetrieb würde hier sicher mehr Einnahmen als staatliche Zuschüsse schaffen und wäre finanziell wie psychologisch besser für alle Beteiligten. Das Thema hat mir Monate lang keine Ruhe gelassen, weil ich selbst begeisterter Amateur-Chorsänger bin. Als Lyriker arbeite ich bei Lesungen mit Vereinen, Bibliotheken und Buchhändlern zusammen.

Genau das aber scheint hier mit einer überschaubaren technischen Investition eigentlich ganz leicht möglich zu sein. Auch ich bin kein Klimatechniker, habe jedoch die Studien und Empfehlungen des Instituts für Musikmedizin an der Universität Freiburg gelesen und bei meinen Recherchen einen Ansprechpartner gefunden, der auch Beratung bietet. Die Firma, die ich den geneigten Lesern zu einer genaueren Prüfung empfehlen möchte (und die mir keine Provision bezahlt!), ist zertifiziert durch die Hohenheimer Institute und gerade erst dabei, Kontakt zum Institut für Musikmedizin an der Universität Freiburg zu suchen, weil dieses Institut vor Corona kein Mensch kannte). Außerdem spricht das Unternehmen gezielt Kirchen an, die aber meist noch nichts davon wissen - und wenn, dann warten sie auf eine Erlaubnis der Obermuftis, die Geräte auch zu benutzen! Selbst Kirchenchöre dürfen daher nur in Kleingruppen proben und kaum auftreten. Kleine Veranstalter mit zu kleinen Räumen bitten scharenweise die Großen um Asyl und zahlen Miete. Dabei wäre das alles vermutlich vollkommen überflüssig.

Die Neu-Ulmer Firma heißt Dinnovative. Sie produziert Luftreiniger in unterschiedlichen Größen (je nach Raumgröße), die auch Aerosolfilter haben und anscheinend die komplette Raumluft alle 10 Minuten (!) erneuern. Es gibt diese Geräte für Büro, Praxis, Bibliothek etc. Sie sind fast unhörbar leise und eignen sich für Friseure, Arztpraxen, Nagelstudios, Hotels, Kantinen, Kirchen und nicht allzu große Konzertsäle. Danach müssten 90 Prozent aller literarischen Lesungen in Buchhandlungen, Kulturhäusern und Stadtbüchereien anstandslos wieder möglich sein. Aber was ist? Angst und tote Hose, oder besser: volle Hose!

Mehr dazu gibt es unter Luftfilter - Made in Germany <http://www.dinnovative.de/>

Weiter führende Links:
Coronavirus und Luftreinhaltung: Neu-Ulmer Firma entwickelt Luftfilter gegen Viren | Südwest Presse Online <https://www.swp.de/suedwesten/staedte/neu-ulm/corona-coronavirus-luftreiniger-test-neu-ulmer-firma-luftfilter-ventilator-aerosole-viren-50441659.html>

Neuer Corona-Luftfilter entwickelt: "99,8 Prozent werden getötet" <https://www.infranken.de/ratgeber/gesundheit/coronavirus/neuer-corona-luftfilter-entwickelt-998-prozent-werden-getoetet-art-5024369>

Dinnovative Luftfilter erfolgreich gegen Corona-Viren - Gastronomie-Report <https://www.gastronomie-report.de/luftfilter-corona-viren/>

Am hilfreichsten für alle Kulturschaffenden wäre sicher eine pragmatische Allianz von Politik, Verwaltung, Kirchen, Verbänden und Kulturträgern bzw. Veranstaltern, um das Problem zu lösen. Deshalb diese Anregung, einen Ausflug in die Welt der Klimatechnik zu machen. Nur wenn alle wichtigen Entscheidungsträger das Thema erst einmal im Blick haben, kann man hoffen, das sich nicht erst etwas bewegt, wenn es einen Impfstoff gibt und die Hälfte aller Veranstalter nicht mehr existiert.

Das Institut für Musikmedizin an der Universität Freiburg versprach noch im April, seine Empfehlungen für Chöre und Orchester würden monatlich aktualisiert. Seit dem 20. Juli kam nichts mehr. Dabei war das die Musiker-Bibel, zumindest in meinem Bundesland! Ich habe am 14. September an das Institut geschrieben und nach einer Einschätzung gefragt, was solche Geräte betrifft: keine Antwort. Ich habe das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg mit den gleichen Fragen und Recherchen konfrontiert: Schweigen im Walde. Seit Wochen.

