Manfred
Schlapp: „Islam heißt nicht Salam
– Streifzüge durch die muslimische Welt“,
Offizin
Verlag Zürich, Februar
2015, 378
S., 29 €
©
Widmar Puhl
"Islam
heißt nicht Salam – Streifzüge durch die islamische Welt"
von Manfred Schlapp ist ein ebenso informatives wie unterhaltsames
Lesebuch, weist aber schon im Titel auf ein Aggressionsproblem hin.
Es erweist den Autor als Islamwissenschaftler und Koran-Kenner, der
die Kultur der islamischen Welt bewundert. Sein Wissen darüber hat
er in zahlreichen Reisen durch die islamische Welt vertieft. Der
Philosoph und Publizist hat unter anderem Koran-Arabisch studiert und
breitet ein profundes historisches Wissen aus. 170 gleich kurze, im
Prinzip unabhängige Essays zu Stichworten wie „Osman“, „Mohammad
Ahmad alias Mahdi“, „Dschihad“ oder „Hidschra“ sind in neun
Kapiteln zusammengestellt.
Man
kann sie unmöglich alle hier angemessen würdigen, wohl aber
Tendenzen feststellen. Was wir den Arabern verdanken, die 700 Jahre
lang Spanien beherrschten, aber auch den Türken, die Europa einst in
Angst und Schrecken versetzten, darf nicht vergessen werden:
Bewässerungstechnik, Hygiene, Medizin und Wissenschaft oder die
Rettung der Schätze aus der griechischen Antike sind Beispiele
dafür.
Historischen
Rückblicken auf die Ursprünge des Islam in Qumran, Judentum,
Christentum, Mekka und Medina ist breiter Raum gewidmet, aber auch
der Entstehungsgeschichte des Korans. Der war nun einmal nicht, wie
viele Korangelehrte wider besseres Wissen gern behaupten, von Anfang
an in einer kanonisierten Einheitsfassung da. Das angeblich
unantastbare Wort Gottes erwies sich sogar als extrem antastbar durch
seine Interpreten. Salman Rushdies Roman „Die satanischen Verse“
erinnert daran. Reaktionäre Geistliche reagieren ja gerade deshalb
mit Schaum vor dem Mund auf jede historisch-kritische Koranforschung, ganz gleich ob
von Muslimen oder Nichtmuslimen.
Wunderbar,
mit wie viel Witz, Sach- und Sprachkenntnis Schlapp die heute
vorherrschenden Auslegungen des Korans als Mythen autoritärer
orientalischer Märchenerzähler für Analphabeten bloßstellt! Klar,
dass extreme Buchstabengläubigkeit auf dieser Grundlage das größte
Hindernis für Fortschritt und Aufklärung in der islamischen Welt
ist. „Welcher Moslem weiß, dass der Gesichtsschleier urspünglich
das Antlitz sumerischer Tempelhuren verhüllte? … Das machte Sinn:
Die Jungmänner, die im Tempel ihren Hormonspiegel senkten, sollten
die Damen in der Öffentlichkeit nicht wiedererkennen. Welchen Sinn
haben heute der Tschador, der Frauen wie Nonnen aussehen lässt, der
Niqab, der sie bis auf einen Sehschlitz ganz verhüllt, oder die
Burka, die nicht einmal diese Freiheit lässt?
Für den frommen Propheten Muhammad war dreierlei der Inbegriff der Versuchung: Bilder, obwohl schon im Alten Testament steht, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf; Poesie, weil Dichter Konkurrenten der Offenbarung um die Deutungshoheit über die Welt und das Leben sind; und Frauen. Warum, wo er sie doch so liebte, bleibt sein Geheimnis. Bilder, Poesie und Frauen verbindet aber außer der Feindschaft Muhammads bzw. der Islamisten noch etwas: sie erlauben keine eindeutige Interpretation! Sie stehen für Vielfalt und Mehrdeutigkeit und stellen etwas dar, das die Fanatiker ausschließlich der göttlichen Offenbarung zuschreiben bzw. dem, was sie dafür halten – ganz schön verwegen, diese Eifersucht. Sie ist besitzergreifend wie Gott selbst, mit dem sie sich verwechselt: welche Hybris! Nicht weniger anmaßend wäre aber, deshalb gleich die ganze Religion oder gar alle Religionen in die Tonne zu treten.
Über die islamische Begriffswelt kann man auf so wenig Raum kaum mehr sagen als Schlapp. Wer nur darin zu Hause ist und nichts anderes wahrhaben will, findet in zahlreichen Koranversen auch Rechtfertigung, ja Aufrufe zu Mord und Totschlag im Namen Allahs, des Barmherzigen. Wer den Koran nicht im historischen Kontext lesen und bewerten kann oder will, missbraucht ihn jedoch. Nichts ist trefflicher geeignet, schlichte Gemüter politisch aufzuhetzen, als eine solche Religion, vor allem wenn ihr, wie dem Islam, das Politische schon in die Wiege gelegt war. Aber nichts ist auch übler als so ein kalkulierter Missbrauch der Religion.
Dieses Buch geht kritisch, aber nicht einseitig den Quellen der rückständigen, gewalttätigen, chauvinistischen, fremdenfeindlichen, teils faschistischen Traditionen im Islam nach. Menschenrechte gibt es bei orthodoxen Gläubigen nur für männliche Muslime. Ungläubige, Andersgläubige, Frauen und Sklaven sind davon ausgeschlossen. Dazu findet man nicht nur sachdienliche Hinweise, sondern auch die Erklärung für aktuelle Probleme mit dem politischen Islamismus. Wohltuend klar sind Schlapps Positionen, deren Zivilcourage nichts gemein hat mit jener fatalen naiven Unwissenheit, die aus Toleranz Selbstaufgabe macht und Gegnern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in die Hände spielt. Religionsfreiheit darf aber nicht zur Narrenfreiheit der Scharia verkommen. Das Mittelalter ist vorbei, und es liegt an uns Bürgern, dass das auch so bleibt.
Bei der Einschätzung des politischen Islam stützt sich Schlapp auf Autoritäten wie die türkische Frauenrechtlerin Necla Kelek oder den Syrer Bassam Tibi. Der Autor von Büchern wie „Krieg der Zivilisationen“ oder „Im Schatten Allahs – Der Islam und die Menschenrechte“ ist nach eigenen Worten ein deutscher Verfassungspatriot. Er teilt die Ansicht von Hamed Abdel-Samad („Krieg oder Frieden“), die gegenwärtige politische und religiöse Führung der Mulime stehe Rechtsstaat und Demokratie feindlich gegenüber. Er fordert zu Recht Bündnisse mit weltoffenen, aufgeklärten Muslimen wie dem iranischstämmigen Navid Kermani („Gott ist schön“, „Schöner neuer Orient“) und seiner Frau Katajun Amirpur, die das Buch „Den Islam neu denken - Der Dschihad für Demokratie, Freiheit und Frauenrechte“ geschrieben hat. Er setzt sich für Humor und Meinungsfreiheit ein – also auch für politische oder religiöse Karikaturen, die den guten Geschmack verletzen.
Für den frommen Propheten Muhammad war dreierlei der Inbegriff der Versuchung: Bilder, obwohl schon im Alten Testament steht, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf; Poesie, weil Dichter Konkurrenten der Offenbarung um die Deutungshoheit über die Welt und das Leben sind; und Frauen. Warum, wo er sie doch so liebte, bleibt sein Geheimnis. Bilder, Poesie und Frauen verbindet aber außer der Feindschaft Muhammads bzw. der Islamisten noch etwas: sie erlauben keine eindeutige Interpretation! Sie stehen für Vielfalt und Mehrdeutigkeit und stellen etwas dar, das die Fanatiker ausschließlich der göttlichen Offenbarung zuschreiben bzw. dem, was sie dafür halten – ganz schön verwegen, diese Eifersucht. Sie ist besitzergreifend wie Gott selbst, mit dem sie sich verwechselt: welche Hybris! Nicht weniger anmaßend wäre aber, deshalb gleich die ganze Religion oder gar alle Religionen in die Tonne zu treten.
Über die islamische Begriffswelt kann man auf so wenig Raum kaum mehr sagen als Schlapp. Wer nur darin zu Hause ist und nichts anderes wahrhaben will, findet in zahlreichen Koranversen auch Rechtfertigung, ja Aufrufe zu Mord und Totschlag im Namen Allahs, des Barmherzigen. Wer den Koran nicht im historischen Kontext lesen und bewerten kann oder will, missbraucht ihn jedoch. Nichts ist trefflicher geeignet, schlichte Gemüter politisch aufzuhetzen, als eine solche Religion, vor allem wenn ihr, wie dem Islam, das Politische schon in die Wiege gelegt war. Aber nichts ist auch übler als so ein kalkulierter Missbrauch der Religion.
Dieses Buch geht kritisch, aber nicht einseitig den Quellen der rückständigen, gewalttätigen, chauvinistischen, fremdenfeindlichen, teils faschistischen Traditionen im Islam nach. Menschenrechte gibt es bei orthodoxen Gläubigen nur für männliche Muslime. Ungläubige, Andersgläubige, Frauen und Sklaven sind davon ausgeschlossen. Dazu findet man nicht nur sachdienliche Hinweise, sondern auch die Erklärung für aktuelle Probleme mit dem politischen Islamismus. Wohltuend klar sind Schlapps Positionen, deren Zivilcourage nichts gemein hat mit jener fatalen naiven Unwissenheit, die aus Toleranz Selbstaufgabe macht und Gegnern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in die Hände spielt. Religionsfreiheit darf aber nicht zur Narrenfreiheit der Scharia verkommen. Das Mittelalter ist vorbei, und es liegt an uns Bürgern, dass das auch so bleibt.
Bei der Einschätzung des politischen Islam stützt sich Schlapp auf Autoritäten wie die türkische Frauenrechtlerin Necla Kelek oder den Syrer Bassam Tibi. Der Autor von Büchern wie „Krieg der Zivilisationen“ oder „Im Schatten Allahs – Der Islam und die Menschenrechte“ ist nach eigenen Worten ein deutscher Verfassungspatriot. Er teilt die Ansicht von Hamed Abdel-Samad („Krieg oder Frieden“), die gegenwärtige politische und religiöse Führung der Mulime stehe Rechtsstaat und Demokratie feindlich gegenüber. Er fordert zu Recht Bündnisse mit weltoffenen, aufgeklärten Muslimen wie dem iranischstämmigen Navid Kermani („Gott ist schön“, „Schöner neuer Orient“) und seiner Frau Katajun Amirpur, die das Buch „Den Islam neu denken - Der Dschihad für Demokratie, Freiheit und Frauenrechte“ geschrieben hat. Er setzt sich für Humor und Meinungsfreiheit ein – also auch für politische oder religiöse Karikaturen, die den guten Geschmack verletzen.
Leider
greift Schlapp auch Thilo Sarrazins faschistoides und rassistisches
Buch "Deutschland schafft sich ab" auf, weil auch der die
aggressiven Tendenzen im Islam erkannt und eine Diskussion ausgelöst
hat: „Dem sozialdemokratischen Bestsellerautor Thilo Sarrazin sei
Lob und Dank! Kaum hatte er seine Zahlen und Thesen auf den Tisch
geknallt, ging dumpfes Geraune quer durch die deutschen Gaue“.
Diese Art von Spott kann leicht missverstanden werden und nach hinten
losgehen.
