Foto: Grit Finndorf-Puhl |
"Im Cyber Space", schreibt sie, "braucht es weniger eine Stimme, da braucht es flinke Finger und Ohrstöpsel. Die Menschen sind da - doch ganz abwesend. Dieser aktuelle „Sound of Silence“ verschafft mir eine Gänsehaut...". Dann fährt sie fort und macht den Musikern ein Kompliment, bei dem es mir ebenfalls den Rücken herunterläuft:
"Gänsehaut hat mich am Abend danach noch einmal überzogen. Doch dieses Mal als reines Glücksgefühl in der Degerlocher Michaelskirche während Martín Palmeris „Magnifikcat“ für Soli, Chor und Tango-Orchester. Es gibt, gottseidank, solche von Musik und Worten erfüllten Räume und großartige Chöre und Musiker, wie die Degerlocher Kantorei, das Cuarteto Rotterdam und das Streichorchester der Michaelskirche, die mit Schönheit, Leben und Gemeinschaft wunderbar gefüllt war. Ich wünsche Euch sehr, dass Ihr solche Räume auch für Euch entdeckt und oft aufsucht."
Ich durfte den Komponisten kennen lernen, als er vor ca. 10 Jahren auf Werbetour für seine "Misa Tango" beim SWR in Baden-Baden war. Sein "Magnificat" ist eine Vertonung des biblischen Textes, der Maria kurz vor der Geburt Jesu beim Besuch ihrer Schwägerin in den Mund gelegt wird - moderne Klassik mit artigen Verbeugungen vor Johann Sebastian Bach, aber auch mit viel Tango, weil Palmeri aus Buenos Aires stammt, und etwas neuer Musik. Anspruchsvoll, doch für Amateure gerade noch zu schaffen, wenn sie Unterstützung durch gute Dirigenten und ein gutes Orchester haben.
Der Text erzählt von Mariens Freude über die baldige Ankunft des Erlösers, den das von Rom unterworfenes Volk Israel damals ganz aktuell und politisch verstand. Die Musik greift den Jubel über die Größe Gottes auf und die Macht einer Vision: Gott, der Tyrannen mit seiner Macht vom Thron stößt, den Freudentanz der Armen und Hungernden, denen er die Taschen füllt, während die Reichen leer ausgehen. Man hört Glaube, Liebe, Hoffnung und Dankbarkeit. Man hört auch den Zorn des Gerechten über all das, was auch heute so entsetzlich schief läuft: Unterdrückung, Missbrauch und Gewalt gegen Frauen, die Verachtung, Diskriminierung und Ausbeutung so vieler einfacher Leute durch so wenige. All die modernen Formen von Sklaverei, Grausamkeit und Barbarei. Man hört die Hoffnung klingen, dass dies alles einmal endet. Vielen Dank für so ein Publikum und ein solches Lob, Christa van Winsen: Genau so einen Raum für Worte und Musik hatten wir im Sinn, und wenn wir dazu beitragen durften, ist das unser schönstes Weihnachtsgeschenk!
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