Was mich jedoch wirklich wütend macht, ist die Arroganz, mit der Politiker und Behörden die Berichte von Fachleuten ignorieren: Cornelius Hauptmann, Chefdirigent der Stuttgarter Oper, schrieb schon vor Wochen einen langen Artikel über seine positiven Erfahrungen von den Salzburger Festspielen, wo 900 von 1200 Plätzen der großen Felsenreitschule mit einem Schachbrett-Muster besetzt (und verkauft!) werden konnten. Gestern berichtete Hans Christoph Rademann der "Stuttgarter Zeitung" vom Musikfest Erzgebirge mit fast vollen Kirchen. Aber niemand redet mit solchen Fachleuten, obwohl für beide Veranstaltungsreihen keine einzige Infektion bekannt ist. Stattdessen will Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann Musikunterricht und Schulchöre weiterhin verbieten und zwingt Symphonieorchester zu ruinösen Auftritten vor 500 Leuten in der 2000 Plätze fassenden Stuttgarter Liederhalle. Die "eiserne Schwäbin" Eisenmann (CDU) versteht zwar nichts von Musik und Theater, bleibt aber in Sachen Kultur stur bei Vorgaben vom Mai, obwohl das Publikum für Literatur und klassische Musik das disziplinierte Publikum überhaupt ist. Auf jeden Fall disziplinierter als die Kinder, die sie distanzlos in Kitas und Schulklassen schickt. Noch schlimmer ist wohl, dass es auf den Schulhöfen eine strikte Trennung von Klassen bzw. Lerngruppen gibt, aber nur eine Raucherecke für die Älteren. "Rauchen ist tödlich": Der Slogan bekommt da eine neue Bedeutung.

Langsam greifen seriöse Journalisten (z.B. beim BR) dieses Problem und mögliche Lösungen auf. Aber eine breite öffentliche Debatte gibt es darüber bis heute nicht. Corona-Regeln werden ja anscheinend nur für Wacken oder Disco-Clubs gemacht. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen) wackelt dabei zustimmend mit seinem greisen Haupt und gibt ahnungslos den besorgten Landesopa. Dabei stammt der Slogan von ihm, er wolle eine "Politik des Zuhörens" machen. Doch hier hört er genauso wenig zu wie seine umstrittene Kultusministerin und Stellvertreterin. Derlei Unsinn richtet schweren finanziellen und psychischen Schaden bei vielen Kulturschaffenden und beim Publikum an. Die ganze Kulturlandschaft ist davon betroffen, von der Hochkultur bis hin zum Gesangsverein. Viele Amateure und Profis werden aufgeben, viele Veranstalter schließen. All das führt zu einem weiteren großen, unnötigen Vertrauensverlust in unsere Politik, die beharrlich schöne Sonntagsreden hält und im Alltag ignoriert, das Kunst und Kultur ein Lebensmittel - nein: ein Überlebensmittel sind. 

Es mag ja sein, das Politiker, Fachleute, Großveranstalter, Verbände und Behördenleiter in Hinterzimmern bereits diskutieren, dass die Köpfe rauchen, und wirklich ernsthaft nach Lösungen suchen. Doch wenn sie dies tun, geschieht das nicht öffentlich. Und das ist nicht nur ein Skandal von erlesener Dummheit, sondern auch ein Misstrauensvotum in Richtung Volk. Für wie dämlich muss man uns halten und wie paranoid muss man sein, um zu befürchten, Aufklärung über Fragen und Probleme, die uns alle auf den Nägeln brennen, könnte gefährlich sein?! Es ist doch seltsam, dass wir inzwischen mehr über das Virus Corona Sars Cov 2 und Covid 19 wissen als über Klimanlagen, die im Vergleich zu diesem ganzen biologischen und medizinischen Fachwisssen geradezu simpel sind. 

Die Menschen können fast jede Wahrheit ganz gut vertragen, aber keine Ungewissheit. Und am wenigsten verstehen sie (mich eingeschlossen), dass sie sich mit künstlich erzeugten Unwissenheiten abfinden sollen. Wenn das Problem ist, dass wir gute Geräte haben, aber die Hersteller nicht genug liefern können, sagt es uns. So etwas lässt sich ändern, und dafür Millionen oder auch Milliarden in die Hand zu nehmen, macht jedenfalls Sinn. Wenn wir noch keine guten Geräte haben, dann sagt uns das! Wir verfolgen fast täglich im Fernsehen den Entwicklungswettlauf der Pharmaindustrie um Impfstoffe gegen Covid 19 und bekommen keinen Nervenzusammenbruch, weil die Sache sich hinzieht. Also, wenn Raumluftreiniger besser, billiger, besser verfügbar sein müssen, sagt es uns verdammt noch mal! Dann kann man herausfinden, wo die Probleme liegen, und sich an die Arbeit machen, um sie zu lösen. Und wenn wichtige wissenschaftliche Untersuchungen fehlen, dann macht sie endlich und tut die Ergebnisse allen kund! Aber wacht endlich auf. Die letzten sechs Monate habt Ihr fest geschlafen oder Öffentlichkeit lebenswichtige Informationen vorenthalten.

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