Das SWR Symphonie Orchester auf Bildungsmission: Mit einem einstündigen Komponistenporträt über Leben und Werk des russischen Komponisten Dmitrij Schostakowitsch (1906 geboren in St. Petersburg, 1975 in Moskau gestorben ) gab es im Forum am Schlosspark Ludwigsburg ein Schülerkonzert, wie es sein soll: Eine Stunde, also keine Überforderung von Pennälergeduld. Spannend, informativ und mit einer guten, toll gespielten Auswahl der Musik für großes Orchester. Auf der Leinwand im Hintergrund liefen Ausschnitte der Dokumentation "Nahaufnahme Schostakowitsch" von Oliver Becker und Katharina Bruner aus dem Jahr 2006. Da kommen Biographen und Zeitzeugen zu Wort, die das sehr zwiespältige Verhältnis zwischen dem Künstler und Joseph Stalin ausleuchten. Schostakowitsch, dessen ganzes Leben unter dem Damoklesschwert von Tod, Gefängnis oder GULAG durch den allmächtigen Diktator verlief, war ein "Feigling, was seine Person angeht, und ein Held bei der Verteidigung anderer". Seine Musik spiegelt geradezu lautmalerisch die großen Katastrophen, Lügen und Traumata der historischen UdSSR. Schostakowitsch war einer, der vor ständiger Angst fast täglich starb und beinahe alles tat, um künstlerisch arbeiten zu können. Der Virtuose wusste genau um die brutale Kulturfeindlichkeit des Systems und verschlüsselte seine mehrdeutige Kunst entsprechend.
Zu hören waren Auszüge aus der Festlichen Ouvertüre A-Dur, der Sinfonie Nr. 1 f-Moll, dem Ballett "Das goldene Zeitalter", der Oper "Lady Macbeth von Mzensk, die ihm 1932 den Vorwurf "Chaos statt Musik" einbrachte, der Sinfonie Nr. 5 d-Moll, der Sinfonie Nr. 6 h-Moll über den "großen vaterländischen Krieg", die Sinfonie Nr. 8 c-Moll über Stalingrad, der Sinfonie Nr. 9 Es-Dur zum Sieg über Hitlerdeutschland sowie einige Jazz-Bearbeitungen für klassisches Orchester. Appetithappen, die Lust auf mehr machen.
Schostakowitsch testete Grenzen aus, zeigte sich als begnadeter "Handwerker" des musikalischen Schaffens, geriet auch unter Beschuss des Apparates und kam dank großer Anpassungsfähigkeit und einer seltsamen "väterlichen" Zuneigung Stalins 1936 und 1948 aus der Todeszone von öffentlicher Hexenjagd wegen "Formalismus", Ausschluss aus dem Komponistenverband und Aufführungsverbot zurück. Seine Rehabilitation zeigt ihn letzten Endes doch als Opfer der Verhältnisse. Was er trotz dieser Lebensumstände geleistet hat, ist unermesslich. Das Schülern zu vermitteln, ist hier gelungen. Applaus ist dafür eine gute Sprache, und den gab´s reichlich. Auch Erwachsene hatten ihre Freude an diesem Konzert und ihren Gewinn davon. Unter dem Titel "Schostakowitsch - ein Leben" war es Medizin gegen kollektive Amnesie und künstlerisches Vergessen zugleich.
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