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Sonntag, 9. September 2018

Das Stuttgarter Kammerorchester und eine barocke Cleopatra

Dirigent Reinhard Göbel mit Sonia Prina und Sibylle Rubens (von links)
"Liebe in Zeiten des Krieges" ist das Thema der Serenata "Marc`Antonio e Cleopatra" von Johann Adolph Hasse, die das Stuttgarter Kammerorchester unter Leitung von Reinhard Goebel am 8. September 2018 im Mozartsaal der Liederhalle aufführte. Das Stück des jungen "Sachsen" und Scarlatti-Schülers Hasse in Neapel, uraufgeführt im Sommer 1725 als Opern-Einakter im Landhaus eines königlichen Rates, bringt das tragische Ende der großen Liebe zwischen der Ägypterin Cleopatra und dem römischen Feldherrn Marcus Antonius auf die Bühne. Es wäre wohl der Erwähnung nicht mehr wert, enthielte dieser barocke Einakter nicht einige der schönsten Arien und Duette des 18. Jahrhunderts. Denn das Libretto von Francesco Ricciardi ist voller Klischees und unglaublichster Widerspüche. Eine Handlung gibt es nicht, nur die Liebeserklärung des prominenten Paares vor seinem Selbstmord nach der verlorenen Seeschlacht bei Actium am 30. August 30 vor Christus. Das hindert die beiden aber nicht, in einer finalen Vision Glanz und Glorie des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation mit den Habsburger Kaisern zu Wien wieder zu beleben, die sich 1722 wie einst Rom den ganzen Mittelmeerraum zu unterwerfen suchten. Und das in ziemlich barocker Statik.
Musikalisch aber geschieht eine Menge. Johann Adolph Hasse (geboren 1699 in Bergedorf, gestorben 1783 in Venedig) schrieb schon als junger Mann eine unnachahmlich weiche, schmiegsame, melodienreiche Musik. Sibylla Rubens (Sopran) sang die Rolle der Cleopatra auch so: kräftig, innig, koloraturensicher und ausdrucksstark. Sonia Prina (Alt) in der Hosenrolle des Marcus Antonius jedoch stand herum, als hätte sie zu viel Pasta gegessen, schnaufte beängstigend und zerhackte ihre Koloraturen meist mit einem unangebrachten Stakato. Das sollte vermutlich "männlich" klingen, wirkte aber nur unfreiwillig komisch. Am Ende gelang es aber in den Duetten beiden Sängerinnen gemeinsam, auch kritische Zuhörer durch die sichere Dynamik in herrlichen Girlanden eines vorweggenommenen Belcanto zu versöhnen.

Das Stuttgarter Kammerorchester ist wie geschaffen für so eine Kammeroper. Die Musiker spielten mit gewohnter Präzision und Virtuosität, der Gastditigent Reinhard Goebel ist seit 2010 Nachfolger von Nicolaus Hanoncourt auf dem Lehrstuhl des Mozarteum Salzburg für historische Aufführungspraxis, entsprechend souverän war er am Pult. Schöne Musik war das, mit einigen Gänsehaut-Momenten und verdientem Applaus.


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