Dagmar Dusil: "Das Geheimnis der stummen Klänge", Roman. ISBN 978-3-86356-394-3. Pop Verlag, Ludwigsburg, 219 Seiten, 21,00 € Wie eine Zwiebel enthüllt dieses Buch Schicht um Schicht Neues, und manchmal kann es einem dabei tatsächlich auch Tränen in die Augen treiben. Dennoch ist der Kern nicht einfach zu beschreiben. Nicht zufällig wird der Name der Hauptperson, Clara Giseda Gregorius, Narkoseärztin und Musikliebhaberin in Bamberg, erst auf Seite 16 vollständig genannt. Bis dahin ist es schlicht Clara, die sich schon in der ersten Szene fragt, "ob Musik in Worte gefasst werden kann." Sie hört während einer Konzertpause den Rettungshubschrauber und lässt sich pflichtbewusst ins Krankenhaus fahren, weil sie einen Notfall vermutet. Das Personal ist chronisch unterbesetzt und sie gehört zu denen, die immer erreichbar sind, ohne Familie und Kinder, jederzeit einsatzbereit. Aber kein Unfallopfer hat der Hubschrauber gebracht, sondern eine Spenderniere. Als sie zum Narkosegespräch das Krankenzimmer betritt, liegt vor ihr der Dirigent David Goldstein im Krankenbett, den sie noch vor kurzem auf der Bühne erlebt hat. Die Begegnung wird der Beginn einer langen und tiefen Freundschaft.
Clara stellt sich als betreuende Anäthesistin vor und spricht ihn fast gegen ihren Willen an: "Es war so kreativ und individuell, wie Sie die 4. Symphonie von Gustav Mahler dirigiert haben, wie Sie die einzelnen Instrumente zum Klingen gebracht und zu einem Ganzen zusammengefügt haben, wie sich die Töne gleich einer Schnecke von einem Instrument zum anderen bewegt haben". Goldstein vergisst die bevorstehende Operation, ist überrascht und beeindruckt von ihrer präzisen Einschätzung des Gehörten: "Selten kommt es vor, dass ein Laie in Worte fasst, was der Dirigent dem Orchester abverlangt". Nur ist Clara eben kein Laie. Sie ist - und jetzt überspringe ich der Einfachkeit halber mehrere Lagen der Zwiebel - eine hochbegabte, aber vor langer Zeit traumatisierte Pianistin, die das Klavierspiel aufgegeben hat, um Ärztin zu werden. Die titelgebenden "stummen Klänge" hört die Frau mit dem absoluten Gehör nur innerlich, sozusagen mit der Seele, beim täglichen Üben auf einer Tastatur aus Papier. Mit 17 Jahren, als sie in der realsozialistischen Diktatur Rumänien von der Securitate um den Sieg in einem Klavierwettbewerb gebracht wurde, hat sie die 88 Tasten, 52 weiße und 36 schwarze, auf Papierbögen ihrer Mutter gemalt hat - weil es in ihrer Heimat Hermannstadt in Siebenbürgen nichts Passendes zu kaufen gab.
Wie musikalisch gebildet bzw. bewandert die Autorin Dagmal Dusil ist, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls stammt sie aus Hermannstadt im rumänischen Siebenbürgen und hat dort nicht etwa Musik, sondern Anglistik und Germanistik studiert und als Englischlehrerin gearbeitet, bis sie 1985 in die Bundesrepoublik Deutschland ausreiste, wie die meisten siebenbürger Sachsen, die bei den zurückbleibenden Rumänen, Ungarn und Roma "Sommersachsen" heißen, da sie nur die Sommerferin in der alten Heimat verbringen. Dusil hat viele Details recherchiert und viele sicher nicht recherchieren müssen, sondern aus der Erinnerung hervorgeholt. Aus Erfahrung kennt sie auch die unseligen, patriotisch verbrämten Machenschaften der Securitate, die stets bedrohten und doch zugleich staatlich privilegierten Künstlerexistenzen sowie die sozialistische Mangelwirtschaft. Sie weiß auch um das verhängnisvolle Schweigen der Secuitate-Opfer. Und sie lässt einen Taxifahrer, der zufällig den gleichen Vornamen hat wie der junge Geheimpolizist, der einst versuchte, die Schülerin Clara nach dem Wettbewerb auszuhorchen, die Geschichte von den "Sommersachsen" erzählen. Überhaupt erzählt der geschwätzige Mann viel, auch über Osterbräuche und das Zusammenleben der diversen Volksgruppen in Rumänien, von denen vor allem die ärmeren Roma heute als Arbeitsmigranten in Deutschland Erdbeeren ernten und Spargel stechen.
