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Sonntag, 4. Mai 2008

Mein Premiere als Hörbuchkritiker

SWR2 Journal Hörbuchtipp

Frank Schätzing: „Ein Zeichen der Liebe“

Frank Schätzing ist einer jener Bestseller-Autoren, die von der Literaturkritik gern etwas abschätzig oder wenigstens misstrauisch beäugt werden: Kommunikationswissenschaftler, Werbefachmann, Musiker. Schließlich hat sein Science-Fircion-Thriller „Der Schwarm“ Rekordauflagen auch in den USA erzielt, und so etwas ist allemal verdächtig. Schätzings eigentliches Steckenpferd aber sind Krimis. Immerhin hat er 2005 den Deutschen Krimipreis bekommen. Der hörverlag hat jetzt eine CD mit dem neuen Krimi „Ein Zeichen der Liebe“ herausgebracht, gelesen von Jan Josef Liefers, erschienen beim hörverlag, München, 14,95 EURO.

„Ein Zeichen der Liebe“ bietet neben Spannung, wie man sie von einem Krimi erwartet, auch Humor, eine Spur Erotik und eine gute Portion Menschenkenntnis.

Es ist eine Geschichte aus dem Sektenmilieu, die aber gar nicht in einer Sekte spielt, sondern in einem großen Kölner Krankenhaus. Und sie kommt mit bloß zwei Personen aus: Dem Chefarzt und einer jungen Psychologin.

Sie ist hübsch und frech und genau das Richtige für einen Macho von Chefarzt, der mit seiner Arbeitet verheiratet ist. Deshalb bleibt er auch ohne Namen und übernimmt den Job des Ich-Erzählers gleich mit. Die beiden sind sich gleich sympathisch. Eines Tages behauptet Gretchen, im Krankenhaus gebe es einen Killer. Vor Jahren hat sie einen Serienmörder verfolgt, der nie gefasst wurde. Alle Opfer waren Frauen, um die 40 und rothaarig. Hände und Lippen waren chirurgisch sauber entfernt, auf dem Körper trugen sie ein Zeichen: zwei konzentrische Kreise.

Gretchen ist überzeugt, das Zeichen in einem Rasierspiegel gesehen zu haben, als sie nachts auf der Suche nach etwas zu Trinken an einem Waschraum vorbei kam. Es ist das Symbol einer Sekte, der „Kirche der immanenten Liebe“.

Gretchen kann den Doktor überreden, zu testen, ob man so ein Symbol im Rasierspiegel des Waschraums überhaupt sehen kann. Sie hat Recht, man kann. Der nächste Schritt ist natürlich, dass die beiden dem Killer eine Falle stellen. Um Mitternacht legen sie sich auf die Lauer, um den Täter zu identifizieren. In der intimen Dunkelheit einer Besenkammer gegenüber dem fraglichen Waschraum empfinden sie Schauer von Grusel und Glück, die auch dem Hörer eine Gänsehaut machen.

Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten. Der wohlwollende, etwas arrogante Chefarzt, der sich widerstrebend in das nächtliche Abenteuer einer hübschen Patienten mit kriminalistischem Spürsinn hineinziehen lässt, ist eine Paraderolle für den Schauspieler Jan Josef Liefers. Gekonnt schwankend zwischen Sarkasmus und warmherziger Sympathie, Flirt und Geschlechterkampf spielt er beide Rollen mit einer, mit seiner Stimme.

Ein virtuoses Kammerspiel über die Abgründe der menschlichen Seele hat Schätzing da geschrieben, einen etwas anderen Arztroman, souverän gelesen von Jan Josef Liefers. Man kann sich dem Rat nur anschließen, den Gretchen ihrem Doktor in der Besenkammer gibt: "Paranoiker sind äußerlich kaum zu erkennen. Verlassen Sie sich besser nicht auf Ihre Menschenkenntnis. Es kann sein, dass unser Mörder ein kultivierter, freundlicher Zeitgenosse ist, der über Humor und ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden verfügt".


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