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Samstag, 30. April 2022

Putins Kulturkampf gegen die Wahrheit: Aus meinem Bücherregal

Ich finde es furchtbar ermüdend, immer wieder zu lesen, was alles nicht gelesen wurde - auch auf Facebook etwa. Dieses Buch erschien 1977! Und da steht alles drin, was auch Putin wissen müsste. Etwa dass er seine eigene Kultur nicht kennt bzw. kaum russische Autoren des 20. Jahrhunderts gelesen hat. Wer behauptet, dass wir das ächten würden, kann nur verrückt sein. Und wer so etwas bei uns oder in der Ukraine ächten will, weil Wladimir Putin Krieg gegen die Ukraine führt, hat keine Ahnung von Kultur. Putin ist kein Maßstab, sondern einfach nur ein hochgekommener Gangster und Ex Geheimdienst-Agent. Armes Russland! Und arme Nachbarländer, die er gern unterwerfen will! Der russische Präsident, sein orthodoxer Patriarch Kyrill und deren Entourage faseln, Russland befinde sich im Krieg mit den Nazis der Welt. Unter Nazis verstehen sie alles, was mit Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu tun hat. Nein, Putin führt als oberster Dienstherr aller Neonazis der Welt einen Kulturkampf gegen jede Kultur, die diesen Namen verdient. Und das geschieht mit einem Glaubenseifer, der schlimmer ist als der Fanatismus der Mullahs oder des IS. Er hat mit all seiner Macht des organisierten Verbrechens jeder Friedensordnung den Krieg erklärt. Er will absolut keinen Frieden, er ist ein bedingungsloser Prediger des Hasses, der Gewalt und der brutalstmöglichen Zerstörung geworden. Er behandelt Menschen wie Dreck, auch seine eigenen Soldaten und Oligarchen.
Lew Kopelew war ein russischer Ehrenmann und Offrizier in Zweiten Weltkrieg mit mehreren Auszeichnungen. Er setzte sich aber auch für Menschlichkeit und Versöhnung mit den Besiegten ein und protestierte beim Einmarsch in Polen und Deutschland gegen Verbrechen wie etwa Massenvergewaltigungen. Sein Bericht, der erst 1979 komplett auf Deutsch zu lesen war, trägt den Stempel "Aufbewahren für alle Zeit", wie üblich für die Akten des KGB zu Naziverhören und Kriegsverbrechen. Er ist ein erschütterndes Dokument über den damaligen (und leider noch heutigen!) inneren Zustand der russischen Armee. Ein Kriegsgericht verurteilte ihn wegen "Mitleid mit dem Feind". Im Gefängnis perfektionierte er sein Deutsch, las deutsche Literatur und schrieb über Heinrich Heine. Nicht in Russland erschienen seine Bücher, sondern in Deutschland. Er wurde ein Brückenbauer zwischen den Kulturen, den ich immer verehrt habe. Ihn hat Putin sicher nicht gemeint, als er behauptete, Deutschland und der Westen würden russische Literatur ächten, Tolstoi, Puschkin und Dostojewski verbannen. Musiker wie Peter Tschaikowski, Igor Strawinski und Dmitrij Schostakowitsch kann er ebenfalls nicht gemeint haben oder Dichter wie Alexander Scholschenyzin und Andrej Sinjawski oder Anna Achmatowa. Sie alle kennt Putin wohl nicht, sie würden sich im Grab umdrehen, aber das wäre dem Diktator völlig egal. Doch das sind russische Literatur und Musik, die uns geprägt haben und die auch dann überleben werden, wenn Putin die Welt anzündet.

Der russischer Präsident Wladimir Putin ist der erste Faschist, Massenmörder und Neonazi, der aus dem orgnisierten Verbrechen kommt und sich seiner bedient, um an der Macht zu bleiben. Dazu gehört leider auch, dass er über Atomwaffen verfügt und möglicherweise bereit ist, sie auch einzusetzen. Denn er fälscht und missbraucht die Geschichte und rechtfertigt sein Tun mit grotesken Lügen. Er scheint in seinem imperialen Größenwahn zu glauben, dass "eine Welt ohne Russland (d.h. ohne Putins Russland) nicht gebraucht" werde. Ich hatte immer gedacht, diese Art des erweiterten Suizids sei einem kalt kalkulierenden Zyniker, einem menschenverachtenden Machtpolitiker fremd. Doch ich bin mir da nicht mehr so sicher. Eine Hilfe gegen die Angst vor Krieg, Atomkrieg und Inferno ist das nicht. Aber das würde auch nicht helfen, ebenso wenig wie Unterwerfung. Er hat ja oft behauptet, dass er russische Menschen vor einem Genozid schützen wolle. Aber ob die Menschen auf diese Art seinen Schutz wollen, darf bezweifelt werden. So oder so: Ich habe längst beschlossen, mich nicht mehr einschüchtern zu lassen.

Vermutlich geht es Putin so wie dem alten General in "Der Herbst des Patriarchen" von Gabriel García Márquez: Er kämpft einen sinnlosen und vergeblichen Kampf gegen selbst erschaffene Gespenster. Das Traurigste dabei ist aber, dass all das Leid, der Tod und die Zerstörungen dieses Todeskampfes neben der Ukraine vor allem sein eigenes Land und sein eigenes Volk treffen. Und das alles für Gespenster. Sinnloser geht es kaum.

 

 

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