Dirigent Michael Sanderling und Cellist Nicolas Altstaedt |
Egal war der Unernst des Dutilleux-Titels, der sowohl den Fürsten von Sacher-Masoch als auch die Wiener Sachertorte meinen kann und weder das eine noch das andere ist: weder sexuell schräg noch zuckersüß. Der Franzose Henri Dutillreux (1916 - 2013) gilt als avantgardistischer Poet unter den modernen Komponisten und hat hier ein sehr expressionistisches Werk geschaffen. Schon der Einstieg in ein Orchesterkonzert mit einem solchen Solo ist ungewöhnlich. Er zeigte aber auch gleich, wo hier der Hammer hing: am virtuosen Cello. Es mag anmaßend klingen, aber mir kommt es so vor, als habe sich mit dem zweiten Konzert für Violoncello und Orcherster von Dmitrij Schostakowitsch anschließend ein Cellistentraum erfüllt. Schostakowitsch war am Leningrader Konservatorium Lehrer von Mstislav Rostropowitsch, jenem legendären Cellisten, der Generationen von Solisten auf der ganzen Welt geprägt hat. Schostakowitsch war aber auch befreundet mit Michael Sanderlings Vater Kurt, Cellist wie sein Sohn. Und nun diese Paarung: der Cellist Nicolas Altstaedt (geboren 1982) und Michael Sanderling (geboren 1967 in Ostberlin)! Beide kennen ihren Schostakoswitsch in- und auswendig. Und so wird dieses schnörkellose Spätwerk des Russen aus dem Jahr 1967 zu einem Fest der kompetenten Interpretation und des künstlerischen Ausdrucks von Todesahnung und sarkastischem Galgenhumor nach Noten. Besser kann man dieses Werk kaum dirigieren, und besser spielen auch nicht. O-Ton Alstaedt beim SWR: "Schostakowitsch hat mich zutiefst ergriffen".
Doch nach der Pause fehlte das Besondere: "Sommerwind, Idyll für großes Orchester" von Anton Webern (1883 - 1945) ist eines der Frühwerke des Wieners, die zu Lebzeiten nie aufgeführt wurden. Jetzt weiß ich auch, warum: zu schmalzig, zu impressionistisch für meine Ohren. Webern wechselte dann zur Zwölftonmusik Schönbergs, daher ist dieses Stück alles andere als typisch für diuesen Komponisten. Das abschließende Adagio aus der unvollendeten 10. Sinfonie Fis-Dur von Gustav Mahler (1860 - 1911) ist eigentlich ein Werk von großer emotionaler und existenzieller Tragweite. Ganz ähnlich wie das 2. Cellokonzert von Schostakowitsch entstand dieses Fragment unter dem Eindruck einer schweren Herzkrankheit und in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod. Doch irgendwie war die Luft jetzt raus. Sanderling arbeitete die Partitur minutiös ab, das Orchester funktionierte wie ein virtuoses Uhrwerk. Aber etwas fehlte. Was, hätte vielleicht der erkrankte Chefdirigent Teodor Curretzis gewusst. Und wir hätten vielleicht etwas ganz anderes gehört.
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