Der Stuttgarter Autor Wolfgang Haenle (http://www.wolfgang-haenle.de/kuenstler-paare) war als Finalist zur Verleihung des Polly-Preises für politische Lyrik nach Berlin eingeladen. Hier seine Bewertung. Zur Information darüber, worum es da theoretisch geht, möge der folgende Link dienen: http://www.pollypreis.de/
Vergabe des Polly-Preises in Berlin
Um
es gleich vorweg zu nehmen, ich habe keinen Preis gewonnen, aber das
spielt für meine persönliche Bewertung keine Rolle, es sind meine
Eindrücke.
Eigentlich
waren es schöne Rahmenbedingungen, das Lettrétage am Mehringdamm
hat seine Heimat in einem typisch Berliner Hinterhofhaus und ist gut
ebenerdig zu erreichen, ein schöner heller Raum. Während der
Lesung wurde ein wenig Licht von einer sich nicht drehenden
Discokugel abgestrahlt, so dass kleine Lichtpunkte zarte Akzentpunkte
setzten und es gab eine Lautsprecheranlage, die sich wohltuend von
den üblichen Beschallungen abhob. Note eins für das Lettrétage
würde ich vergeben.
Acht
von fünfzehn Autoren waren angereist, zwei aus Österreich, eine
Schweizerin aus London und lediglich ein Autor aus Berlin. Gelesen
wurde in alphabetischer Reihenfolge, mit dem Eintritt erhielten die
Zuschauer eine Stimmkarte.
Die
Texte von allen Autoren waren bekannt, weil die Anthologie bereits
Anfang Oktober erschien, insofern waren keine Überraschungen zu
erwarten. Die kam allerdings vonseiten des Stifters und Moderators.
Er sprach zuerst ein paar einleitende Worte zu dem Wettbewerb und den
Gedichten allgemeiner Art, das fand ich in Ordnung. Als er zu jedem
Autor aber nichts über dessen Werdegang sagte, sondern die Texte
kommentierte, war ich verblüfft, nahezu sprachlos. Das scheint mir
für einen Wettbewerb in dem das Publikum abstimmen darf, nicht nur
unprofessionell sondern auch unfair.
Als
dann noch nahezu jeder Autor seine Texte erklärte in der Art: „Ich
dachte mir folgendes bei meinem Gedicht“ oder „als nächstes
hören sie ein Sonett“ wurde ich noch einsamer. Der Höhepunkt der
Moderation war aber sinngemäß die Aussage des Moderators: „Wenn
Sie mich fragen, dann würde ich dem nächsten Gedicht meine Stimme
geben, weil es die beste Idee hatte“. Ich wäre am liebsten
aufgestanden und gegangen , blieb aber aus Respekt vor den
Kolleginnen und Kollegen.
Und
so kam es wie es herbeigeredet wurde: Gewonnen hat der Autor, dessen
Gedichte Pamphleten am nächsten kamen, ein Zuschauer sagte mir
später das wäre schon populistisch gewesen. Zitat: „mit dem
Geheul der ewigen Schuld und der Unverschämtheit nicht zahlen
zu wollen“ (bezieht sich auf Deutschland). Ich möchte das nicht
kommentieren. Ich habe eine andere Auffassung von Lyrik, ein wenig
mehr „show don´t tell“ hätte vielen Gedichten gut getan.
Hinterher
habe ich mich gefragt, was das für eine Veranstaltung war. Eine
Abstimmung wie bei Poetry Slam Wettbewerben ohne Slam, ich weiß es
nicht. Schade für das Thema Europa und schade für die politische
Lyrik. Mit einem Holzhammer auf die politische Lyrik und auf Europa
zu hauen, das haben beide wahrlich nicht verdient.
Ich
ärgere mich nicht über den verlorenen Preis, sondern über die
Methode, wie er vergeben wurde. Mein Urteil wäre im Falle eines
Gewinns nicht anders ausgefallen, sicher hätte ich ein noch
schlechteres Gefühl mit nach Hause geschleppt.
Nachtrag:
die Vorabjury bestand nach Aussage des Stifters aus ihm selbst und
Joachim Sartorius. Eine Jury für die Vergabe hat man aus
finanziellen Gründen nicht gefunden.
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