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Freitag, 1. November 2019

Das "schwäbische Tadsch Mahal"


Vielleicht der letzte schöne Herbstspaziergang in diesem Jahr führte uns zum "schwäbischenTadsch Mahal", dem Grabmal von Königin Katharina Pawlowna in den Weinbergen auf dem Rotenberg in Stuttgart-Untertürkheim. König Wilhelm von Württmberg beschloss 1819 nach dem Tod seiner Frau, die Ruine der Stammburg an dieser Stelle abzureißen und stattdessen dort seiner großen Liebe diese Grablege zu schaffen. Katharina war schon russische Großfürstin, als sie Königin von Württemberg wurde. Die Leute liebten sie, weil sie die Menschen liebte. Sie dachte und handelte sehr sozial, stiftete die russische Kirche am Stuttgarter Hölderlinplatz, gründete das Katharinenhospital und das erste Mädchengymnasium in der Landeshauptstadt. Über dem Portal steht "Die Liebe höret nimmer auf". Der Ausflug von der Mercedes-Arbeitervorstadt Untertürkheim an diesen Ort ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich und bei schönem Wetter eine internationale Pilgerfahrt. Man hört da alle Sprachen dieser Welt, aber immer auch Russisch, und kann einen der guten heimischen Tropfen Wein probieren. 
Dieser König hatte wohl auch über Russland hinaus eine Beziehung zum Osten - sprich: zum Orient. Er ließ den botanisch-zoologischen Garten anlegen (die heutige "Wilhelma"), und im Zentrum einen Maurischen Garten: exotische Pflanzen und Tiere in islamischer Architektur. Einzelne Elemente in der ansonsten klassizistischen Anlage auf dem Rotenberg erinnern an die filigrane Ornamentik in der Architektur des Maurischen Gartens, der 2020 seinen 200. Geburtstag feiert. Irgendwie muss das damals im Trend gelegen haben; 2019 erschien in Stuttgart auch (welch ein "Zufall"!) der "West-ostliche Divan" von Johann Wolfgang von Goethe bei der Cotta´schen Verlagsbuchhandlung.

Das Grabmal auf dem Rotenberg ist zugleich eine russisch-orthodoxe Kirche, in der die russische Gemeinde der Stadt an jedem Pfingstmontag einen Gedenkgottesdienst feiert.
Darauf weist eine diskrete Ikonostase (Ikonenwand) gegenüber dem Eingang hin.
Die meiste Zeit des Jahres aber ist der Ort durchaus dem weltlichen Vergnügen und der Bildung gewidmet: Geschichte und Museum mit Wein und Restaurants auf halber Höhe. Vielleicht am schönsten ist es hier aber mit den Farben des Herbstes.

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