Das Publikum feiert Musiker - und die Presse schweigt |
Die Akademie wird es mir aber nicht verübeln, dass ich Unverständnis darüber bekunde: Einseitige Bevorzugung des einen Konzerts durch Totschweigen des anderen hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun. Es ist nicht nötig, dass ein Event einen Dreispalter bekommt und das andere keine Zeile. Man kann auch einspaltig Respekt zeigen. Total untergegangen ist somit auch, dass Eschenbach nach der Pause mit dem Orchester eine beachtliche Interpretation der Symphonie Fantastique von Hector Berlioz bot. Verschlimmert wird so etwas vor allem dann, wenn ein hervorragender Gastdirigent bei mehreren Konzerten in zwei Spielzeiten der Zeitung kein Wort wert ist. Gibt es wirklich keinen Grund für so beharrliches Schweigen?
Für einen jungen Geiger aus Armenien ist es eine Katastrophe, wenn er als Solist zum Kollateralschaden wird. Das ist der Redaktion anscheinend völlig egal. Dieser Künstler schenkte dem Publikum als Zugabe ein 1200 Jahre altes geistliches Lied aus seiner armenischen Heimat. Da konnte er von seiner Demütigung noch nichts wissen, und von den begeisterten Zuhörern konnte ja auch niemand etwas dafür.
Ich habe an dieser Stelle schon aus anderen Gründen betont, dass ein Blog kein Ersatz für die übliche Kritik in der Tagespresse sein kann, will und soll. Aber es ist einfach peinlich, wenn sich Vorfälle dieser Art häufen. Dabei lassen sie sich nicht mit einem sachlichen Urteil über die Qualität der Aufführung begründen. Zuletzt war ich Zeuge, wie es beim Musikfest Stuttgart (das die Bachakademie veranstaltet) 2018 den Thomanerchor als Leipzig traf: Keine Zeile!
Der in Stuttgart beliebte und erfolgreiche Gastdirigent Christoph Eschenbach wurde jetzt bereits das dritte oder vierte Mal von dieser Missachtung getroffen. Ich hatte so etwas nicht für möglich gehalten und habe deshalb nicht mitgezählt. Man verzeihe mir daher bitte die Ungenauigkeit. Liebe Leute, was hat der Mann Euch getan? Und gibt es - selbst wenn er Euch etwas angetan hat - auch nur einen einzigen Grund zu derartig anhaltendem Schweigen? So etwas geht einfach nicht und ist unwürdig. Wenn nicht mehr künstlerische Leistung darüber entscheidet, wer womit ins Blatt kommt, sondern Ökonomie oder Willkür, dann ist eine Redaktion - mir Verlaub - zu einem Saustall verkommen.
1 Kommentar:
Ich habe schon lange das Problem bemerkt. Das stimmt, ich bin völlig einverstanden!
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