Seiten

Donnerstag, 23. September 2010

Hörfunk-Autoren 2010

Dies ist keine Polemik
…sondern eine sachliche Beschreibung der Arbeitsbedingungen bei SWR2

Seit ca. 30 Jahren arbeite ich für den SWR, und schon sehr lange bei SWR2. Bereits wenige Jahre nach der „Wende“ von 1989 machte ich die Erfahrung, dass ich als Autor allein von meiner Arbeit nicht leben kann, und bemühte mich erfolgreich um eine Teilzeitarbeit im redaktionellen Dienst, die mir aber noch Zeit zum Schreiben ließ. Und nach einigen schwierigen Jahren hatte ich einen Modus gefunden, irgendwie als Wochenend-Pendler diese berufliche Zweiteilung zu bewältigen. Die Basis: erst 8 Tage im Monat, dann 2 Tage die Woche Redaktionsdienst zu einem annehmbaren Tagessatz. Der Rest war frei fürs Schreiben.

Vor zwei Jahren erlitt meine Frau den zweiten schweren Hörsturz und erhielt kurz darauf die Diagnose „Menier-Synrom“ – etwa vergleichbar der Bedrohung durch permanent wiederkehrende Anfälle von schwerem Drehschwindel und Übelkeit. Außerdem ist sie seitdem auf dem rechten Ohr taub. Sechs Wochen danach bekam ihr Sohn mit 46 Jahren einen schweren Schlaganfall, verlor seine kleine Firma und wurde zum Pflegefall Stufe 1, um den man sich auch dann immer wieder kümmern muss, wenn seine Lebensgefährtin heroisch zu ihm hält.

In dieser Situation war ich monatelang außerstande, auch nur eine Rezension zu schreiben. Was aber nach wie vor funktionierte, waren Redaktionsdienste. Mit Termindruck, Routine und kurzen Moderationen war ich keineswegs überfordert. Also bat ich meine Vorgesetzten um die Möglichkeit, drei statt wie bisher zwei Tage in der Woche redaktionell zu arbeiten – und hatte mitten in der Finanzkrise das große Glück, auf Verständnis, Solidarität und praktische Hilfsbereitschaft zu stoßen. Ich will daher auf keinen Fall undankbar sein, denn SWR2 gibt mir die Möglichkeit, meiner Familie in schwierigen Zeiten mehr Sicherheit und Stabilität zu bieten als bisher. Unter diesen Voraussetzungen erholte sich auch meine Fähigkeit zum kreativen Schreiben wieder. Sie zu nutzen, ist aber nicht leichter geworden.

Denn das Umfeld wird von Jahr zu Jahr ungünstiger für Autoren. Damit sind nicht nur steigende Mieten in Löchern für Pendler, steigende Spritkosten, immer schlechtere Bahnverbindungen und die Streichung der Arbeitszimmerpauschale gemeint. Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk der ARD und dort wiederum speziell SWR2 im Vergleich mit Privatsendern und den meisten Tageszeitungen noch relativ gut gestellt ist, bleiben 30 Jahre kontinuierlicher Sparzwänge, Deckelungen und restriktiver Personalpolitik nicht folgenlos.

Inzwischen produziere ich z. Beispiel als Alleinredakteur (mit Urlaubsvertretung, aber ohne Assistenz und ohne einen zweiten Menschen, der auch wechselseitig die Sendeplanung übernehmen und mit dem ich Dienste tauschen könnte) pro Woche 7 radiophone „Kulturtipps“: Kolumnen a 3 Minuten mit Infos, Musik und O-Tönen zu kulturellen Veranstaltungsterminen aus dem ganzen Sendegebiet: 5 Werktage in "SWR2 Kulturservice" + Freitag / Samstag die Kulturtipps im "SWR2 Journal am Mittag".

Immer wieder bekomme ich zu hören, wie wichtig meine Arbeit sei. Aber in Wahrheit will meine Arbeit bloß kein anderer machen. Dass ich niemanden zur Seite habe, liegt nur zum Teil daran, dass SWR2 zu arm für eine zweite Teilzeitstelle bei den Kulturtipps ist. Anfangs waren wir zwei, doch mein fest angestellter Kollege fand vor vier Jahren eine weniger stressige und interessantere Arbeit. Ersatz gibt es nicht.

