Orpheus muss hilflos mit ansehen, wie seine Eurydike ihm entgleitet |
Die grausige Parallele hat einen ebenso tiefen wie hoch aktuellen Sinn: In der Sage stirbt Euridike am Biss einer Schlange. Die Schlange war, wie auch in der christlichen Schöpfungsgeschichte, ein Symbol für das Falsche, Hinterlistige und Böse, ja den Teufel selbst. Gleichzeitig aber stand sie auch für Lebenskraft, Anfang und Ende. Eben das macht ihre Verführungskraft aus. Der IS ist eine totalitäre, reaktionäre und zynische Verzerrung der Idee vom Gottesstaat, erfunden von Saddam Husseins arbeitslosen Geheimdienstoffizieren, um die sunnitische Bevölkerung in der Region für einen Rachefeldzug gegen den Westen zu instrumentalisieren. Und trotzdem finden sich immer wieder Anhänger - auch in Europa und auch bei jungen Frauen - die sich diesem Krieg gegen Menschlichkeit, Aufklärung und Menschenrechte bis in den Tod anschließen. Sie verlieren sich rettungslos in einem von Atheisten ersonnenen religiösen Wahn, der Unsterblichkeit verspricht und für kurze Zeit mit Nestwärme und Verständnis lockt.
Pluto schaut als blutiger Vollstrecker dem Drama ungerührt zu |
Opfer dieser kranken Ideologie werden daher vor allem Menschen, die ihre eigene Identität und jeden Halt in der Gesellschaft verloren haben. Orpheus findet der Sage nach seine Gattin Eurydike im Schattenreich der Unterwelt, weil sein Gesang und sein Kummer die Götter rührt. Doch ihm wird auferlegt, seine Frau erst wieder anzuschauen, wenn sie den Hades verlassen und das Tageslicht wieder erreicht haben. Das ist die Bedingung von Pluto, dem Herrn der Unterwelt. Beinhart zeigt die Szene hier den syrischen Rapper Maher Hamida als Pluto. Eurydike (die makellose Schweitzer Sopranistin Sela Bieri), eingehüllt in den blutigen Tschador des Todes, ist in ihrer Liebe zu Orpheus zunehmend unsicher und verlangt immer fordernder und uneinsichtiger jetzt und sofort eben jene Zuwendung, die ihm für kurze Zeit verboten ist. Orpheus kommt nicht mehr an sie heran - weder mit seiner betörenden Musik noch mit guten Worten. Das ist letztlich ihr Tod und das herzzerreißende Motiv für Glucks berühmte Schlussarie "Ach, ich habe sie verloren".
Cornelia Lanz glänzt in dieser (Strumpf-) Hosenrolle stimmsicher und ausdrucksstark. Ihre Stimme, die Bilder und die Musik dieses Abends nimmt das begeisterte Publikum mit nach Hause. Sie glänzt übrigens auch als Kommunikatorin und liebt das Gespräch mit den Besuchern. Darunter ist auch schon mal ein Musiklehrer, den seinen ganze Schulchor in die Auffühung schicken will. Den Besucher des Freien Musikzentrums (FMZ) empfängt schon im Foyer eine interaktive Ausstellung. Fürs Catering sorgt gut und preiswert das Lokal "Falafel" vom Killesberg, wo ebenso wie auf der Bühne Flüchtlinge mitarbeiten. Genau das will ja Cornelia Lanz mit ihrem mehrfach preisgekrönten Ensemble: Mut machen für das interkulturelle Miteinander im Engagement für Frieden und Völkerverständigung durch Kultur, vor allem Musik und Theater.
Walaa Kanaieh (Mitte) in der interaktiven Ausstellung |
Cornelia Lanz im Gespräch mit Besuchern |
Das Freie Musikzentrum Feuerbach |
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