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Mittwoch, 4. April 2012

Wider die Seuche mit falschen "Antisemitismus" - Debatten

Über die "Antisemitismus"-Debatte wegen eines Gedichts von Günter Grass schrieb die Berliner Schriftstellerin Ruth Fruchtmann in einem Forum des Schriftstellerverbandes (VS):
"Da das Gedicht von Günter Grass eine solche Welle der Empörung ausgelöst hat, bitte ich sehr um Unterstüztung für ihn. Jede(r), ob jüdisch oder nicht-jüdisch, soll das Recht haben, diese menschenverachtende Politik Israels zu kritisieren und zu verurteilen, ohne als Antisemit diffamiert zu werden.
Als jüdische Autorin bin ich sehr froh, daß Grass sich geäußert hat.
Herzliche Grüße
Ruth Fruchtman

Dazu kann es unter anständigen Menschen nur eine Antwort geben, und die habe ich zu formulieren versucht:

Liebe Freunde und VS-Mitglieder,

das sehe ich ganz genau so. Das Gedicht hat zwar sehr begrenzte lyrische, aber dafür starke politische Qualitäten. Schon vor vielen Jahren hat mich mein Bruder sensibilisiert füpr die Verbrechen, die an den Palästinensern geschehen. Als Projektleiter bei Misereor unterstützte er dort eine landwirtschaftliche Schule un d sagte nach seiner ersten Inspektionsreise: "Die Israelis benehmen sich da wie die DDR". Schatila habe ich selbst noch gut in Erinnerung: Der General, der das Massaker in diesem palästinensischen Flüchltingslager zu verantworten hatte, weil seine Truppen den mordenden Milizen tatenlos zusahen, war ein gewisser Ariel Sharon. Dann wurde dieser Mann Ministerpräsident, und auch sein Nachfolger möchte mit Atomwaffen spielen. Meine Familie war immer christlich, und ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, das unsere Wurzeln jüdisch sind. In mir lebt eine tiefe Sympathie für den jüdischen Glauben und die jüdische Kultur, ein tiefes Mitgefühl für die jüdische Geschichte und große Scham über das deutsche Verbrechen Holocaust. Ich habe jüdische Freunde.

Aber man muss seine Freunde wirklich noch warnen und ihre Fehler kritisieren dürfen, ohne als "Antisemit" beschimpft zu werden. Dieses demokratische Grundrecht scheinen Psychopathen wie Henryk M. Broder und Ralph Giordano nicht zu ertragen. In unglaublicher Intoleranz haben diese beiden schon mehrfach solche Formen von Mobbing versucht und dabei mit ähnlichen Diffamierungen im PEN-Club Liechtenstein z.T. lebenslange Freundschaften zerstört. Humanismus geht anders, Kollegen! Anstand erst recht. Diese Leute sind keine moralischen Instanzen, sondern haben sich von irregeleiteten Opfern zu üblen Typen entwickelt, von denen kein Hund mehr ein Stück Brot nehmen sollte. Mein Vorschlag: Hört ihnen einfach nicht mehr zu. Ohne Aufmerksamkeit gehen sie ein wie die Rose von Jericho ohne Wasser.

In der Sache bin ich für klare Positionen: Ein atomarer Erstschlag Israels wegen eines bislang unbewiesenen Verdachts gegen den Iran wäre in der Tat ein riesiges Verbrechen, und dazu darf Deutschland niemals die Hand reichen. Paranoia darf man nicht fördern - man muss dagegen kämpfen. Und das tut man gewiss nicht mit Stimmenthaltungen im UN-Sicherheitsrat, wenn es gegen arabische Diktatoren geht, oder mit unbedachten Solidaritätsadressen für aggressive Paranoiker wie z.B. heute wieder durch mehrere CDU-Abgeordnete. Zwar ist der ganze Nahe Osten ein paranoides Pulverfass und die Ängste der Israelis muss jeder verstehen, der immer wieder hören muss, wie ein paar verrückte Fanatiker das Existenzrecht dieses Staates bestreiten. Aber erstens sind die meisten Muslime ganz anders drauf als diese Irren, und zweitens muss es nicht gerade deutsche Waffentechnologie sein, die den Wahnsinn fördert.