Bezahlt werde ich in der Regel für 3 Tage die Woche. Das Sendegebiet reicht von Konstanz im Westen bis Aalen im Osten und von Ulm im Süden bis Trier im Norden. Da sämtliche relevanten Kulturveranstalter im Blick zu behalten, bedeutet unendlich viel Kommunikation: Allein die ganzen Monatsprogramme und Pressemitteilungen wollen gelesen sein, von Kontakten und Rückfragen per Telefon oder E-Mail ganz abgesehen. Hier wäre Entlastung durch eine Assistenz an einfachsten, aber es gibt kein Geld dafür.

Zwischendurch soll ich möglichst viele Features recherchieren, schreiben
und schneiden (ca. 3 im Jahr), weil die auch im Haus gut ankommen. Aber
schreib mal einer größere Sachen, wenn man nur 1- 1,5 Tage pro Woche dafür freischaufeln kann und dann wieder für eine Woche unterbrechen muss. Es ist eine elende Schinderei mit viel Zeitverlust. Dazu kommen regelmäßig einzelne
Beiträge (Künstlerporträts, Rezensionen, "Zeitwort"-Kalendergeschichten),
die in manchen Monaten jeden Tag ohne Redaktionsdienste ausfüllen. Ja, als Autor bin ich seit Mitte 2009 wieder voll da und „gut im Geschäft“.

Aber was heißt das? Voriges Jahr hatte ich einen Gesamtumsatz von ca.
45.000 EURO, zumeist durch lohnversteuerte Redaktionsdienste. Für die muss ich teuere Pendelfahrten und Übernachtungen in Baden-Baden in Kauf nehmen. Aber ich sehe auch meine Kollegen jede Woche und fühle mich grundsätzlich besser integriert und einem Team zugehörig.

Als Autor hatte ich 8.000 EURO Umsatz (von 45.000), aber davon gingen viele Kosten ab für Reisen zu Recherchen bzw. Tonaufnahmen, Arbeitsmaterial, Fachlektüre, etc: das Übliche halt. Blieb ein Gewinn von ca. 900 EUOR, aber von dem will das Finanzamt 960 Nachzahlung: die Progressionsfalle, sagt achselzuckend der Steuerberater. Obwohl also angeblich die Progression für Durchschnittsverdiener gelindert wurde und jeder mehr netto behalten soll, ist meine Autorentätigkeit finanziell ein Zuschussgeschäft. Ich denke nun darüber nach, wie ich diesen Stress vermindern kann.

Jedes Vierteljahr, wenn die Umfragewerte der Media kommen und uns wieder mehr Hörer bescheinigen, werden wir für unser Engagement und die tollen Sendungen gelobt. Wir Radioleute arbeiten inzwischen auch als Internet-Fotografen, Blogger und Podcaster. Freie Autoren schneiden ihre Beiträge grundsätzlich selbst, weil wir sonst keine Aufträge mehr bekämen und der Sender mehr Tontechniker beschäftigen müsste. Während beim WDR Autoren fürs Schneiden und selbst Produzieren der Beiträge bzw. Sendungen einen Zuschlag von 20 % erhalten, gibt es dafür beim SWR nichts. Kürzlich wurde beschlossen, dass es für die (verlangten) Pressetexte zu SWR2-Wissen-Features kein Honorar mehr gibt.

In vielen Redaktionen werden Reisekosten überhaupt nicht übernommen, in anderen seit 20 Jahren auf eine lächerliche Pauschale von 200 EURO gedeckelt. Die Ansprüche an Sendungen und Beiträge steigen ständig, aber ihre Erfüllung darf nichts kosten. Irgendwann muss man dann einfach weniger senden. Und das geschieht seit einigen Jahren durch lange Wiederholungsstrecken und günstige Übernahmen im „ARD Sommerfestival“ von 20-24 Uhr in den Sommerferien. Das Niveau der einzelnen Sendung nimmt dabei tatsächlich nicht ab, nur die Vielzahl der Sendungen und damit die Vielfalt der Stimmen. Die aber ist derzeit anscheinend kein Merkmal von Qualität mehr – auch in der ARD.

Im Sommer 2010 beschloss die Geschäftsleitung, dass alle Programme in den nächsten zehn Jahren 15 Prozent aller Programmkosten einsparen müssen, SWR2 aber 25 Prozent. Kultur gilt wohl immer noch als „privilegiert“. Wir sind nämlich die einzigen im SWR, die noch den gesetzlichen Auftrag zur „Grundversorgung“ erfüllen.

Keine Kommentare: