Walle Sayer im Salon von Annette und Roland Kugler |
Literaturfreunde werden eingeladen, bezahlen einen Obolos für Speis und Trank, treffen einen Autor, und der liest,ordentlich bezahlt dank der Literaturförderung durch Stadt und Land, aus seinen Werken. Natürlich ist das eine mit 20-25 Gästen weit intimere Veranstaltung als bei den sonst üblichen Lesungen. Der Autor erfährt nicht nur die Zuwendung der Gastgeber und eines aufmerksamen Publikums, sondern auch der fachlichen Einführung durch einen Moderator - in diesem Fall Astrid Braun, die Geschäftsführerin des Schriftstellerhauses. Dieses kann dem geladenen Schriftsteller (das ist Teil des Konzepts) enger auf die Pelle rücken als sonst. Die Atmosphäre in Privatwohnungen oder Häusern erleichtert das enorm. Und die Gastgeber dürfen sich schmücken mit Geist und Witz des geladenen Literaten; die Presse kommt, die "Szene" versucht, einen Platz zu ergattern - ganz so will und soll es sein, damit die Rechnung aufgeht: eine Win-Win-Situation, ein Deal, von dem jeder etwas hat.
Walle Sayer ist dabei mehr als irgend eine der verbreiteten Prominentenbesetzungen. Er ist ein wirklicher Dichter und zumal einer zum Anfassen, der in diesem Rahmen aus- und einnehmend plaudern kann und geduldig Fragen beantwortet. Fragen nach seinem Hand-, Hirn- und Mundwerk, anch Inspirationsquellen und Reifezeiten, nach Lyrik und Prosa und was sie bei ihm gemeinsam haben. Sayer ist ein Dichter von hohem literarischen Niveau, der aber nicht gleich mit Theorien kommt, die umfangreicher als sein poetisches Werk sind. Er ist einer, der beim Vorlesen und im Zuhören besticht mit Präzision und Pointen, der mit Witz und Charme auch die Mühen der Ebene in seinem Beruf und die Kurven und Knicke einer nicht-linearen Autorenbiographie bereitwillig nachzeichnet. Halt einer, mit dem man reden kann. Einer, bei dem sich eines ganz sicher nicht einstellt, was ich immer befürchtet hatte: Schickimicki-Atmosphäre. Dafür einen ganz großen Dank. Allein dafür hat sich der Abend gelohnt. "Die Rendite einer Rose" (Sayer) ist schwer zu ermitteln; doch an diesemn Abend war sie spürbar präsent.
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