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Tatjana Ruhland und Andris Poga mit dem SWR SO |
Dass große Unterhaltung und hohes künstlerisches Niveau sich nicht ausschließen, zeigte das Silvesterkonzert des SWR Symphonieorchesters in der Stuttgarter Liederhalle. Nach einem beschwingten Auftakt mit der Ouvertüre zu Leonard Bernsteins Musical "Candide" ging es rein französisch weiter: Andris Poga, Chefdirigent von Lettlands Nationalorchesters in Riga, hatte einen festlichen Reigen mit Musik von Jacques Ibert, Gorges Bizet, Camille Saint-Saens und Maurice Ravel zusammengestellt. Unter seiner souveränen Leitung erwies sich das Orchester als wandlungsfähiger, kraftvoller Klangkörper mit viel Spielwitz und Gespür für die Komponisten des 19. und angehenden 20. Jahrhunderts. Iberts Konzert für Flöte und Orchester interopretierte Tatjana Ruhland. Die gebürtige Regensburgerin ist seit dem Jahr 2000 Solo-Flötistin beim SWR Symphonieorchester in Stuttgarter Virtuosin mit ihrem goldenen Instrument zustande bringt, ist atemberaubend. Kaum zu glauben, wie viel Kraft und Durchhaltevermögen in den Lungen dieser zierlichen Frau steckt, wie viel Präzision in schnellen Läufen und wie viel Gefühl in den Pianos und Andante-Passagen des romantischen Stücks. Die Orchestersuite "L´ Arlésienne" Nr. 2 von Bizet brachte das begeisterte Publikum vor der Pause wieder in Bodenkontakt.
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Frank-Michael Guthmann und Andris Poga mit dem SWR SO |
Solist beim Konzert für Violoncello und Orchester war Frank-Michael Guthmann. Auch der Mann aus dem Schwarzwald gehört zu den großartigen Eigengewächsen des Orchesters und gehörte seit 2007 zum Orchester von Baden-Baden und Freiburg. Warum dieser Musiker auch Solist des Mahler Chamber Orchestra und gefragter Gast bei vielen anderen Orchestern der Welt ist, hört man sofort: So ein kraftvoller und zugleich sensibler Bogenstrich, so eine intensive musikalische Interpretation und eine derart virtuose Beherrschung des Instruments sind selten in einer Person vereint.
Ravels "Bolero", sicher das bekannteste Stück an diesem Abend, das aus einem einzigen großen Crescendo besteht, bot dennoch viele Überraschungen. Bei diesem grandiösen Reigen der Orchesterstimmen zeigte jeder, was ihn ihm/ihr steckt, von den Bläsern über die Streicher bis hin zu den Schlagwerkern. Das überschaubare melodische Motiv erschien nicht nur in jeder Runde einfühlsam gesteigert bei der Zahl und Lautstärke der Instrumente, sondern auch in jazzigen Komponenten und Verschleifungen, die viel Experimentierfreude verraten, ohne je die Vorgaben der Partitur zu verlassen. Wie Dirigent und Orchester hier sensibel die vorhandenen Spielräume kreativ nutzten, war beeindruckend. Bravissimo! Dieser Abend ließ schon träumen von dem, was unter dem künftigen Chefdirigent Teodor Currentzis möglich sein könnte. Im Januar gibt´s schon eine Kostprobe.
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