SWR2 Zeitwort
22.11.1975: Juan Carlos von Spanien wird König
Am
22. November 1975 wurde Juan Carlos als König von Spanien
proklamiert – nur zwei Tage nach dem Tod des Diktators Francisco
Franco. Genau der schaut dem König aber bis heute über die
Schulter, obwohl der König als überzeugter Demokrat gilt und 1981
einen Militärputsch beendet hat.
[Zitat-Quellen:
WIKIPEDIA und mein Interview mit dem Autor Rafael Chirbes über seine
Romane „Der Fall von Madrid“ und „Alte Freunde“]
Autor:
Der
spanische Diktator Francisco Franco sah schon 1947 die
Wiedereinführung der Monarchie vor, um seine Nachfolge zu
sichern. Thronfolger wäre damals Juan de Borbón gewesen, der
Vater von Juan Carlos, aber der hatte schon im Exil von Franco die
Restauration der spanischen Monarchie gefordert und galt als dessen
Konkurrent. Im August 1948 einigte er sich mit dem Diktator: sein
ältester Sohn Juan Carlos sollte als Francos Nachfolger ausgebildet
und nach dessen Tod König werden.
Der
zehnjährige Juan Carlos kam 1952 nach Spanien und besuchte nach dem
Abitur fünf Jahre lang die Militärakademien von Heer, Marine
und
Luftwaffe – nicht gerade die Laufbahn eines Bürgerrechtlers. 1956
hatte der Kadett Juan Carlos Osterferien und sein jüngerer Bruder
Alfonso starb durch einen Unfall beim Reinigen einer Schusswaffe. Die
gerichtliche Untersuchung, die der ältere Bruder seines Vaters
forderte, fand nicht statt. Auch wurde nie geklärt, wer den Schuss
ausgelöst hatte, und der Vater versenkte die Waffe persönlich im
Meer.
Juan
Carlos war der Ältere und der offizielle Thronffolger. Ein Motiv für
Brudermord gab es also nicht. Aber rechtsstaatliche juristische
Normen galten offenbar in der Familie nicht. Dieses rückwärtsgewandte
Denken gibt den oberen Zehntausend bis heute das Gefühl, niemandem
Rechenschaft schuldig zu sein. Das lässt unnötig viel Raum für
Spekulationen und spaltet Spanien bis heute. Der Schriftsteller
Rafael Chirbes schreibt ständig über dieses Phänomen.
O-Ton
Rafael Chirbes 01 – 0´29 (cuando
me ...mi mismo)
Wenn
ich mich frage: Und du, Chirbes, was machst du in der Welt? – Dann
schaue ich direkt auf die Franco-Zeit und auf mein persönliches
Leben. Vielleicht ist in Diktaturen die Politik gegenwärtiger als
sonst. In meinem Leben war das so, denn die Franco-Diktatur hat sich
mehr in mein Privatleben eingemischt als eine Demokratie es
getan hätte. Also sagt alle Welt: Sie schreiben über die
Franco-Diktatur. Nein: Ich schreibe über mich selbst.
Autor:
Juan
Carlos studierte nach der Militärzeit zwei Jahre lang
Verfassungsrecht, Internationales Recht und
Wirtschaftswissenschaften. Schon zwei Tage nach Francos Tod, am 22.
November 1975, wurde er zum König ausgerufen. In seiner Thronrede
verkündete er „eine freie, offene und moderne Gesellschaft“,
ohne schon das Wort „Demokratie“ zu benutzen. Er ist gewiss ein
ehrlicher Demokrat, aber zugleich geprägt von Befehl und Gehorsam,
dem geistigen Erbe Francos im orthodox katholischen Teil der
spanischen Gesellschaft. Vor allem seit er 1981 den Militärputsch
beendete, gilt er als Retter der Demokratie. In seiner
Fernsehansprache am 23. Februar sagte er:
O-Ton
Juan Carlos – 0´32 ...En las circunstancias...
Wenn
ich mich unter den außergewöhnlichen Umständen, die wir im
Augenblick erleben, an alle Spanier wende, so will ich mich kurz
fassen. Die Krone, Symbol der Beständigkeit und Einheit des
Vaterlandes, kann unter keinen Umständen zulassen, dass gewisse
Personen durch ihre Handlungen mit Gewalt die den demokratischen
Prozess unterbrechen, der in der Verfassung verankert ist und für
den sich das spanische Volk in einem Referendum ausgesprochen hat.
Autor:
Als
König ist Juan Carlos Oberbefehlshaber der Streitkräfte und rief
erst mal ungehorsame Generäle zurück. Er war vielleicht mehr als
Vorgesetzter empört und erst dann als Schutzherr der Verfasssung.
Nicht umsonst hatten ihn die Verschwörer zunächst an die Spitze des
Putsches setzen wollen. Ein König ist per se kein Demokrat, und
dieser ist wirklich eine Figur des Übergangs: ein politischer, doch
auch ein weltanschaulicher Erbe der Diktatur, ein Macho und
Großwildjäger, der gern zu viel Geld ausgibt. Aber er ist auf seine
Weise wenigstens ehrlich, ein Verfassungspatriot und kein Fanatiker.
Noch einmal Rafael Chirbes:
O-Ton
Rafael Chirbes 02 –0´23 (votamos
...se atienen)
Wir
wählen alle vier Jahre und wissen, dass Sozialdemokraten wie
Christdemokraten die gleiche Wirtschaftspolitik machen werden.
Bestenfalls kleiden die einen sie in verständlichere Worte.
Sozialdemokraten pflegen das alles auf eine Art zu sagen, die sich
weniger schlimm anhört. Aber umso größer ist der Betrug. Bei den
anderen weiß man wenigstens, woran man ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen