Seiten

Sonntag, 28. April 2013

Akos Doma las im Stuttgarter Schriftstellerhaus

Akos Doma (Mitte) mit unscharfen Damen

Über Lesungen schreibe ich selten, aber die Vorstellung von Akos Doma im Stuttgarter Schriftstellerhaus war doch ungewöhnlich. Der neue Stipendiat im Schriftstellerhaus Stuttgart und noch frische Chamisso-Förderpreisträger gab eine launige Kostprobe aus seinem Roman "Die allgemeine Tauglichkeit". Buch und Autor hätten mehr Publikum verdient gehabt, aber die kleine Schar von Interessierten hatte dafür mehr Gelegenheit als sonst, mit dem Urheber ihres gelungenen Abends Frage- und Antwort zu spielen. Doma wurde 1963 in Ungarn geboren, flüchtete im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern in den Westen und lebt als Übersetzer ungarischer Erzähler bzw. Autor in Eichstätt - da, wo Bayern in Franken übergeht.
Irene Ferchel, die Leiterin des Schriftstellerhauses (auf dem Foto links, leider bewegungsbedingt unscharf), stellte Doma launig und belesen vor, und der lutschte zwar im Kampf mit einer aufkommenden Erkältung ein Halsbonbon, sprach aber ungemein unterhaltsam, locker und souverän. Das heißt, zunächst einmal las er vor, aber auch das will gelernt sein. "Die allgemeine Tauglichkeit" ist eine Art moderner Schelmenroman über vier Arbeitslose, in deren Stadtrandidyll ein blonder Strahlemann mit Surfbrett eindringt. Der Neue ist zwar auch arbeitslos, entpuppt sich aber gleich als pedantischer Worcoholic und bringt das sozial-psychologische Gleichewicht der Männergruppe durcheinander. Als erstes macht er den Abwasch und putzt, und dann bleibt im weiteren Verlauf kein Auge trocken. Extrem unterschiedliche Lebensentwürfe prallen aufeinander. Diese Hartz-IV-Empfänger sind verdächtig aktive Verlierer oder besser kreative Arbeitsverweigerer. Und weil jeder ein ganz eigener Typ mit seiner sehr speziellen Geschichte, Kultur und Herkunft ist, wird der Roman auch gleich zur Sozialtypologie unserer Tage. Kein Buch der Theorien ist das, sondern eine Geschichte aus Fleisch und Blut mit Figuren zum Anfassen: sehr dialogisch geschrieben, stark in Bildern komponiert - und mit so viel Witz und Gesellschaftskritik, dass auch ein Fatih Akin vermutlich seine Freude daran hätte.
Ja, er könne sich das auch als Film vorstellen, erzählt Doma schmunzelnd, eine große Produktionsfirma hat die Rechte dafür bereits gekauft, aber vorerst kein Geld für die Produktion. Irgendwie typisch. Streckenweise ist der Abend also auch ein Hörspielabend, aber das schadet nicht im Geringsten. Denn wer hören kann, muss fühlen: da stellen sich existenzielle Fragen auf unterhaltsame Weise: Wie sollte man leben? Ist das ok. so, wie wir das in der Regel so momentan machen? Wie sollten wir miteinander umgehen? Es ist sein zweiter Roman. Der erste heißt "Der Müßiggänger" und erschien 2001 im gleichen Verlag. Da kommt Großes leichtfüßig daher, und das ist wirklich nicht leicht. Schön, diesen Mann drei Monate lang in der Stadt ztu haben. Er arbeitet jetzt an etwas neuem, in dem Frauen eine größere Rolle spielen sollen. Ich hoffe, wir sehen uns noch.
Akos Doma: "Die allgemeine Tauglichkeit", Rotbuch Verlag, Berlin, 270 Seiten, 18,99 €

Keine Kommentare: