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Montag, 23. Dezember 2019

Zum Teufel mit der Angst vor Tiefgang!


Mehrfach habe ich inzwischen gehört, man müsste Hispanistik und Philosophie studiert haben, um "Suleikas rebellische Kinder" zu lesen oder würdigen zu können. Warum nicht auch Theologie, Islamwissenschaften, Arabisch und werweißwas? - Mit Verlaub, ich finde, das ist Bullshit hoch drei und vermutlich bloß eine dumme Ausrede lesefauler Zeitgenoss(inn)en! Der Preis kann es nicht sein, denn für 16,50 € bekommt man sonst keine 235 Seiten anspruchsvolle und unterhaltsame Literatur, sondern vielleicht gerade mal eine Pizza und eine große Cola beim Italiener, also nachhaltig gegen Ex und Hopp.
Ja, es steckt viel drin in meinem Buch, auch viel Wissen. Aber seit wann muss man bei Gedichten jede Zeile verstehen? Seit wann muss man einen Doktortitel haben, um Goethe zu lesen? Und wo steht geschrieben, dass Bildung keinen Spaß macht? Einfach mal die Nase rein stecken, Leute, dann seid Ihr schnell eines Besseren belehrt: Bei Gedichten gibt  es immer mehrere Ebenen des Verstehens. Es fängt ganz einfach an und kann in späteren Verständnis-Etappen auch höllisch komplex werden; doch niemand muss wie in der Schule alle Stufen durchlaufen. Und niemand bringt sich bei "höherem Verständnis" in Gefahr abzustürzen wie schon bei einer simplen Kletterwand.
Kein Klassiker wäre je zum Klassiker geworden, wenn aus überzogenem Respekt kein Mensch seine Bücher gekauft und gelesen hätte (oder gar seine Schüler damit traktiert!). Wortspiele und Gedankenakrobatik können Freude machen. Entdecken ist sexy. Erotik kann durchaus gebildet sein, bleibt aber immer Erotik, und Witz bleibt Witz (die besten Judenwitze habe ich übrigens in einem Buch des Juden Sigmund Freud gelesen, und die besten Blondinenwitze haben mir Blondinen erzählt). Also: Keine Angst, Probieren geht über studieren! Es findet sich für jeden genug Lesenswertes darin.
Schon besser traf es eine Leserin, die meinte, mein Buch stochere mit Kritik am real praktizierten Islam (und am real praktizierten Christentum!) bei Teilen der Gesellschaft in einem Wespennest herum. Gerne, das soll so sein. Schließlich heißt Dialog nicht vorauseilende Unterwerfung unter einen Zeitgeist, ein Dogma oder eine Ideologie. Die freundlich-kritische Leserin fuhr fort, dem Buch nütze auch das aktuelle Desinteresse an Goethe und an den aktuellen Konflikte im Nahen Osten nicht besonders. "Man will in nix reinkommen" und nicht zu nah an heiße Eisen geraten (oder, um im Bild zu bleiben, an erregt summende Wespenvölker). Sicher nicht falsch analysiert und verständlich, aber eben nicht akzeptabel für einen Autor, der noch eine gewisse Selbstachtung hat.
Einen dritten Grund dafür, mein Buch für "schwierig" zu halten, will ich gern selbst nennen: Es ist kein Roman. Es ist Lyrik. Politische Lyrik ist aber heute so out wie philosophische oder orientalische Spruchlyrik oder Religionskritik in Versen. Das war zu Goethes Zeit anders, und ich handle hier mit Zombie-Literatur. Aber ist das so falsch? Hier verweise ich eindeutig auf die ersten drei Absätze: Wenn Gutes, Wahres und Schönes unterhaltsam ist, so what? In Zeiten der absoluten Oberflächlichkeit nach Facebook und Twitter wage ich es unverschämterweise, etwas Lektüre mit Tiefgang zu einem guten Preis anzubieten! Die lustvolle Auseinandersetzung mit den eigenen literarischen Traditionen sowie einem Sack voll Klischees über andere Kulturen und religiöse Vorurteile hat mir eine Menge Spaß gemacht, also könnte sie auch Kritikern und Lesern Spaß machen.

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