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Sonntag, 28. April 2013

"Die Nachtwandlerin" von Bellini in der Stuttgarter Oper: schöne Musik, bekloppte Regie

2012 war "La Somnambula" von Vincenzo Bellini die Stuttgater Opernaufführung des Jahres, aber erst für die gestrige Aufführung bekamen wir Karten. Ich muss trotzdem sagen: Musikalisch hat sich das Warten gelohnt, auf die Inszenierung hätte man auch verzichten können. Das Stuttgarter Staatsorchester unter der Leiung von Gebriele Ferro, der Chor und die Sänger waren großartig. Allen voran Ana Durlovski als somnambule Amina, Luciano Botelho als ihr Liebhaber Elvino und Enzo Capuano als Graf sangen und spielten überzeugend, kraftvoll, traumwandlerisch sicher und sensibel. Sehr gelungen auch die wunderbaren Ensemblenummern.
Die Regie von Jossi Wieler - auch so ein Hätschelkind der Stuttgarter Feuilletons - hätte ich dagegen voll in die Tonne getreten. Wieler sieht seine Aufgabe anscheinend grundsätzlich darin, Orchester und Publikum ein bisschen zu ärgern, damit man sich bloß keinem ungerechtfertigt romantischen Kunstgenuss hingibt. Diesmal hatte er die Bühne mit Klapptischen und Klapp-Bänken aus einem Biergarten für die geplante Hochzeit möbliert, und die Sänger durften die Ausstattung mehrmals geräuschvoll auf- und abbauen - klar, ist ja ihr Job; ohne Multitasking wird man heute dank solchen Schwachsinns auch bei der Oper nichts mehr. Ich bewundere nur den Dirigenten Gabriele Ferro, der mit Engelsgeduld bei jedem größeren Knall oder Rumpelgeräusch eine Pause machte, die halt so nicht in der Partitur steht. Aber Klappmöbel gehören ja auch nicht zum Instrumentarium eines Orchesters - noch nicht. Jossi ille Wieler möchte das wohl ändern, und manche Feuilletonisten verwechseln solche Kindereien anscheinend nachhaltig mit künstlerischer Avantgarde. Da sei die Musik vor!
Bis auf diese (zugegeben: in Maßen) destruktive Idee hatte seine Regie nichts zu bieten, was über gepflegte Langeweile hinausging. Der Chor stand und saß statisch herum, wenn er nicht gerade länglich auf- oder abmarschierte bzw. Möbelpacker spielte. Und für den Umbau des Sofas im Festsaal zum vermeintlichen Lotterbett für den Grafen und Amina wurden dann doch ensemble-fremde Möbelträger engagiert - dabei hatten die Sänger doch eben an Tischen und Bänken bewiesen, dass sie´s genauso gut können. Unmotiviert geht es bei Wieler besonders gern zu; zum Beispiel: wo kommt das blutige Bettlaken her, wenn Amina doch unschuldig ist und gar kein Geschlechtsverkehr stattfand? Blut macht sich eben immer gut, denkt wohl der Mann.
Aber damit er nicht meint, ich hätte nichts Gutes an seiner Arbeit gesehen: Richtig witzig (leider die einzige Ausnahme) war die pantomimische Einlage des Chors, der nach dem Eklat - Amina schlafend in seinem Bett, er im Schrank - als dörflicher Mob die Koffer des Grafen filzt, wobei einige seiner Accessoirs den Besitzer wechseln. Insgesamt aber: Mehr als Schnaps trinkende Dörfler hatte Jossi Wieler nicht vorzuführen. Und diese tumben Saufnasen sollen so musikalisch sein? Klappe zu, Affe tot. Der Applaus war riesengroß, aber gewiss nicht für den Regisseur. Ach, Jossele!

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