Gaechinger Cantorey (Foto: Holger Schneider, Bachakademie Stuttgart) |
Im letzten
Abo-Konzert der Internationalen Bach-Akademie Stuttgart gab es in der Liederhalle eine
Rariät zu hören. In der Liederhalle leitete Hans-Christoph Rademann
am 11. und 12. Mai mit der Gaechinger Cantorey eine Aufführung aller
sechs Motetten von Johann Sebastian Bach. Sie gehören zu den
bekanntesten Kompositionen, sind aber nur selten im Konzert zu hören,
und wenn, dann nur einzeln. Motetten sind liturgisch geprägt und
kennen anders als die spätere, am Kunstlied orientierten Form der
Kantate, im Prinzip keine Solisten. Für manche war das schon zu Bachs Zeiten
altmodisch, Freunde der Chormusik lieben Motetten aber bis heute.
Aufgeführt wurde nur der gesicherte Werkstamm. Doch Akademieleiter
Hans-Christoph Rademann hat früher schon ähnliche Programme gemacht
und die Zusammensetzung klug gewählt. Statt der überholten
Reihenfolge nach BWV setzt er auf eine Dramaturgie der Kontraste.
Anders war diesmal aber auch, dass Rademann hier sehr wohl in zwei größeren Werken (BWV 227 und BWV 225) Solisten einsetzte. Da alle Sängerinnen und Sänger solistische Qualitäten haben, kamen sie hier bei dialogischen doppelchörigen Sequenzen als zweiter Chor zum Einsatz. Um es gleich zu sagen: Es hätten auch andere aus dem Chor sein können. Doch Mirjam Striegel (Sopran I, BWV 227), Ranveig Laegreid (Sopran), Jennifer Gleinig (Alt), Christopher Renz (Tenor) und Tobias Ay (Bass) gaben dem Konzert mit ihren herrlichen Stimmen und der virtuosen Beherrschung der schwierigen Materie besonderen Glanz und persönliche Seele.
Ein flotter Einstieg war die Motette „Lobet den Herrn, alle Heiden“ BWV 230; das
schöne, nur rund 7 Minuten kurze vierstimmige Werk ist für
Forschung wie Sänger eine harte Nuss. Denn die Noten passen nicht so
und gut zum Text wie sonst bei Johann Sebastian Bach. Daher zweifeln
einige immer noch leise an Bachs Urheberschaft. Der musikalische
Aufbau mit dem Choralsatz in der Mitte ist aber ganz Bach.
Bei der zweiten
Motette Motette „Jesu, meine Freude“ BWV 227 steht der Choral am
Anfang. Eigentlich ist das fünfstimmige Stück eine einzige Reihe
von Variationen auf diesen Choral im Stil einer 21 Minuten langen
Trauermusik. Auch die doppelchörige, rund 12 Minuten lange Motette
„Fürchte dich nicht“ BWV 228 entstand wie viele Werke dieser Art
aus Anlass einer Beerdigung.
Achtstimmig geht es
nach der Pause weiter mit der Motette „Der Geist hilft unsrer
Schwachheit auf“ BWV 226 von ca. 9 Minuten Länge. Sie schrieb Bach
zum Begräbnis von Johann Heinrich Ernesti im Jahr 1729. Das ist
bekannt, weil Ernesti Professor der Unversität Leipzig und Rektor
der Thomasschule war. Die klangschöne vierstimmige Motette „Komm,
Jesu, komm“ BWV 229 (Dauer: 8 Minuten) schrieb Bach vermutlich zur
Beerdigung der Witwe eines Kollegen. Auf inniges Gebet, folgt
tänzerisch-fröhliche Vorfreude auf das Paradies.
Das Finale war der Höhepunkt:
die Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ BWV 225, eindeutig
das Glanzstück der Bach-Motetten. Etwa 15 Minuten lang präsentierten
die Gaechinger hier einen Dialog virtuoser Koloraturen und Melismen:
tänzerischer Jubel menschlicher Stimmen in höchster Vollendung.
Als Verschnaufpause
für die Sängerinnen und Sänger dienten zwei der schönsten
Kantatensinfonien Bachs. Alles in allem ein toller Saisonausklang der
Gaechinger Cantorey. Standing Ovtions, die absolut verdient waren. Glückliche Gesichter auch auf der Bühne.
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