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Sonntag, 13. Juni 2021

"Barocke Genusstour": Emotionaler Auftakt zum Musikfest Stuttgart

Hans-Christoph Rademann eröffnet das Musikfest

Das Eröffnungskonzert zum Musikfest Stuttgart der Bachakademie am 12. Juni 2021 in den Wagenhallen war eine ziemlich emotionale Angelegenheit. Schon bei der Bergrüßung durch den musikalischen Leiter Hans-Christoph Rademann reagierten die 100 Zuhörer des Life-Konzerts und das Ensemble mit spontanem Applaus, als Rademann sich gerührt beim Organisationsteam bedankte. Bis vor wenigen Tagen war ja völlig offen, ob das Konzert überhaupt vor Publikum stattfinden würde. Der ursprünglich geplante Hegel-Saal in der Liederhalle ist weg, seit dort ein Impfzentrum des Klinikums eingerichtet wurde. Die Zahl der Infektionen war noch vor Kurzem so hoch, dass "alles fünf Mal geplant werden musste". Die neue Zufahrt direkt an der U6 ist so neu, dass es bei Google Maps noch gar keine Informationen dazu gibt. Aber als es dann Grünes Licht für Life-Konzerte (für 100 Geimpfte, Geteste und während der ganzen Zeit Maskierte) gab, musste erst einmal dieser Saal aufgetan werden: eine Riesenarbeit, die im Hintergrund geschah, während Rademann mit Solisten, Chor und Instrumentalisten der Gaechinger das Programm passend umbaute und einstudierte. Präsentiert wurde dann alles mit einem Lächeln, das jede Mühe überstrahlte. Ein großes Kompliment auch von dieser Stelle! Es war ein Auftakt nach Maß im Rahmen des derzeit Möglichen.

Virtuos und voller Hingabe boten dann die Instrumentalisten und Vokalisten anderthalb Stunden Programm unter dem Titel "Barocke Genusstour", passend zum diesjährigen Musikfest-Thema "Geschmack". Zu Beginn gab es eine höfische Tafelmusik von Georg Philipp Telemann (1681 - 1767). Es folgten Georg Friedrich Händel (1685 - 1759) mit der Bass-Arie "Del mio caro Bacco amabile", dem Chorstück "Cantiamo a Bacco" und einem Solo für Oboe aus "Il pastor fido". Beim Wein blieb auch die unterhaltsame Szene des betrunkenen Poeten aus "The Fairy Queen" von Henry Purcell (1659 - 1695). Weniger bekannt, aber nicht weniger komisch war die Arie "Friss, dass Dir den Hals anschwelle, du unverschämter Gast" aus der "Trauermusik eines kunstfahrenen Kanarienvogels" von Telemann, dessen Gefährtin die Katze gefressen hat. Elisabeth Breuer (Sopran) konnte hier als erfahrene Opernsängerin musikalisch wie schauspielerisch punkten und einige Lacher auf offener Szene verbuchen. Antonio Vivaldi (1678 - 1741) durfte nicht fehlen und war mit dem herrlichen Flöten-Allegro aus "Der Distelfink" im Reigen der barocken Komponisten vertreten. Leicht und locker kam Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) mit der Sopran-Arie "Ei, wie schmeckt der Coffee süße" und dem Chor "Die Katze lässt das Mausen nicht" aus der "Kaffe-Kantate". Zum Finale wurde es tänzerisch mit der Chaconne aus dem opulenten "Les Indes galantes" von Jean-Philippe Rameau (1683 - 1764).

Die Solisten waren ebenso intonationsgenau wie ausdrucksstark. Elisabeth Breuer, teils unterstützt durch eine namenlose, aber ausgezeichnete Mezzosopranistin aus den Reihen der Cantorey, hatte in dem Bass Konstantin Krimmel ein gleichwertiges Gegenstück. Leider war die Pause samt Speis und Trank durch die Hygienevorschriften gestrichen. Durst und Appetit auf mehr hatte das Programm jedenfalls geweckt. Der Applaus der seit 7 Monaten musikalisch ausgehungerten Zuhörer war stürmisch. Die Leute waren einfach dankbar, ab uns zu floss auch ein Tränchen. Bravo-Rufe gab´s gar durch die Maske hindurch. Die Besucher zog es danach aber schnurstracks an die frische Luft zum Durchatmen. 

Mit welchem Aufwand das Musikfest weiter geht, wird verständlich, wenn man weiß: Das ganze Live-Programm gibt es parallel als Online-Aufzeichnung und Mediathek mit dem ergänzenden Gesprächsprogramm "Musikfest-Café" im Hospitalhof, wo sich alles um Geschmacksfragen aus allen Blickwinkeln dreht. Erhalten bleiben auch die bewährten Konzertformate "Sichten auf Bach" in der Stiftskirche und "Unternehmen Musik", wo die Bachakademie vor Ort in Betrieben von Stuttgart und Umgebung konzertiert. Das Schönste aber für Künstler und Publikum ist, wenn sie sich wieder leibhaftig begegnen können. Das kann kein Online-Angebot je ersetzen.

 

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