Schnittke ist nicht mein Lieblingskomponist, aber er verstand sein Handwerk. Viele Geiger lieben ihn. Wundervolle Melodien bilden kleine Inseln in einem wilden Meer aus schrillen, stark rhythmisierten Intervallen und krachenden Tutti. Sein Konzert für Viola und Orchester findet ganz ohne Geigen statt. Ein großartiger Solist für die Kombination aus lyrischen Melodien und ebenso kraftvollen wie endlosen Stakkato-Passagen ist Antoine Tamestit, der eine Stradivari aus dem Jahr 1672 spielt. Der französische Bratschist wurde 1979 geboren und studierte in Paris bei Jean Sulem. In Yale war er Schüler bei Jesse Levine und beim Tokyo String Quartet, bevor er seine Studien bei Tabea Zimmermann in Berlin fortsetzte. Seit dem Jahr 2000 stürmt er die großen internationalen Bühnen als Solist und Kammermusiker - technisch brillant, sehr ausdrucksstark, extrem beweglich und mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht. Ein Abräumer, ein Star, ein Virtuose, der von Bach bis zur zeitgenössischen Musik alles liebt, was gut und schwer ist. Ein großer kleiner Mann, der sich mit dem schlacksigen Maestro blendend verstand.

Ich habe schon viele Konzerte gehört, aber noch keinen Dirigenten erlebt, der sich beim Publikum dafür bedankt, dass er Musik mit ihm teilen darf - ganz unprätentiös und ohne jedes Gehabe.
So kommt es vor, dass man unversehens unbekannte Ufer betritt (kein "Betreten verboten"!) Bis jetzt hat Currentzis in jedem der drei Konzerte, in denen ich ihn erleben konnte, etwas Besonderes getan, etwas Verrücktes und Schönes. Diesmal war es als Zugabe das Streichquartett Nr. 8 von Dmitri Schostakowitsch im Silcher-Saal, der leider nur gut 300 Plätze hat und längst nicht alle Interessenten fassen konnte. Die Leute standen bei Minusgraden bis auf die Straße, um dabei zu sein (Wir sind zu alt für so ein Gedränge und haben es nicht geschafft). So lockt man die Jungen, die in Scharen kamen und das Durchschnittsalter der Stuttgarter Abonnementkonzerte drastisch gedrückt haben. Sag ich mal so ungeschützt, ganz ohne Umfrage. Von solchen Konzerterlebnissen erzählt man noch seinen Enkeln. Damit lassen sich sogar sibirische Kälte und Depressionen überwinden oder wenigstens ertragen. Sie verehren ihn wie einen Rockstar. Sie bringen ihm Blumen, wie in Russland üblich. Vielleicht will er auch bloß kein sinfonischer Messias sein - und erst recht weder ein Rattenfänger noch ein Rasputin.
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