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Freitag, 10. Mai 2019

"Babi Jar": ein musikalisch-literarisches Ereignis in Ludwigsburg

Pietari Inkinen und das Festspielorchester


Ylioppilaskunnan Laulajat
Gestern beim Eröffnungskonzert der Ludwigsburger Schlossfestspiele: Die Sinfonie Nr. 13 b-Moll von Dmitri Schostakowitsch nach dem Gedicht "Babi Jar" von Jewgeni Jewtuschenko (1932 - 1917). Das große musiktheatralische Ereignis erinnert an die Ermordnung von 34 000 Juden in der "Weiberschlucht" bei Kiew durch die Deutsche Wehrmacht und ukrainische Hilfstruppen an nur zwei Tagen im September 1941. Chruschtschows Administration wollte wegen der Beteililigung der ukrainischen "Brüder" um jeden Preis verhindern, dass die Sache bekannt wurde. Deshalb riskierten der Komponist und die Musiker 1962 bei der Uraufführung nicht weniger als Jewtuschenko. Vor allem im Schlussteil war in Text und Musik viel russisch-patriotisches Pathos unüberhörbar und in den Texten unübersehbar ("Humor", "Im Laden", "Angst", "Karriere"). Doch das war auch eine historisch notwendige Konzession von Dichter und Komponist an den damaligen Zeitgeist. Ohne diese für uns häufig kitschig wirkenden Elogen an die "heldenhaften, tapferen und opferbereiten Männer und Frauen im Kampf gegen den Faschismus" wäre die Aufführung wohl nicht möglich gewesen.
Paul Celans Übersetzung von "Babi Jar" rezitierte Josephine Köhler. Seltsam genug, dass ausgerechnet dieses Werk nie in meiner Nähe aufgeführt wurde, seit ich denken kann. In der UdSSR hat es viel zur Popularität des Dichters und des Komponisten beigetragen. Ich kannte nur eine uralte, unvollständige Archivaufnahme des SDR. Der gefeierte Solist der großartigen Ludwigsburger Aufführung war der herausragende Bass René Pape (geboren 1964 in Dresden).
Jewgwni Jewtuschenko schildert in seiner Autobiographie "Der Wolfspass", wie er und seine Freunde und Millionen Russen gebannt an den Radios saßen und jeden Augenblick damit rechneten, dass die Übertragung abgebrochen würde.Was nicht geschah.
Dazu sang der großartige finnische Männerchor Ylioppilaskunnan Laulajat. Die Eröffnungsrede hielt der Pianist Igor Levit als eindrucksvolles Plädoyer für die Freiheit der Kunst und den Widerstand gegen rechte Hetze und den überall wieder aufflammenden Antisemitismus. Levit bedankte sich zum Schluss in bewegten und bewegenden Worten für die achtjährige Zusammenarbeit und Freundschaft mit Thomas Wördehoff. Der Interndant der Festspiele steht am Beginn seiner letzten Spielzeit in Ludwigsburg.

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