Dagmar Dusil strickt ihren Plot nicht, sie häkelt, stickt und klöppelt feinste literarische Spitze, sie komponiert die Handlung wie eine Thriller-Autorin. Unglaublich, wie viele Zwiebelschalen sie auf nur gut 200 Seiten zusammenfügt. Sie springt vor und zurück in Claras Biographie und in den komplizierten Familiengeschichten der übrigen Hauptfiguren wie ein Drehbuch. Fast nichts ist, wie und was es zu Anfang scheint, und doch fügt sich alles am Schluss zusammen, wenn auch nicht zu einem in jeder Hinsicht guten Ende, das wäre ja wirklich ein lebensfremdes Unding. Was man liest, ist aber unterm Strich weit mehr als die Geschichte eines Künstlerschicksals in der Ceausescu-Diktatur. Dieser Roman ist eine erzählte Landkarte Siebenbürgens, und die Geschichte einer untergegangenen Kultur: Klausenburg, Kronstadt, Katzendorf mit seiner Kirchenburg und der immer noch bewohnten "Ziganie". Hier laufen Lebensfäden zusammen und auseinander, um sich Jahrzehnte später wieder zu kreuzen. Das hat teilsweise Dimensionen einer antiken griechischen Tragödie.
Clara ist kein moderner weiblicher Adrian Leverkühn wie der Komponist aus Thomas Manns "Doktor Faustus", doch auch sie ist distanziert und verschlossen, unfähig zum Vertrauen selbst den engsten Freunden gegenüber. Sie denkt und fühlt in Klängen, führt den Leser in eine beachtliche Fülle musikalischen Fachwissens. Auch sie leidet unter selbstzerstörerischen Zweifeln und bohrenden, teils philosophischen Fragen: "Die Erinnerung lässt sich nicht abschütteln und auslöschen. Auch durch die Musik nicht, die wie ein Sieg über das Vergehen, über die Vergänglichkeit auftrumpft. Die Musik, die ihr ständiger Begleiter ist, die sich an Abenden wie diesem (des Konzerts mit Goldstein in Bamberg) heftiger an sie schmiegt und sie aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit führt. Die Erinnerung ist da, als Klang und als schmerzliche Erfahrung, dass in der Entstehung des Klangs die Freude liegt, die ihr versagt blieb" (durch pubertären Trotz und eigene Sturheit; Menschen sind eben manchmal so, auch das weiß Dusil).
Eine Rückblende ins Jahr 1975 zeigt die dreijährige Clara, die als Ich-Erzählerin berichtet, wie sie ihre Mutter Almuth so lange nervt, bis sie mit ins Konzert darf. Es ist ein Schlüsselerlebnis. Denn der Pianist auf der Bühne in Hermannstadt, dem das Publikum und auch die kleine Clara zujubelt, heißt Clemens Haller und soll später ihr Klavierlehrer werden. Clara hört zum ersten Mal in ihrem Leben Applaus, springt auf den Stuhl, klatscht sich die Hände wund und schreit lauthals immer wieder "Bravo!" Gespielt hatten Haller und das Orchester das Klavierkonzert A-Dur von Franz Liszt. Claras Mutter Almuth Gregorius, ist Malerin und versucht, Töne in Farben und Linien künstlerisch einzufangen: "Sie mochte besonders die Stellen, in denen das Klavier und das Solo-Cello miteinander musizierten. Doch zugleich fürchtete sie diese Stellen, spielte doch Leo, ihr Mann, den Cellopart. Sie wusste um sein krankhaftes Lampenfieber, wenn alles im Haus unsichtbar und unhörbar werden musste. Es ging dann nur noch um Leo."
Auch der Solist Clemens Haller war so eine Mimose, ein begnadeter Musiker, zugleich aber unberechenbar und launisch: "Er vereinbarte das Unvereinbare, ließ Unmögliches möglich werden. Sein Spiel ließ Engel und Teufel erwachen und miteinander kämpfen oder gar zu Freunden oder zu Liebhabern werden. Wenn er zu spielen begann, verheilten Wunden. Doch es war für die Kritiker nicht einfach, eine zutreffende Aussage zu machen, die Spannung und den Widerspruch seines Spiels und seiner Interpretation in Worte einzufangen." Nach dem Konzert musste Claras Vater jeden Abend dem Kind vor dem Einschlafen eine Platte auflegen und die Musik sichtbar machen, was er konnte wie niemand sonst: "Vater erklärte die Pastorale von Beethoven, die Wassermusik von Händel und den Hummelflug von Rimski-Korsakov. Sie schlief ein mit diesen Bildern vor Augen und der Musik in den Ohren." Besonders bei Mozart spielte sich das Kind auf der Bettdecke mit einem imaginären Klavier in den Schlaf. Später, als Ärztin, weiß Clara um das selbstzerstörerische Suchtpotanzial der Musik, aber der selbstverordnete Entzug schmerzt so sehr, dass es fast nicht auszuhalten ist.
Der Wettbewerb, mit dem die Tragödie der damals 15jährigen Clara begann, wird in einer Rückblende auf das Frühjahr 1987 knapp erzählt, aber nicht bis zum bitteren Ende. Das Publikum im Saal hielt bei ihrem Spiel den Atem an. Der Knall folgt erst vieler Seiten später. Als wollte die Autorin wie eine Katze um den heißen Brei herum schleichen, folgt erst nach vielen Andeutungen Konkretes. Almuth will ihrer Tochter die Wahrheit sagen (welche?) und hadert mit ihrem Man Leo, dessen Aufgabe das ihrer Ansicht nach gewesen wäre. Doch 1989, kurz vor der Revolution und dem Tod des Diktators, war Leo gestorben und Clara im Sog der allgemeinen Freiheitshysterie das Land verlassen und nach Bamberg gegangen, um Ärztin zu werden. Almuth hatte nie ein Kind gewollt, war unnahbar, kühl und am liebsten allein. Sie blieb in Hermannstadt und malte.
In der Rückblende erzählt Dusil, wie Almuth und Leo sich kennen lernten. Sie studierte Malerei und er besuchte das Konservatorium in Klausenburg: er als Cellist umschwärmt, witzig und leichtlebig, sie eine herbe Schönheit, die sich nicht gern überraschen ließ und trotzdem ja sagte, als er sie spontan bat, seine Frau zu werden, obwohl sie sich kaum kannten. Leos Eltern, der Arzt Ion Lupeanu und seine Frau Magda, geborene Caramilotis aus einer ehrenwerten Familie in Griechenland, die ins weltoffene, multinationale Constanta am Schwarzen Meer eingewandert war, lebten rumänisch-großbürgerlich in Ramnicu Valcea, einer Stadt in den Südkarpaten am Fluss Alt.
Nicht ohne Humor schildert die Autorin den Zusammenprall der verschiedenen Kulturen und Traditionen, als Herr und Frau Lupeanu es sich nicht nehmen lassen, gegen den Willen von Braut und Bräutigem ins siebenbürgische Hermannstadt zu reisen, um bei den Brauteltern nach Landessitte um die Hand ihrer Tochter anzuhalten, was bei den Siebenbürger Sachsen nicht üblich ist. Es gibt genau zwei Gemeinsamkeiten: Auch Viktor Gregorius ist Arzt, und in beiden Familien wird die Hausmusik geschätzt. Almuths Bruder Gottfried, ein "wohlerzogener" junger Doktor der Chemie, findet Anerkennung als von Clemens Haller gelobter Amateurpianist. Es wird jedoch kein zweites Familientreffen geben, zumal Leo und Almuth verkünden, nicht kirchlich heiraten zu wollen. Am Ende dieses Kapitels beschließt Almuth, Clara zu einem Gespräch nach Wien einzuladen, wo sie an einer Ausstellung teilnehmen wird.
Szenenwechsel, ein harter Schnitt. Die Starpianistin Levinia Vandu besucht ihren Patenonkel, der als Arzt und Oberst der Securitate in einer ziemlich protzigen Staatsvilla (mit Personal und einem Interieur aus edlem Mobilar und venezianischen Spiegeln) residiert. Oberst Lepadatu kannte ihr Problem; er wusste immer alles, und seine Frau kaufte in speziellen Läden Dinge ein, die es sonst nirgends gab oder nur als Mangelware. Auch bei Lavinias Eltern war das so; die die Männer waren Kollegen, die Paare waren befreundet und besuchten einander. An ihre früheste Kindheit hatte Lavinia nur nebelhafte Erinnerungen, die ein befreundeter Therapeut auf Wunsch von Herr und Frau Vandu auslöschen sollte. Dusil beschreibt hier eine gängige Praxis im real existierenden Sozialismus: "Lavinias frühe Erinnerungen wurden von ihren Adoptiveltern entsorgt. Es gab sie kaum noch. Lavinia war ihr Kind. Ihr Wunschkind. Musikalisch hochbegabt." Was auch der Therapeut nicht ganz ausradieren konnte, waren Flashbacks an das trostlose Kinderheim mit den lieblosen Betreuerinnen, der Schmutz, die Gerüche nach Urin, Erbrochenem und Kot. In Putins Reich lebt das System noch weiter.
Kurz vor dem Autounfall, bei dem sie beide starben, hatten ihre Ihre Eltern der 18jährigen mitgeteilt, dass sie adoptiert worden sei, um sie aus dem Martyrium im Heim zu befreien, dass ihre Mutter eine Roma sei und der Vater unbekannt. "Ich bin ein Zigeunerkind!", hatte Lavinia entsetzt aufgeschrien, aber die Mutter hatte sie in die Arme genommen und der Vater hatte ein Machtwort gesprochen: "Du bist unser Kind, nur unser Kind. Das allein zählt." So, gleichsam nebenbei, beschreibt Dusil den bis heute verbreiteten Rassismus und vor allem Antiziganismus in Rumänien. Die Akte war geschlossen.
Seit dem Unfall ihrer ungewollt kinderlosen Adoptiveltern fühlte sich Oberst Lepadatu für Lavinia verantwortlich. Sie war nun 19 und schon eine nationale Hoffnung, der aufsteigende Stern am rumänischen Pianistenhimmel. Nur eine Nacht hatte sie nach einem Konzert in Hermannstadt mit dem Solo-Cellisten verbracht, mit dem sie Skrjabins Klavierkonzert Nr. 1 in fis-Moll gespielt hatte. Sie hatte sich von der Musik hinreißen lassen, und nun war sie m 4. Monat schwanger, eine Abtreibung kam nicht in Frage. Doch ihr Lebenssinn hieß Musik. Kinder waren für sie nur kleine brüllende Monster. Der Oberst sorgte dafür, dafür, dass sie die Monate bis zur Geburt in einer abgeschirmten Parteivilla am Schwarzen Meer verbringen konnte. Dort spielte sie Klavier, übte viele Stunden am Tag und entdeckte das selten gespielte Klavierkonzert in fis-Moll von Alexander Skrjabin. Als es so weit war, wurde sie inkognito nach Klausenburg gebracht und das Kind wurde noch in der Geburtsklinik von einem ihr unbekannten Paar adopiert. Man ahnt, das waren Almuth und Leo.
Eines Tage trifft Clemens Haller auf der Straße in Hermannstadt zufällig Almuth, zu der er seit dem von der Securitate manipulierten Wettbewerb keinen Kontakt mehr hat, die ihm beiläufig erzählt, dass seine Schülerin jetzt als Ärztin in Bamberg lebt. Nach einem Konzert in Bamberg trifft sie ihn in der Künstlergarderobe, und er sagt nur "Begleite mich morgen nach Venedig". Unausgesprochen bleibt (wie so vieles), dass er ihr unterwegs alles erzählen will, was zu dem fatalen Wettbewerb in Hermannstadt geführt hat. In Venedig wird er ein gut bezahltes privates Recital spielen. Schon unterwegs sprudelt es aus ihm heraus, wie einen Tag vor dem Wettbewerb und zwei Wochen vor seiner Tornee durch die USA ein Soldat bei ihm klingelte und ihn mit einer Postkarte für den Nachmittag ins Hotel Continental zitierte, 11. Stock, Zimmer 5. Dort empfangen ihn zwei Securitate-Leuten, die ihm eröffnen, dass Clara beim Wettbewerb keinen Preis gewinnen wird. Es ist der Versuch, Leo unter Druck zu setzen, dessen lustiger Schwager Gottfried sich bei einer Dienstreise nach Deutschland abgesetzt hat - ein sinnloser Versuch, weil Gottfried keinen Kontakt zur Famillie hat und niemand weiß, wo er lebt.
Clemens Haller sitzt in der Jury und reagiert empört, aber sie drohen diskret, leise und effizient mit Verletzungen seiner Hände, er weiß sehr wohl, dass er die Triller mit dem seigt einem kleinen Unfall verkürzten Mittelfinger der rechten Hand besonders gut spielen kann. Er möge einfach nur an seine Tournee in den USA denken, um die übrigen Mitglieder der Jury brauche er sich nicht zu kümmern. Die Italienerin wird einfach kein Visum bekommen und durch eine willfährige Polin ersetzt werden, ein anderer wird damit bedroht, seine Homosexualität öffentlich zu machen, die Vorsitzende Lavinia Vandu wird mit ihrem Kind erpresst, das sie zur Adoption gab. "In dem Augenblick wusste ich, dass ich Dich für mein eigenes Spiel opfern werde, für die Musik, für meine Freiheit, die keine Freiheit war. Ich wurde zum Täter".
Das Recital von Clemens Haller im Palast einer Contessa ist Chopin gewidmet, und er beendet den Abend mit dem "Adagio in c-Moll von Carl Filtsch, dem Lebewohl des Komponisten von Venedig. Dagmal Dusil wäre nicht Dagmar Dusil, käme in Venedig nicht auch noch ein unbekanntes musikalisches Wunderkind vor: Carl Filtsch, ein Siebenbürger Sachse aus Mühlbach, Dichter und Kompinst, Schüler von Liszt und Chopin, hat zwischen 1830 und 1845 Wien, London und Paris als Pianist verzaubert. Mit nur 15 Jahren starb er in Venedig an Tuberkulose. Im protestantischen Teil des Inselfriedhofs San Michele liegt sein Grab. Zu seinen Ehren hat Clemens den Klavierwettbewerb in Hermannstadt geschaffen. Nach einer Liebesnacht besuchen die beiden das Grab.
Clara denkt beim Treffen mit ihrer Mutter in Wien, dass sie nun alles weiß, und erzählt Almuth von Venedig. Sie wisse nur nicht, womit die Jury-Vorsitzende Lavinia Vandu erpresst worden sei, aber das spiele nun auch keine Rolle mehr. Doch dann klärt Almuth sie auf, dass ihre leibliche Mutter Lavinia Vandu ist. Nur Leo, ihr leiblicher Vater, der Oberst und Almuth wussten das. Auch Lavinia ist auf der Suche nach ihren Wurzeln und macht auf der Fahrt zu einem Konzert in Hermannstadt (mit David Goldstein als Dirigent!) Station in Katzendorf. Unter den dortigen Roma sucht sie nach Informationen über ihre Mutter. Ein Musiker der Siebenbürger Sachsen habe das schönste Roma-Mädchen der Stadt vergewaltigt, eine gewisse Maria. Doch die sei nach der Geburt eines Mädchens verschwunden, und der Vater sei gestorben.
David Goldstein hat Clara erzählt, dass er ein Konzert in Hermannstadt mit Lavinia Vandu als Solistin dirigieren würde, das Klavierkonzert Nr. 1 in fis-Moll von Alexander Skrjabin. Er ahnt nicht, dass er damit das Fundament legt für einen dramatischen finalen Showdown. Er ahnt nicht, dass Clara in einem ungestraften kriminellen Akt der Selbstbefreiung für dieses eine letzte Konzert an Lavinias Stelle spielen wird. Clara Giseda Gregorius wird nach ihrem zweifelhaften Triumph wieder als Ärztin in Bamberg arbeiten, aber in ihrer Wohnung wird ein echter Flügel stehen. Einige Karrieren enden, einige Freundschaften überleben, dank der Musik als Kitt. So endet eine fast unendliche, immerhin über vier Generationen reichende, unglaubwürdige und eben darum ziemlich glaubhafte Geschichte. Sie erscheint mir mindestens so realistisch wie die unglaublichen Geschichten der Stasi, der Securitate und anderer Geheimdienste.