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Sonntag, 9. Juni 2019

Nibelungentreue, Lügen und Kriegstreiber

Wirtschaftsgespräche mit Russland sind besser, als die Konfrontation immer weiter zu treiben. Eines Tages kann man mit Putin vielleicht sogar wieder über die Ukraine vernünftig reden. Haben wir etwa vor 1989 die UdSSR mit Sanktionen überzogen, weil die Mauer noch stand? Wir fürchten uns vor einem Krieg im Nahen Osten; aber wer ist ihn anzuzetteln im Begriff? Es sind Einflüsterer eines US-Präsidenten, die schon mehrfach mit Lügen und frei erfundenen "Fake News" gern einen Krieg vom Zaun gebrochen haben: erst den religiös bemäntelten Stellvertreterkrieg des sunnitischen Irak gegen den schiitischen Erbfeind Iran, dann den Krieg gegen Saddam Hussein und den Krieg der reaktionären Contras gegen ein verhasstes linkes Regime in Nicaragua. 
Jetzt also geht es wieder gegen den Iran, wobei der verlogene Autokrat im Weißen Haus den Rest der Welt mit Drohungen und Erpressungen instrumentalisieren will. Dabei hat Amerika selbst Schuld an dieser Feindschaft. Sie existiert, seit die CIA 1953 die erste frei gewählte Regierung Irans durch einen bezahlten Aufstand stürzen ließ, um die Verstaatlichung einer britischen Erdölfirma rückgängig zu machen und den Schah zum Alleinherrscher zu machen. Das geschah dann mit Hilfe des gefürchteten Geheimdienstes SAVAK, dessen Schreckensregime die Mullahs erst an die Macht brachte, weil nur die religiösen Fanatiker noch brutaler und mächtiger waren als die politischen Schläger (die mir vom Schah-Besuch 1967 in Berlin noch in übler Erinnerung sind).
Wir Europäer sollten aber nicht wie die Amerikaner alle Fehler der Vergangenheit wiederholen, sondern daraus lernen. Wir müssen endlich selbst wieder anfangen, Wort zu halten (keine Einkreisung Russlands durch die NATO nach der Wiedervereinigung, Klima-Verträge einhalten, Menschenrechte nicht bloß immer folgenlos anmahnen, sondern auch bei Flüchtlingen in Seenot einhalten, Kriegswaffen-Kontrollgesetz nicht ständig aus Geldgier durch Exporte an kriegführende Potentaten unterlaufen: Das wäre doch mal was!) Wir verachten und meiden das Wort "Konzentrationslager" wegen des Holocaust, aber wir bauen "ANKER-Zentren". Wie verlogen ist das denn? Und unsere vertragstreue Wirtschaft  lässt sich gegenüber dem Iran von Trump einschüchtern: das ist unehrlich, feige, blamabel und einfach schändlich! Es wäre stattdessen klüger, wenn die deutsche Autoindustrie ihre Investitionen aus den unberechnenbar gewordenen USA abzöge und lieber ihre Geschäfte mit Russland und China machte.
OK, ich finde die Annexion der Krim nach wie vor falsch. Ich verurteile seine Unterdrückung der Meinungsfreiheit, seine Instrumentalisierung der Justiz gegen Oppositionelle, und seine asymmetrischen Konflikte mit "Grünen Männchen" ohne Hoheitsabzeichen, Hackerangriffen etc. Aber warum lassen wir zu, dass sich Trump bei den Gedenkfeiern zum D-Day selbst feiert und alle unsere Werte in den Dreck zieht? Warum lassen unsere Regierungen dem Kerl alles durchgehen, ohne seine Handlanger auszuweisen, die zombiehafte NATO zu verlassen und die US-Stützpunkte in Deutschland zu schließen? Dieser Mensch ist ja nicht nur ein übler Hassprediger, Macho, Grapscher, Frauenverächter und Pöbler, ein Rassist, Lügner und Betrüger. Unsere Politiker werfen Putin zu Recht Verletzungen des Völkerrechts vor. Doch jeder Vertragsbruch der USA ist anscheinend so unantastbar wie US-Soldaten, wenn sie Kriegsverbrechen begehen, oder die CIA-Agenten, die rechtswidrig Leute wie Murat Kurnaz von deutschem Boden nach Guantanamo entführen, foltern und jahrelang ohne Prozess schmoren lassen? 
