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Sonntag, 3. August 2008

125 Jahre Kafka und ein Hörbuchtipp

Am 3. Juli 1883, also vor 125 Jahren, wurde in Prag Franz Kafka geboren – ein moderner Klassiker der Weltliteratur. Wer hat nicht schon als Schüler seine Erzählung „Die Verwandlung“ gelesen, wo der Vertreter Gregor Samsa eines Morgens als riesiges Insekt aufwacht? Die Deutsche Grammophon bringt jetzt, aus aktuellem Anlass, auch Kafkas Roman „Das Schloss“ als Hörbuch heraus. Ulrich Matthes, der auch beim Hör-Conrady mitwirkte, hat die Kassette mit 10 CDs gelesen.

Obwohl Kafkas letzter Roman ein Fragment blieb, ist er so etwas wie die Summe seines Werkes. Die Geschichte: ein Alptraum mit lauter Zutaten aus der realen Welt: Der Landvermesser K. wird in ein Dorf bestellt, das einem Schloss gehört, aber dort will niemand etwas von ihm wissen. Und je mehr er sich bemüht, Klarheit zu schaffen, desto unerreichbarer wird das Ziel. Schon der erste Satz steckt voller Symbole für Undurchschaubarkeit und Kälte.

Die düstere Ausweglosigkeit und Vergeblichkeit hat Methode. Ohne Erlaubnis des Schlosses darf man im Dorf nicht einmal übernachten. Eine monströse und sinnlose Bürokratie schüchtert die Menschen ein. Das versucht auch gleich am ersten Abend ein junger Schnösel, der sich als Sohn des Kastellans vorstellt. K. wimmelt ihn selbstbewusst ab, aber am nächsten Morgen reagiert der Wirt seltsam. Auch diese Leute haben hier große Macht. Scheinbar wird eine Nichtigkeit zur Ursache dafür, dass K. im Schloss nie empfangen wird und im Dorf ein Außenseiter bleibt.

Kafka beschreibt einen Menschen ohne Identität, der in einer kalten und unverständlichen Welt gefangen ist. Es wird sein einziger Lebensinhalt, die Anerkennung seiner Mitmenschen zu gewinnen. So haben auch die erotischen Begegnungen etwas Verzweifeltes. K. verliert sein Selbstbewusstsein immer mehr und verzweifelt an sich selbst. Denn er bleibt völlig auf die Anerkennung seines Auftrags als Landvermesser fixiert. Als er endlich einen wohlwollenden Beamten trifft, scheitert das Gespräch wieder: K. ist sterbensmüde, und der Beamte faselt von seinem Büroschlaf: ein wunderbares Beispiel für Kafkas skurrilen, schwarzen Humor. Er arbeitete bei einer großen Versicherung in einem palastartigen Gebäude und lebte als Kind in Dörfern mit Schloss. Als Bürokratiesatire ist „Das Schloss“ zeitlos aktuell.

Niemand hat das Kanzleideutsch in seiner ganzen Menschenverachtung treffender bloßgestellt als Kafka. Und die Stimme von Ulrich Matthes macht all die Stimmungen und Seelenlagen in diesem Roman lebendig: männlich oder weiblich, zärtlich oder aggressiv, lakonisch, apathisch, melancholisch, spöttisch, aufbrausend oder unterwürfig. „Das Schloss“ von Franz Kafka, gelesen von Ulrich Matthes. Die Kassette der Deutschen Grammophon mit 10 CDs kostet 29,99 EURO. Außerdem sind bei der deutschen Grammophon Hörbücher von Kafkas Erzählungen sowie die Romane „Der Verschollene“ und „Der Prozess“ erschienen.

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