Und mit Udo Ulfkottes Buch „SOS Abendland – Die schleichende Islamisierung Europas“ empfiehlt er einen der üblen islamfeindlichen Polemiker, der die irrationalen Ängste der PEGIDA-Bewegung vor einer angeblichen Islamisierung Europas inspiriert. Hier zitiert er populistische Statistiker, die bis 2050 einen muslimischen Bevölkerungsanteil von 30 Prozent befürchten. Nüchterne Analysen kommen in Deutschland dagegen auf maximal 7 Prozent in 100 Jahren. Angst vor Überfremdung ist aber bei solchen Prognosen ein schlechter Ratgeber und hat in Deutschland böse Anklänge an die Rhetorik von Neonazis. Politisch ist der Philosoph nicht immer der Weisheit letzter Schluss; schon Sokrates und Aristoteles waren politisch nicht unumstritten.
Schlapp wurde 2007 von Bazon Brock und Peter Sloterdijk an die Universität Karlsruhe eingeladen. Dort nahm er als Dozent an dem Projekt "Profi-Bürger" in der Sektion "Diplom-Gläubige" teil und hielt anschließend eine Vorlesungsreihe über "Eine peripathetische Ästhetik der muslimischen Welt", aus der dieses Buch hervorgangen ist. In diesem durchgehend sachlichen Buch wirkt das hysterische, ja ordinäre Vorwort des Berufspolemikers Bazon Brock, dem sich Schlapp wohl verpflichtet fühlte, wie ein Fremdkörper. Das schadet dem Ansehen des seriösen Autors und seinem Buch enorm, weil es unseriösen Hetzern Munition liefert. Durch den Verzicht darauf würde jede Neuauflage gewinnen.
Und mit Udo Ulfkottes Buch „SOS Abendland – Die schleichende Islamisierung Europas“ empfiehlt er einen der üblen islamfeindlichen Polemiker, der die irrationalen Ängste der PEGIDA-Bewegung vor einer angeblichen Islamisierung Europas inspiriert. Hier zitiert er populistische Statistiker, die bis 2050 einen muslimischen Bevölkerungsanteil von 30 Prozent befürchten. Nüchterne Analysen kommen in Deutschland dagegen auf maximal 7 Prozent in 100 Jahren. Angst vor Überfremdung ist aber bei solchen Prognosen ein schlechter Ratgeber und hat in Deutschland böse Anklänge an die Rhetorik von Neonazis. Politisch ist der Philosoph nicht immer der Weisheit letzter Schluss; schon Sokrates und Aristoteles waren politisch nicht unumstritten.
Schlapp wurde 2007 von Bazon Brock und Peter Sloterdijk an die Universität Karlsruhe eingeladen. Dort nahm er als Dozent an dem Projekt "Profi-Bürger" in der Sektion "Diplom-Gläubige" teil und hielt anschließend eine Vorlesungsreihe über "Eine peripathetische Ästhetik der muslimischen Welt", aus der dieses Buch hervorgangen ist. In diesem durchgehend sachlichen Buch wirkt das hysterische, ja ordinäre Vorwort des Berufspolemikers Bazon Brock, dem sich Schlapp wohl verpflichtet fühlte, wie ein Fremdkörper. Das schadet dem Ansehen des seriösen Autors und seinem Buch enorm, weil es unseriösen Hetzern Munition liefert. Durch den Verzicht darauf würde jede Neuauflage gewinnen.
Ein
großartiges Hilfsmittel zum weiterführenden Selberdenken ist der
Buchtipp, den Schlapp am Ende jeder der 170 Miniaturen dem Leser
gibt. Fehlt nur noch ein Register, um die Schätze dieses wertvollen
Lesebuchs noch systematischer zu erschließen. Es ist ein überfälliger Beitrag zu Debatten, die uns noch lange begleiten werden: ein echtes Stück Aufklärung.
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