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Sonntag, 3. Januar 2021

Corona verzerrt den Wettbewerb in der Kultur

Was als "Künstlersoforthilfe" begann, ist inwischen zur massiven Wettberwerbsverzerrung mutiert. Nicht nur haben staatliche Unterstützungsprogramme (auch die für "Soloselbständige) viele Künstler nie erreicht bzw. direkt von der Freiberuflichkeit auf Hartz IV gesetzt; auch die vielen Künstler mit kurzfristigen Engagements und Werkverträgen (Schauspieler, Sänger, freie Autorinnen und Autoren beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Horch und Guck etc.) wurden gedankenlos in Armut gestürzt. Gewollt hat das niemand, aber auch nicht korrigiert. Auch unter den gänzlich freien Hobbyliteraten und Hobbymusikerinnen, die sich, teils seit Jahrzehnten, neben ihrem miesen Job als Kindergärtnerin, Taxifahrer, Kellner usw. Selbstachtung, Respekt soziale Anerkennung und teilweise einen ordentlichen Nebenverdienst erwerben konnten, stehen die allermeisten auf Nulldiät. Seit März 2020. Und das Problem ist eben nicht vorbei, wenn der Lockdown zu Ende geht.

Was das Finanzamt mit solchen Postcorona-Nischenexistenzen macht, ist noch nicht raus. Ich befürchte aber, amtliche Anerkennung oder gar Hilfe ist nicht zu erwarten, am allerwenigsten für Dichterinnen und Dichter. Literatur gibt uns allen emotional und intellektuell etwas, da geht es nicht nur um Geld. Und doch sehe ich mit Trauer, wie die "üblichen Verdächtigen", d.h. die erfolgreichen MainstreamerkollegInnen und Bestsellerproduzenten, schon wieder die Präsenz in der Presse und den Veranstaltungskalendern des neuen Jahres, generell in allen bezahlten Bereichen übernehmen: gesponserte Youtube-Lesungen, auch in Veranstaltungsprogrammen wie "Neustart Kultur". Jetzt halt als Monopolisten. Wenn wir da nicht sehr bald zu Gunsten der Kleinen nachsteuern, auch bei der Lobbyarbeit, hören viele auf. Dann wird´s nicht nur still, sondern auch gähnend langweilig im Land der Dichter und Denker. 

Ich beispielsweise konnte Ende 2019 gerade noch einen Lyrikband veröffentlichen, doch 2020 wurden alle Lesungen abgesagt, und 2021 gibt es noch keine Planungen. Veranstaltungen sind schon seit vielen Jahren das Rettungsboot für Lyriker. Doch wer traut sich jetzt, ein Dichtertreffen mit bezahlten Lesungen zu organisieren, zu dem (vielleicht bis auf berechtigte Ausnahmen) nicht nur Prominente, sondern mehrheitlich Unbekannte eingeladen werden? Für die Presse, die ja sonst keine Lyrik mehr wahrnimmt, könnte das ebenfalls eine Ausnahme bedeuten, für die Autoren und Autorinnen eine Chance. 

Für den stationären Buchhandel zählt auch nur noch der Mainstream, und das wird vermutlich noch schlimmer werden. Um nur ein kleines Beispiel zu nennen: Der Pop Verlag hat kein Geld, um reisende Vertreter zu bezahlen. Also habe ich das bei den wichtigsten 5 Geschäften in meiner unmittelbaren Umgebung selbst übernommen (Lyriker haben ja sonst nichts zu tun). Beim frisch fusionierte Buchhaus Wittwer-Thalia, der größten der Stadt, hat ein Praktikant während des ersten Lockdowns vom Tisch der mehrfach informierten Chefeinkäuferin aus Versehen "entsorgt", wie sie mir nach etlichen telefonischen Nachfragen unter tausend Entschuldigungen gestand. Ich brachte ihr das Buch zum zweiten Mal persönlich und auf meine Kosten zur Ansicht, und sie beteuerte, sich bald melden zu wollen. Das war im August 2020. Gehört habe ich seither nichts mehr von ihr.

Ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung - auch auf die Solidarität jener Kolleginnen und Kollegen, denen ich in einem früheren Leben Aufträge und viel öffentliche Aufmerksamkeit verschafft habe. Wer wird mich einladen oder mein Buch empfehlen? Ein Lichtblick immerhin: mit gut einem Jahr Verspätung ist die erste richtige Rezension über mein Buch erschienen, allerdings beim Pop Verlag, wo auch mein Buch herauskam - in der Kulturzeitschrift BAWÜLON Heft Nr. 4/2020. Ein Literaturportal in Österreich hat sie bereits in der Facebook-Gruppe https://www.facebook.com/groups/1518173745088870/ verlinkt und mir einen Kommentar eingeräumt. Doch das alles geschieht in Nischen weitab des Mainstreams.

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