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Dienstag, 8. September 2020

FREIHEIT FÜR MARIA KALESNIKAVA - ein offener Brief von Kulturschaffenden an Merkel

Hier ein ein Offener Brief von Kulturschaffenden an die Bundeskanzlerin bezüglich der Verschleppung von Maria Kalesnikava.

Jochen Sandig, Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele, war dieser Tage mit Maria Kalesnikava im Austausch über eine künstlerische Zusammenarbeit im Rahmen der Ludwigsburger Schlossfestspiele 2021.

Mit herzlichen Grüßen,

Christine Diller, 

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

 

OFFENER BRIEF – „FREIHEIT FÜR MARIA KALESNIKAVA“

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

 

am frühen Morgen des 7. September 2020 ist Maria Kalesnikava im Stadtzentrum vom Minsk von maskierten Männern in einem schwarzen Lieferwagen entführt worden. Seither fehlen gesicherte Informationen über ihren Verbleib. Agenturmeldungen zufolge wurde von staatlicher weißrussischer Seite am heutigen 8. September der Versuch unternommen, sie und ihre Kollegen Anton Rodnenkow und Iwan Krawzow in die Ukraine abzuschieben. Rodnenkow und Krawzow befinden sich demnach mittlerweile in der Ukraine. Maria Kalesnikava soll sich jedoch einer Abschiebung durch Zerreißen ihres Reisepasses widersetzt haben. Man muss davon ausgehen, dass sich Frau Kalesnikava jetzt in Gewahrsam der weißrussischen Sicherheitskräfte bzw. des Geheimdienstes KGB befindet.

Frau Kalesnikava ist eine belarussische Musikerin, Kuratorin, die Art-Direktorin des Minsker Kulturprojektes „Ok16“ und ein führendes Mitglied des Koordinationsrats der Belarussischen Opposition. Zuvor hatte sie 12 Jahre in Stuttgart studiert und gearbeitet, u.a. als PR-Managerin des renommierten Neue-Musik-Festivals ECLAT. Sie leitete mehrere Projekte in Stuttgart und Minsk u.a. in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut.

Diese Entführung hat sich vor dem Hintergrund der massiven Zivilproteste in Belarus ereignet, die seit den Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 andauern und jede Woche Hunderttausende Menschen im ganzen Land auf die Straßen bringen. Maria Kalesnikava war die Vertreterin des Wahlkampfstabs des Präsidentschaftskandidaten Viktor Babariko, den das Lukaschenko-Regime hinter die Gitter gebracht hat. Zusammen mit der Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanovskaja, die nach unabhängigen Schätzungen die Wahl gewonnen hat, sowie mit Veronika Tsepkalo, der Frau des Präsidentschaftskandidaten Valeri Tsepkalo, bildete Maria Kalesnikava die Spitze der Protestbewegung. Ihre Mitstreiterinnen Tichanowskaja und Tsepkalo wurden beide von den belorussischen Geheimdiensten gezwungen, das Land zu verlassen. Tichanowskaja berichtete, man habe sie und ihre Kinder bedroht. 

Da es seit Wochen Berichte über Folter, Gewalt und Entführungen in Belarus gibt, sind wir zutiefst besorgt über das Schicksal von Maria Kalesnikava.

Wir begrüßen, dass Bundesaußenminister Heiko Maas sich gestern sehr deutlich öffentlich zu diesem Fall geäußert hat. Frau Bundeskanzlerin, wir appellieren heute mit höchster Dringlichkeit an Sie, dass Sie persönlich – auch vor dem Hintergrund Ihres Vorsitzes in der Europäischen Union – gemeinsam mit Ihren europäischen Amtskollegen alle politischen Möglichkeiten ausschöpfen, um den Verbleib von Frau Kalesnikava schnell aufzuklären, ihre Sicherheit zu gewährleisten und ihre sofortige Freilassung zu erwirken.

Mit herzlichem Dank im Voraus und freundlichen Grüßen

Christine Fischer, Intendantin Musik der Jahrhunderte, Leiterin Festival ECLAT

Prof. Martin Maria Krüger, Präsident Deutscher Musikrat e.V., Vorsitzender Musikfonds e.V.

Gerhart R. Baum, Bundesminister a.D., Vorsitzender des Kulturrats NRW

Petra Olschowski, Staatssekretärin Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg

Dr. Julia Cloot, Präsidentin Internationale Gesellschaft für Neue Musik, Deutsche Sektion

Viktor Schoner, Intendant Staatsoper Stuttgart

Jochen Sandig, Intendant Ludwigsburger Schlossfestspiele

Sasha Waltz, Choreographin

Sergej Newski, Komponist

Katja Petrowskaja, Schriftstellerin 

Manos Tsangaris, Direktor der Sektion Musik der Akademie der Künste Berlin, Künstlerischer Leiter Münchener Biennale

Björn Gottstein, Künstlerischer Leiter Donaueschinger Musiktage

Dr. Regula Rapp, Rektorin Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart

Paul-Georg Dittrich, Regisseur 

Miron Hakenbeck, Dramaturg 

Titus Engel, Dirigent

Viktoriia Vitrenko, Vorstand InterAKT Initiative e.V.

Jasmin Schädler, Vorstand InterAKT Initiative e.V.

Vincent Stefan, Musiker, Regisseur, Komponist 

Steven Walter, Leiter Podium Esslingen

Hanns Zischler, Schauspieler, Schriftsteller

Samir Odeh-Tamimi, Komponist, Stellv. Direktor Sektion Musik Akademie der Künste Berlin

Julia Gerlach, Sekretär der Sektion Musik Akademie der Künste

Rainer Pöllmann, Musikredakteur und Co-Leiter Festival Ultraschall Berlin

Lucia Ronchetti, Komponistin

Katharina Raabe, Lektorin, Suhrkamp Verlag

Ilma Rakusa, Übersetzerin

Jens Cording, Kulturmanager

Elke aus dem Moore, Direktorin der Akademie Schloss Solitude

Martina Grohmann, Intendantin Theater Rampe

Paula Kohlmann, Dramaturgin Theater Rampe

Dr. Lydia Jeschke, Redaktionsleitung Neue Musik und Jazz im SWR

Dr. Stefanie Stegmann, Leitung Literaturhaus Stuttgart

Kerstin Preiwuß, Schriftstellerin 

Thorsten Schütte, Filmakademie Baden-Württemberg

Ulrike Groos, Direktorin Kunstmuseum Stuttgart

Hans-Georg Kaiser, Intendant Freiburger Barockorchester

Hans D. Christ, Direktor Württembergischer Kunstverein

Iris Dressler, Direktorin Württembergischer Kunstverein

Prof. Martin Schüttler, Komponist, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart

Prof. Angelika Luz, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart

Franz Martin Olbrisch, Vizepräsident Internationale Gesellschaft für Neue Musik, Deutsche Sektion

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