Überhaupt: Wir verkaufen entschieden zu viele Waffen. Und es ist ein weit größerer Skandal, über den niemand spricht, dass Angela Merkels Geheimdeal mit 200-270 Leopard-Panzern an Saudiarabien - ein brutaler Verstoß gegen deutsches Recht (Kriegswaffenkontrollgesetz: keine Waffen in Spannungsgebiete) und internationale Abkommen - einfach totgeschwiegen wird. In Dutschland gibt es hier keine klare Linie, aber genau die wäre absolut dringend nötig für unsere Glaubwürdigkeit in der Welt! Der "arabische Frühling" stockt nicht zuletzt wegen dieser ambivalenten Schwäche deutscher Außenpolitik - und damit die Demokratisierung in einem großen Teil der Welt. Es sind nicht Demokratien, die Israel bedrohen - es sind Autokraten und Theokraten, die noch zu viele deutsche Politiker unterstützen. Dieses böse Spiel sollten wenigstens intelligente Menschen nicht mitmachen.

Herzlicher Grüße,
Widmar Puhl

1 Kommentar:

Freiwirtschaftler hat gesagt…

1) Der kämpfende Pazifist, der sich der Größe seiner Aufgabe bewusst ist, wird keinen Unterschied machen zwischen Bürger- und Völkerkrieg, zwischen äußeren und inneren Feinden. Für ihn gibt es nur einen Krieg, nur einen Frieden. Mit gleicher Macht erstrebt er den Frieden nach innen wie nach außen.

2) Der Pazifist, der tiefer in die Beweggründe der Kriege schaut, geht noch einen Schritt weiter in der Beurteilung des Bürger- und Völkerfriedens und sagt, der Kriegsgeist, der Geist der Gewalt, ist ein Kind des chronischen bürgerlichen Kriegszustandes, der die Eingeweide aller Kulturvölker zerreißt. Wer diesen Geist bekämpfen will, muss ihn in erster Linie als Bürger im eigenen Lande bekämpfen. Der Weg zum Völkerfrieden geht über den Weg des Bürgerfriedens und nicht umgekehrt.

3) Das, was die Völker und Volksklassen in Waffen gegeneinander treibt und immer getrieben hat, sind Dinge wirtschaftlicher Natur, die Notzustände schaffen oder vorherrschen lassen, und für diese Zustände gilt das Gesetz: NOT KENNT KEIN GEBOT. Die Not bricht nicht nur Eisen, sondern auch Verfassungen, Verträge und Bündnisse und setzt sich über alle moralischen, ethischen und religiösen Hemmungen hinweg. Nichts ist schließlich der Not heilig als der Kampf gegen ihre Ursachen.

4) Auf die Beseitigung solcher Notzustände hat also der ernsthafte Friedenskämpfer sein Augenmerk zu richten, unbeschadet seiner etwaigen Überzeugung, dass der Frieden oder wenigstens der Friedenswunsch mit moralischen, religiösen und ethischen Mitteln auch noch gefordert werden könne.

5) Der Notzustand, der zu den Kriegen treibt, hat wenigstens bei den heutigen Industrie- und Handelsvölkern seinen Grund nicht in einem naturgegebenen Mangel an Industrie- und Nährstoffen, sondern in unseren gesellschaftlichen Einrichtungen, die die Produktion und den Austausch beherrschen und die Arbeit tributpflichtig machen, wobei der Umstand noch erschwerend wirkt, dass zur Sicherung dieses Tributes der Produktion und dem Tausch Hemmungen bereitet werden müssen, die zu Krisen und Arbeitslosigkeit führen. Die gesellschaftlichen Einrichtungen, um die es sich da handelt, sind das Privateigentum an Grund und Boden und das herkömmliche, aus dem Altertum in unveränderter Gestalt von uns übernommene Geldwesen, dessen Mängel immer offensichtlicher geworden sind. Grund- und Geldbesitzer fordern Zins, sonst sperren sie der Produktion den Boden und dem Austausch der Produkte das Geld. Dieser Zins überträgt sich automatisch auf das gesamte Wirtschaftsleben und schafft das, was als Kapitalismus bezeichnet wird.

Silvio Gesell (Stabilisierung des Bürger- und Völkerfriedens, 1928)

Ein geistiger Tiefflieger wie Günter Grass wird das wohl bis zum Jüngsten Tag nicht mehr begreifen.

http://www.deweles.de/intro.html