Lyrik auf engstem Raum im fast 400 Jahre alten Fachwerk: Seit 1984. In diesem Jahr leitete Johannes Poethen (1928 - 2001), Gründer des Vereins Stuttgarter Schriftstellerhaus, das erste Lyrikseminar der Bertelsmannstiftung in dieser damals neuen Begegnungsstätte für Autorinnen und Autoren. Das Konzept: Alle lesen reihum neue Gedichte vor und kritisieren sie - in der Sache streng, in der Form stets wertschätzend und freundlich. Die Gruppe traf sich weiter zum "Gedicht-Putzen" nach Poethens Verfahren: Wer gelesen hat, hält den Mund, bis alle anderen etwas dazu gesagt haben. 7 der 12 Teilnehmerinnen und Teilnehmer schreiben immer noch. In der Pandemie war kein Treffen möglich, und so kam Wolfgang Brenneisen 2020 auf die Idee einer Porträt-Serie. Je ein Text aus der "Gründerzeit" und aus den letzten Jahren lassen die Bilder sprechen.
Ich erinnere mich noch gut an das 1. Lyrikseminar der Bertelsmannstiftung im "Häusle", wie wir das kleine Fachwerkhaus seit der Eröffnung liebevoll nennen. Dass hier schon wahrlich Großes entstanden ist, mag der Hinweis verdeutlichen, dass viele der damals jungen Leute bis heute schreiben, teils Preise erhalten haben und sehr erfolgreich publizieren. So auch 7 der 12, die damals mit ihren Manuskripten nervös um einen großen Tisch mit Poethen saßen, der Grauen Eminenz. Posthum führt er also eine Art virtuellen Vorsitz auch in der Ausstellung.
Der erste Lockdown nahm auch uns die physische Basis für gemeinsames Gedichteputzen. Der Lyriker und Grafiker Wolfgang Brenneisen hatte die Idee, unsere Köpfe nach Fotografien als Briefmarkenserie zu gestalten - frei nach und inspiriert von Andy Warhol. Er schickte mir Proben, ich gab sie weiter an Manfred Bartsch, Sybille von Bremen, Carmen Kotarski, Irma Rommel und Eva Christina Zeller. Alle steuerten etwas bei. Doch es dauerte. Und es dauert immer noch. Damit endlich einmal ein Ergebnis zu sehen ist, entstand eine Schwarz-Weiß-Broschüre als erster "Zwischenschritt" auf dem Weg zur Ausstellung mit einer Lesung (am 7. Oktober ab 17 Uhr).
Die Ausstellung am "Tatort Schriftstellerhaus Stuttgart" sollte uns aus der Isolation holen und aktiv in einem kreativen Projekt verbinden, aber auch ein trotziges, buntes Zeichen der Lebensfreude setzen: Wir sind noch da! Die Auswahl sollte klein und streng konzentriert bleiben auf noch aktive Teilnehmer der Poethen-Runde von 1984. Zu jedem Porträt mit Kurzbiographie kommen zwei Textblätter: ein Gedicht aus den 80er Jahren und ein aktuelles. Poethen selbst ist auch hier die Ausnahme, weil er nicht mehr unter uns ist. Der ausgewählte Auszug des Zyklus "ach erde du alte" aus dem gleichnamigen Gedichtband von 1981 ist mehr als 40 Jahre alt, aber von bestürzender Aktualität und großer poetischer Wucht. Wir danken dem Verlag Klett-Cotta für die freundliche Genehmigung des Nachdrucks. Mehr zu zitieren verbietet sich hier. Die Gäste der lyrischen Feier zum 40. Geburtstag des Schriftstellerhauses sollten ja schließlich am 19. September ab 16.30 Uhr noch etwas zum Schauen und Lesen vorfinden. Eine Lesung der Gruppe gab es am 7. Oktober. https://blog.lerchenflug.de/eine-starke-gruppe/
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