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Sonntag, 22. Juni 2014

Gautier Capucon in Ludwigsburg: ein Paganini am Cello

Gautier Capucon (links) und Frank Braley beim Signieren
Am 21. Juni gab es im Ordenssaal im Residenzschloss Ludwigsburg wieder ein großartiges Konzert: Der "junge Wilde" am Cello, Gautier Capucon (links im Bild), spielte mit seinem Klavierpartner Frank Braley Werke von Claude Debussy, Franz Schubert, Robert Schumann und Benjamin Britten. Die beiden Franzosen verstehen sich blendend und zeigten sich in spritziger Spiellaune.
Die Cellosonate von Debussy zum Auftakt war mit ihren formal sehr freien, teils jazzigen drei Sätzen schon ein Hinweis auf große Interpretationskunst. Nicht nur virtuose Beherrschung des Cellos von Mattro Goffriler aus dem Jahr 1701 und des etwas neueren des Steinway-Flügels war angesagt, sondern auch eine Mischung aus Werktreue und viel Spaß am musikalischen Dialog. Mal gab Gautier das Tempo vor, mal Braley, mal führte der eine, mal der andere. Vor allem die "Serenade", eine kokette Parodie auf die deutsch-österreichische Romantik, und auch das furiose Finale stellten dabei höchste Ansprüche an das großartig eingespielte Duo.
Dann folgte die Romantik selbst. Sehr ernsthaft, aber in keinem Augenblick devot, interpretierten die beiden eine Bearbeitung von Franz Schuberts Sonate a-Moll für Arpeggione und Klavier. Auch hier fulminante technische Höhepunkte, zumal im empfindlichen Adagio, und brillante Abstimmung bei den temperamentvollen Passagen. Nach der Pause folgten Robert Schumanns Fantasiestücke op.73 für Violoncello und Klavier - zart und mit Ausdruck, lebhaft und leicht, rasch und mit Feuer: das sind nicht meine Wertungen, sondern die Regieanweisungen des Komponisten. Doch sie waren hier wirklich hörbar, und das zeigt wahre Meisterschaft. Hier ist Raum für Improvisation und Witz, den dieses Duo zu nutzen weiß, nie aber für Süßliches. Romantik muss ja keineswegs immer melancholisch sein; das hier jedenfalls war pure Lebensfreude nach Noten.
Zum krönenden Abschluß dann die Sonate C-Dur op. 65 für Violoncello und Klavier von Benjamjn Britten. Der britische Pianist und Komponist Britten erhielt den Anstoß dazu 1960 von dem russischen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch auf Vermittlung von Dmitti Schostaklowitsch. Der Meister bat um eine Komposition und bekam sie - seinen Fähigkeiten und seinem Temperament entsprechend. Was der führende Cellist seiner Zeit nicht wusste: Es wurde zur neuen Inspirationsquelle für Britten und der Beginn einer langen und fruchtbaren Künstlerfreundschaft. 1961 beim Edinburgh Festival spielten die beiden die Uraufführung. An diesem Abend war es, als säßen zwei jüngere Neuausgaben auf der Bühne. Damals mit viel Whisky, Witz und Begeisterung geschrieben, nun die kongeniale Interpretation - nur ohne Whisky. Ein ganzer Satz im Pizzicato gezupft - wo gibts das sonst in einer Cellosonate? Und so einfallsreich die Musik, so ausdrucksstark, humorvoll, technisch brillant und spielfreudig war auch die Darbietung mehr als ein halbes Jahrhundert später bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen. Da haben sich zwei gefunden wie 1960 Britten und Rostropowitsch.
Das Publikum dankte es mit anhaltendem Applaus, vielen Bravorufen und zuletzt Standing Ovations. Schließlich noch eine Zugabe: irgend eine Paganini-Version eines Motivs von Rossini - hinreißend. Da war im Kern das ganze Konzert noch einmal drin. Und gleich auch das Stichwort für meine Schlagzeile: In der Tat, dieser Capucon ist ein Paganini am Cello!



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