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Geleitet von Assaf Levitin und begleitet von Andreas Eckert (am Klavier): Das interreligiöse Chorlabor der Bachakademie Stuttgart bei der Arbeit an jüdischer Synagogalmusik |
Heute fand der zweite Workshop des interreligiösen Chorlabors bei der Bachakademie Stuttgart statt. Ging es bei der Auftaktveranstaltung um Pilgerlieder türkischer Muslime, so ging es jetzt um geistliche Musik der chassidischen (zentral- und osteuropäischen) Juden. Nach Atemübungen mit der musikpädagogischen Dozentin Käthe Krokenberger von der PH Ludwigsburg übernahm Assaf Levitin das Einsingen und die Proben. Kaum zu glauben, dass Levitin, der zur Berliner Geiger-Kantorenschule gehört, bisher nur als Solist gearbeitet haben will. Auf jeden Fall ist an ihm auch ein großartiger Teamarbeiter und Musikpädagoge verloren gegangen.
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Assaf Levitin (Berlin) |
Nach speziell für Sänger entwickelten Dehnübungen und diversen Ritualen zum Einsingen und Einölen der teils infektgeplagten Stimmen kamen lustige Spiele zum gegenseitigen Kennenlernen. Denn Levitins Credo Nr. 1 lautet: "Auch der beste Solist kann keinen einzigen Akkord allein singen. Im Chor sind wir aufeinander angewiesen und müssen uns aufeinander verlassen können". Lehrsatz Nr. 2 lässt sich in einem Wort verfassen: "Hingabe". Es gebe in der chassidischen Musiktheorie und Theologie die Auffassung, dass schon allein das Singen bestimmter Melodien Gottesdienst sei, auch ohne eine einzige Silbe Text. Dazu nickten einige der Muslime im Chor; die Sufis sehen das ganz ähnlich.
Dergestalt aufgelockert und entspannt, fand die ganze Gruppe schnell zu großer Konzentration. Hier treffen sich keine Profis, aber doch etliche halbprofessionelle Sänger und in der Mehrzahl engagierte Laien mit Erfahrung in diversen Chören. Die Begeisterung sei groß, sagte auch der musikalische Vollprofi Levitin anerkennend schon in der Mittagspause. Und meiner bescheidenen Meinung nach ist auch das eingebracht Talent erheblich. Sonst hätte dieser Chor nicht auf Anhieb das "Chassidic Nigun"vom Blatt gesungen - zwar noch ein wenig verhalten und nicht ganz fehlerfrei, aber immerhin vierstimmig! Ich bin von dem beeindruckt, was ich bisher in diesem Chorlabor zu hören bekam. Die Workshops finden im Rahmen eines dreijährigen Projekts namens TRIMUM statt, das bei der Internationalen Bachakademie jetzt schon im zweiten Jahr Juden, Christen und Muslime zusammenführt, um geistliche Musik zu machen. Projektleiter Bernhard König war diesmal wie auch etliche der Sänger ein Opfer der grassierenden Grippewelle geworden. Das änderte aber nichts am Programm und am Niveau. So prangen etwa einige weibliche Alt-Stimmen einem einsamen Tenor bei und verstärkten diese Partie. Schon nach der Mittagspause ging es mit der Annäherung an hebräische Texte weiter, die für alle Nichtjuden wohl als größte Herausforderung bei dieser Musik gilt. Man darf gespannt sein, was bis zum Musikfest Stuttgart vielleicht reif ist für ein erstes Konzert.
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