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Samstag, 14. Juli 2018

Fulminantes Saison-Finale bei SWR Sinfonieorchester

Konzertmeisterin Mila Georgieva, Dirigent Omer Meir Wellber und das Radiosinfonieorchester Stuttgart
Freunde klassischer Musik erlebten am 17.und 18. Juli in der Stuttgarter Liederhalle ein grandioses Schlusskonzert der Spielzeit mit  dem Radio-Symphonieorchester Stuttgart des SWR unter der Leitung von Omer Meir Wellber, der erster Gastdirigent an der Semperoper Dresden ist. Auf dem Programm standen das Violinkonzert D-Dur von Peter Tschaikowski (Solist: Gil Shaham) und die romantische Sinfonie Nr. 4 Es-Dur von Anton Bruckner. Man muss schon zugeben: So viel Wohlklang war selten - eine Wohltat angesichts der täglichen Missklänge in aller Welt und vor der Haustür. Um es vorab zu sagen, das Publikum war dankbar dafür, anders als manche Kritiker, die immer meckern müssen, wenn etwas mal einfach nur schön ist und ein Dirigent seine Freiheiten auch nutzt. Der Kritiker stellt sich ja nicht ans Pult und probiert seine Besserwisserei bezüglich Tempi und Dynamik persönlich öffentlich aus. Könnte er auch wohl kaum.
Violinvirtuose Gil Shaham
Gil Shaham, in den UASA geboren und in Israel aufgewachsen, war in dieser Saison Artist in Residence beim SWR Symphonieorchester und spielte die großen Violinkonzerte von Brahms, Korngold und Mozart. Dieses Konzert für Violine und Orchester von Peter Tschaikowski ist eines der schönsten und zugleich anspruchsvollsten überhaupt. Und was Shaham daraus machte, mit technischer Brillanz, interpretatorischem Einfühlungsvermögen und ebenso viel Gefühl wie stilistischer Eleganz, war einmalig. Da vergisst man die Marotte des Künstlers mit seinen unpassenden clownesken Grimassen in den Pausen, wenn er auf seine Einsätze wartet. Wenn er spielt, ist er ganz konzentriert und präsent: unglaublich sicher auch in den schwierigsten Passagen, frei und voller Esprit improvisierend in den Kadenzen, werktreu und hellwach im Dialog mit dem Orchester. Dann ist dieser Mann ein völlig anderer, kein Clown, sondern ernst und heiter zugleich, ein Künstler auf höchstem Niveau, voller Hingabe an die Musik. Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Konzert in verschiedenen Fassungen über Kopfhörer in der Straßenbahn auf dem Weg zu Arbeit oder auf Reisen gehört habe. Aber so durfte ich es noch niemals hören. Danke, Gil Shaham!
Dank gebührt aber auch der Ersten Konzertmeisterin Mila Georgieva, eben zurück aus dem Mutterschutz und schon wieder Garant für die Stabilität eines Orchesters, das lange nur mit Gastdirigenten auskommen musste und um seine Identität und Richtung zu ringen hatte. Sie spielte in der Zugabe eine zauberhafte galante Gavotte des Genfer Gelehrten und Komponisten Jean Leclerc (1657 - 1736) im Duett mit Shaham.
Bleibt noch die romantische Sinfonie Nr. 4 von Anton Bruckner, der hier noch nicht so todessüchtig und krawallmäßig drauf war wie gegen Ende seines Lebens. Natürlich gibt es auch hier das große Blech, die furiosen Crescendi, die schweren Choräle. Aber noch dominiert das Tänzerische, die Leichtigkeit der alpinen Volksmusik, die Liebe zum Leben im Ländler, im Ton der Alphörner, Zithern, Jagdhörner und Jodler, der Hüttenabende und Gasthausmusiken.
Ok, das war ein gemäßigter Bruckner; aber was ist falsch daran? Ich fand es großartig, auch in den Wechseln zwischen Dreiviertel- und Viervierteltakt, wie die meisten Zuhörer. Denn auch diese Töne und Akkorde, Stimmen und Traditionen sind Teil unseres musikalischen Welterbes, und kein geringer, auf den man herabblicken dürfte.
Omer Meir Wellber hatte diese ganze Vielfalt wunderbar im Griff. Doch er gängelte das Orchester nicht, er motivierte und verführte, trieb an, gab die Einsätze mit großer Präzision und viel Gefühl fürs Leise und Laute, das bei Bruckner so nah beieinander liegt.




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