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Mittwoch, 3. November 2021

Statt einer Podiumsdiskussion, die anscheinend niemand führen will

Facebook, am 3.11.2021:

 
Ich bin ja grundsätzlich der Meinung, dass Verlage und Buchhandel heute überwiegend keine Literatur mehr verkaufen, sondern Prominenz. Schauspielerinnen und Schauspieler, die natürlich gut deklamieren und rezitieren können, nutzen das völlig schamlos aus und veranstalten immer mehr "szenische Lesungen". Ich bemerke auch in meiner Umgebung allgemeines Unverständnis für diese Situation. So tragen Schauspieler ohne jedes Schuldbewusstsein dazu bei, Autorinnen und Autoren um ihre Einkünfte zu bringen, indem sie den Lesezirkus und die Kalender mit ihren Terminen füllen. Darüber würde ich gern einmal ein Podiumsgespräch mit Betroffenen (auch Buchhändlern und Verlegern) führen. Auch Kritiker und Veranstalter, die manchmal Schauspieler für die besseren Autoren halten, würde ich dazu gern mal öffentlich hören. In einem Punkt haben sie nämlich Recht: Schauspieler können einen Text oder ein Buch wesentlich besser "verkaufen" als die meisten Autoren. Früher hat das niemanden gestört, heute gilt nur noch die Rampensau. Doch nicht jeder gute Autor ist eine solche. Ich finde es traurig, dass immer mehr Autoren von solchen Rampensäuen vom Futtertrog bezahlter Lesungen verdrängt werden. Die Stimme des Autors galt einmal als authentisches Element der Präsentation. Auch mit Nuscheln, Grammatikfehlern, Ähs und Hustern. Als ob man daran nicht arbeiten könnte. Wie seht Ihr das?

    Peter Jakobeit
    Nicht genauso. Aber ähnlich. Zuvor: wie hoch ist der prozentuale Anteil?

    Verfasser
    Widmar Puhl
    Peter Jakobeit Der prozentuale Anteil bei wem und wovon? Der Anteil der Schauspieler an Lesungen? Ich fürchte, dazu gibt es (noch) keine detaillierte Statistik. Zu lesen sind immer nur Momentaufnahmen, z.B. in der Stuttgarter Zeitung im Sommer 2021 eine Umfrage zum Buchhandel, ob und wann und womit es mit Lesungen wieder losgehen könnte. Was wer plante. Schon das war eine erschütternd kleine und schmale Auswahl.

  • Peter Jakobeit
    Widmar Puhl Naja, der Anteil von Schauspieler-Lesungen an den Buchhandlungslungen bzw. vergleichbaren Orten.
    Schauspieler sind meist teurer. Bin nicht so sicher, ob das so viele sind. Oft mit nicht mehr lebenden Autoren: Klabund, G.Stein, Villon, Th. Mann, Georg Heym, ... fällt mir grade aus dem eigenen Erfahrungsschatz ein.

  • Verfasser
    Widmar Puhl
    Diese Promi-Lesungen mit Texten von Toten besetzen Termine für Lesungen, die zur Zeit ohnehin rar sind mit Toten bzw. gemeinfreien Texten. Stimmt, sie sind teuer. Ihr Platz im Programm ist schon mal besetzt bzw. weg. Und dann gibt es viele Lesungen mit Ausländern oder Migranten, die erst Deutsch lernen und explizit eine deutsche Stimme wünschen. Nur selten sind das die Dolmetscher. Wie gesagt, das müsste wohl alles sytematisch erfragt werden. Ich bezweifle auch, dass die Stadtbibliothek dazu überhaupt Auskünfte erteilen würde, also zur Budgetverteilung. Da sind ja alle Veranstalter souverän, auch die mit öffentlichen Mitteln arbeitenden.

  • Wolfgang Weber
    Widmar Puhl mit anderen Worten haltlose Spekulationen

  • Astrid Schulzke
    Die Verlage verlegen doch sowieso fast nur noch Bücher von Promis. Unsereins hat doch kaum eine Chance einen guten Verlag zu finden. Das ist das wirkliche Problem. Ob Otto oder Achim Reichel oder irgendein anderer A - Promi... Nur diese Leute bekommen einen Vertrag und dann schreibt das Buch sowieso der Lektor des Verlages.
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  • Enno Kalisch
    Man kann das eine doch nicht mit dem anderen vergleichen, ich finde den Konkurrenzgedanken da unsinnig. Den Autor lesen zu hoeren ist ein eigenes Erlebnis, den Schoepfer des Werkes. Nicht alle lesen gut, aber da ist die Toleranz dbzgl. auch hoeher. Die persoenliche Note macht es unverwechselbar und unersetzlich. Schauspieler lesen und gestalten aus ihrem handwerk heraus, bieten da eine andere Art des Hoergenusses. Der Promifaktor hat mit dem Markt zu tun und mit dem Beduerfnis, vertrautes, erwartbares oder bestimmte Personen zu erleben. Es gibt aber auch Autoren, die kraft ihres Werkes zu Promis wurden. Die wenige Neugier gegenueber unbekanntem finde ich schade...aber Neid haben die Autoren nicht noetig, macht nur klein...
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    Enno Kalisch
    Es waere auch unsinnig von mir mich daruerber zu beschweren, dass Autoren schlecht vorlesen und so die Zuschauer vergraulen oder guter Aussprache zu entwoehnen, uns die jobs damit zu klauen😂 Es ist genug fuer alle da, die etwas anzubieten haben!!! Lasst uns weniger kleingeistig sein...und es gibt Autoren, die exzellent vorlesen, sich fortgebildet haben...oder eben ihren Stil ausgebildet...
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  • Verfasser
    Widmar Puhl
    Enno Kalisch Im Prinzip richtig. Aber gerade jetzt ist eben nicht genug für alle da, die etwas anzubieten haben. Ich vermisse die frühere solidarische Allianz von Autoren, Buchhandel, Bibliotheken, Verlagen und Zeitungskritik. Und weil zu wenig da ist, ist aus der oft beschworenen "Solidarität der Einzelgänger" vielfach wieder Konkurrenz geworden, obwohl etliche das nicht nötig hätten: etwa Walter Sittler, Axel Prahl, Jan Josef Liefers.
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  • Enno Kalisch
    Widmar Puhl ja, aber das sind Promis, keine Konkurrenten. Was genau sollte denn wer ändern oder anders machen koennen?

  • Enno Kalisch
    Widmar Puhl wie sähe das Solidarische denn konkret aus? Was schlaegst du vor? Lg
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  • Verfasser
    Widmar Puhl
    Wenn Promis zu Konkurrenten um Honorartöpfe und Budgetanteile werden, haben wir den Salat. Und der schmeckt nicht besser, wenn kleine Lyriker mal wieder Mainstream-Erfolgsromanciers wie Sebastian Fitzek weichen müssen. Das steuert ja niemand. Und die Promis nehmen mit, was sie kriegen können. Die kriegen aber (fast) nie genug.

  • Enno Kalisch
    Leseverbot fuer Promis? Wo liegt der konstruktive Vorschlag? Ich denke, so gehen auch andere Leute mal in eine Lesung...es ist wenig da fuer den mittelbau, die laien finden immer buehnen..aber dass die loesung sein soll, das die promis weniger lesen usw., halte ich fuer eine krude idee...auch im tv werden die einnahmen weniger.ich sehe da weniger gier als triebfeder....die muessen auch sehen, wie sie rumkommen
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  • Verfasser
    Widmar Puhl
    Genau deshalb fordere ich ja öffentliche Diskussionen mit allen Betroffenen. Zuerst mit den Gutwilligen. Da könnte man schon vieles tun, wenn man die soziale bzw. ökonomische Verantwortung fürs Ganze sieht. Sonst sterben immer mehr Dichter aus bzw. hören sang- und klanglos auf. Wollen wir diese Verarmung der kulturellen Vielfalt?

  • Enno Kalisch
    Widmar Puhl in frankreich gibt es ein anderes foerderungssystem, zb grundfinanzierung fuer freie projekte. Aber ich sehe weder gut-noch boeswillige, eher ein uebersaettigtes publikum, das nur promis sehen will.

  • Verfasser
    Widmar Puhl
    Enno Kalisch Ich schlage vor, erfolgreiche Modelle wie die moderierten Stuttgarter Rathauslesungen wieder zu beleben, die dem Nachfolger zu teuer waren. Da hatte Manfred Rommel die Idee, einen prominenten Autor und einen Nicht-Promi aus der Stadt lesen zu lassen. Hinterher gab´s gratis 1 Glas Wein und eine Butterbrezel, damit gute Gespräche flutschen konnten. Das war teuer. Aber der große Sitzungsaal im Rathaus war jedes Mal brechend voll, das Medieninteresse groß. Vieles ist eine Frage der Wertigkeit von Kultur in der Politik.
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    Enno Kalisch
    Widmar Puhl das waere wie die Vorband bei Konzerten. Danke fuers Konkretisieren
     

  • Verfasser
    Widmar Puhl
    Enno Kalisch Quatsch, ich will doch kein Leseverbot, für niemaden: Man könnte oft genug Tandem-Lösungen finden statt alles in der Manier des Neoliberalismus sich selbst zu überlassen!

  • Sonja Arendt
    Im Wesentlichen pflichte ich dir bei. Die Schauspieler stehlen den Autoren das Brot. Es gibt jedoch genug Autoren, die ebensolche "Rampensäue" sind, nur kennt sie keiner.
    Ansonsten gibt es auch das Phänomen der "Model-AutorInnen" , die zwar keine Kleider vorführen, sondern denen ihre visuelle Attraktivität Rezensionen in jeder Zeitung und in jeder Talkshow garantieren. Dazu gibt es die Vertreter/innen der Modethemen, diese Saison sind es nach den Migranten- und queeren Geschichten die Geschichten der deutschen farbigen Frauen. Entsprechendes spiegelt sich im Feuilleton: die Headliner wie Fitzek und Houellebeque, US Autoren etc, dann die schreibenden Schauspieler und die Autoren/innen der aktuellen Themen und die Schönen, die etwas zu Papier bringen können.
    Alle anderen fallen raus und haben eben Pech gehabt, es sei denn, ihre Bücher sind so stark, dass sie gar keine Promotion, Medienberühmtheit, "Aktualität" oder Schönheit brauchen und nur durch Mund zu Mund Propaganda zu "Longsellern" werden.

  • Bettina Frfr V. Minnigerode
    Klar kann man/frau an der Vortragsperformance arbeiten
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