Seiten

Sonntag, 9. Oktober 2016

Mühsamer Neustart beim SWR Symphonieorchester

Der Start und Saisonauftakt des neuen SWR Symponieorchesters in der Liederhalle Stuttgart am 22. September war nicht einfach, aber zuletzt dank einer hinreißenden Solistin, des inspirierten Dirigenten Peter Eötvös und einer soliden Leistung des Orchesters ein Achtungserfolg.
Zu viel Unruhe durch zwei Umbauten und zu viel (ziemlich schwere drei von vier Stücken) neue Musik waren für den Anfang etwas viel vom sattsam bekannten erhobenen Zeigefinger der Musikpädagogen, die uns anscheinend unbedingt die Klassik austreiben wollen: Den Anfang machten "Cinq reflets" für Sopran, Bariton und Orchester von der zeitgenössischen finnischen Komponistin Kaija Saariaho am Anfang des Abends waren Reflexe auf die 2000 in Salzburg sehr erfolgreiche Oper "L´Amour de loin", ein Eigenzitat ohne inneren Zusammenhang. Angeblich setzt sich das Werk, in dem es um eine unerfüllbare Liebe geht, mit Gustav Mahlers Adagio aus der Sinfonie Nr. 10 auseinander.
Zu hören war das jedenfalls nicht. Vielleicht war daran die gestelze und unsensibel laute Darbietung der Sopranistin Pia Freund nicht unschuldig, die den Bariton Russell Braun anscheinend um jeden Preis überschreien wollte. Wohltuend getragen und genau dagegen wirkte dann Mahlers Adagio selbst. Hier zeigte das Orchester, was es kann. Nachder Pause dann musste eine Frau die Stimmung retten, die irgendwo zwischen Einschlafen und Verärgerung  lag. Der Dirigent und Komponist Peter Eötvös ging mit seinem Konzert "DoReMi für Violine und Orchester" zurück an die Wurzeln der Musik. Technisch war das eine Herausforderung, bravourös gemeistert von der moldawischen Violinvirtuosin Patricia Kopatchinskaja.
Patricia Kopatchinskaja mit Tochter beim Signieren
Dieser Irrwisch von Temperamentsbolzen machte eine ganz große Show aus den irren Abfolgen  aus Glissandi, harmonischen Achterbahnfahrten und wechselnden Tempi. Das nannte Mirko Weber von der Stuttgarter Zeitung völlig zu Recht dann "hochartifiziell" und "bodennah" zugleich. Wie beim Kirmesfest stampfte die Geigerin, ihre Einsätze, völlig frei und absolut brillant spielte sie mit der Komposition, deren kindliche Elemente unüberhörbar sind. Zigeunermusik lässt grüßen. Das war phantastisch, ungeachtet aller Abschläge durch den gezielten Crash der herkömmlichen Harmonielehre und Melodik. Da gab´s dann auch großen Applaus des (wer wundert sich noch?) leider nicht ausverkauften Saals.
Zum Abschluss hatte der Gastdirigent Belá Batóks Bellettmusik "Der wunderbare Mandarin" ausgesucht, ein furioses Stück damatischer Filmmusik ohne Film, bei dem das neu formatierte Orchester eine tadellose Visitenkarte abgab. Da konnte man ahnen, wie es zusammenwächst aus Freiburg und Stuttgart, auch wenn es noch keinen Chefdirigenten und folglich auch noch keine Linie gibt, keine Identität. Bartók ist auch nicht einfach, ganz abgesehen von dem schwierigen Thema Prostitution, Raub und Gewalt. Das Orchester aber rockte den Saal zumindest am Ende trotz denkbarer Vorbehalte gegen Handlung und  Behandlung. So viel unmögliche Liebe aber ist für ein erstes Mal immer problematisch: Da mangelt´s noch an Harmonie, da ist sehr vieles noch offen. Und offenbar machen die Musiker auch keinen Hehl daraus. Musikalisch aber waren sie diesen Schwierigkeiten jedoch mehr als gewachsen.


Keine Kommentare: