Neulich habe ich für eine Reportage über ein Konzert der Leipziger Thomaner in Stuttgart den Titel "Ein helles Licht aus Dunkeldeutschland" verwendet und bekam Kommentare, die mich
recht nachdenklich gemacht haben. Sie waren verletzt und entsetzt. Daher habe ich nun das Unwort "Dunkeldeutschland" in kleine, aber wichtige Gänsefüßchen
gesetzt. Diese Gänsefüßchen machen mehr aus ausreichend meine
Distanz" zu diesem Wort deutlich, das aber nun leider einmal in der Welt
ist. Abgesehen davon, dass wir alle eine dunlkle Seite in uns tragen,
an die niemand gern erinnert wird: Diffamierend, pauschal
diskriminierend ist dieses Wort bei mir nie gebraucht worden, sondern
als Spiegelung, die erst durch das "helle Licht" in meiner Überschrift
wirkt und eigentlich schon klare Distanz zum Wort selbst und zu seinem
Inhalt anzeigt. Ich liebe die Kulturlandschaften Ost- und
Mitteldeutschlands (sie gehören mit Luther und Bach zum Besten, was wir
haben) und alle, die sie lebendig halten. Das haben die Leser auch
alle verstanden.
Nachdenklich macht mich der Protest gegen meine Wortwahl, weil ich einzelne Leser damit dennoch
verletzt habe, und weil ich zugleich als Mann der Redefreiheit den
Gedanken an eine "Wörterpolizei" nicht ertrage. Ich habe nämlich
schlechte Erfahrungen mit "verbotenen Ausdrücken" bei Sekten und
mit Verfechterinnen des "Genderdeutsch" gemacht. So etwas wäre meines
Erachtens immer eine unerträgliche Anmaßung, für die es keine Autorität gibt.
Wenn schon, müsste der Bann auch andere Vokabeln aus dem aktuellen
"Wörterbuch des Unmenschen" betreffen: etwa die Bezeichnung
"Gutmenschen", mit der man seit PEGIDA Menschen diffamiert, die sich
bemühen, Entwurzelten und Verfolgten Gutes zu tun (ich habe das
schmervoll selbst erlebt), oder auch den Begriff "tiefer Staat". Der
kriminalisiert ja keineswegs den Staat, sondern Strukturen bezeichnet,
bei denen einzelne Vertreter staatlicher Organe zu Komplizen des
organisierten Verbrechens werden (zuerst kam das beim Schreiben über
Verhältnisse in der Türkei auf, als Geheimdienstoffiziere Erdogans bei illegalen Waffengeschäften mit dem IS erwischt wurden. Später tauchte der Bergriff dann auch bei
der Berichterstattung über die Verstrickung von V-Leuten der Polizei
und des Verfassungsschutzes in die NSU-Morde auf, die grausige
Fehleinschätzung dabei und deren Vertuschung durch das Vernichten von
Akten und Asservaten).
Vermutlich sollte man einen eigenen Blog-Beitrag über solche
Begrifflichkeiten und den Umgang damit schreiben. Aber wann soll ich auch das noch tun? Vielleicht findet sich jemand mit den nötigen Kenntnissen und Ansichten dafür. Denn ich habe
wohl fälschlich angenommen, dass diese Wörter, einmal erklärt, auch
allgemein verstanden würden.
Ich denke, man muss solche hoch toxischen,
gefährlichen Elaborate aus dem Sprachlabor der Demagogen dennoch mit der
gebotenen Vorsicht aus dem Giftschrank holen und verwenden dürfen, wenn
der Zusammenhang klar und die Absicht lauter ist. Das tut weh, aber
anders wird es nicht gehen. Man kann Sprache nicht verbieten, auch nicht
ihre ekelhaftesten Bestandteile. Sonst landen wir bei einer Diktatur
politisch oder religös motivierter Wortverdreher wie in den Romanen
"1984" von George Orwell oder "Schöne jeue Welt" von Orson Wells.
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