Warum maßt sich Annegret Kramp-Karrenbauer AKK das hirnrissige Urteil an, es sei "eine unzulässige Äquidistanz", Trump in einem Atemzug mit Putin und Erdogan zu nennen? Der einzige Unterschied ist doch, das Trump gerade erst angefangen hat, während Putin und sein Verehrer Erdogan schon viele Jahre Zeit hatten für den Umbau der Demokratie in ihre Autokratie! Ist diese CDU-Chefin samt ihrer "Werte-Union" noch zu retten? Was ist das denn für eine Nibelungentreue, dem Bündnispartner USA dermaßen hörig zu sein, dass man darüber den gesunden Menschenverstand und alle christlich-demokratischen Grundwerte vergisst? Ich kann mir das nur mit nackter Panik angesichts der (rein theoretischen) Möglichkeit erklären, dass es die GroKo demnächst vollständig zerlegt und bei Neuwahlen eine Mehrheit links der Mitte diesen ganzen Irrsinn beenden könnte. Wer da Schnappatmung kriegt, hat es nicht besser verdient.
Aber muss man deswegen gleich diktatorische Bestrebungen und kriminelle Tendenzen in einer US-Regierung verteidigen, die nur mit Hilfe eines schlechten Wahlrechts, russischer Freunde und Wahlbetrug an die Macht gekommen ist? Dieser Staat, der permanent im Ausland "Terroristen" ohne Gerichtsurteil ferngesteuert töten lässt, wobei schon Tausende unschuldiger Zivilisten gestorben sind, diese USA, die Angela Merkels Handy abgehört und sich nie dafür entschuldigt hat, dieses Land ist nicht mehr das, welches Deutschland vom Nationalsozialismus befreit hat!
Im Gegenteil. Seit "Krieg gegen den Terror" alles rechtfertigt, ist die Zahl islamistischer Terroranschläge weltweit explosionsartig gestiegen. Vielen Dank für dieses ungebetene Terror-Konjunkturprogramm. "America first" bedeutet, dass alle anderen Menschen in anderen Ländern straflos abgehört und schutzlos einer rabiaten Politik der Strafzölle, Monopole und Steuerverweigerung ausgesetzt werden dürfen. Wer (für weiße) US-Amerikaner ein besseres Recht beansprucht als für den Rest der Welt, ist nicht mehr unser Verbündeter, sondern ein imperialistischer Schurkenstaat, in dem leider eine Menge anständiger und netter Menschen leben. 
Was passiert, wenn in einem Land Vernunft keine politischen Mehrheiten mehr bekommt, können wir erstens aus leidvoller Erfahrung in Deutschland ganz gut beurteilen. Zweitens lässt sich das gerade auch ringsum in Europa und vielen an deren Weltgegegenden beobachten. Überall sind Neonazis und Autokraten auf dem Vormarsch. Und drittens findet das alles nicht zuletzt dank Geld und Know-How aus Amerika statt.
Steve Bannon, der im ersten Amtsjahr Trumps engster Berater im Weißen Haus war und Chefredakteur des rechtsextremen Medien-Netzwerks Breitbarth war, versucht jetzt im EU-Parlament rechtsextreme Allianzen zu schmieden und Europa zu schwächen: getreu der Putin-Agenta. Hallo? Hat da jemand den Schuss nicht gehört?! - Ja, AKK und die führenden Politiker der SPD. Da ist ein Paradigmenwechsel überfällig, dem sich die GroKo-Parteien CDU und SPD beharrlich verweigern. Nicht nur wegen des Totalausfalls in der Sozialpolitik, der Klima- und Energiepolitik, auch wegen dieses fehlenden Paradigmenwechsels brauchen wir einen klaren Politikwechsel. Reuevolle Krokodilstränen in Sonntagsreden ohne Folgen reichen nicht mehr! Das haben auch die jungen Freeitagsdeminstranten für den Klimaschutz begriffen.

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