![]() |
Der Pianist Demian Martin |
Das Ergebnis konnte sich hören lassen: Improvisation auf Zurufe aus dem Publikum ("Nennen Sie mir drei Töne, und ich improvisiere dann etwas dazu"). Oft sind auch Genre, Stilrichtung und Thema frei wählbar, aber dafür reichte diesmal die Zeit nicht. Diese Form der improvisierten Musik stammt aus dem Theater ("Impro-Theater" oder "Theatersport" haben da Pate gestanden). Eine "Hochschule für Musik und Darstellende Kunst" wie die in Stuttgart ist sicher prädestiniert dafür. Aber eigentlich ist improvisierte Musik, vom Jazz bis zum Volkslied, schon seit Jahrtausenden da: eine Musik des Augenblicks, einmalig und ohne Noten, wiederholbar höchstens in Teilen und durch vielmaliges Hören und Auswendiglernen. Demian Martin konzertiert oft auch mit seinem Bruder Lionel, der Cello spielt und schon vor Jahren als SWR New Talent gefördert wurde.
Was hat Demian Martin denn nun gespielt? - Improvisationen mit Phantasietiteln wie "Drei Sarkasmen inspiriert von Sergej Prokofjeff", die nur eine Richtung weisen und an denen eben durch die Tonvorgaben auch das Publikum beteiligt war: "Die herrenlose Pferdefliege", "Der verbotene Regenschirm" und "Die weggelaufene Nase". Sergej Prokowjeff (1891 - 1953) litt unter dem real existierenden Sozialismus und schrieb daher eine eher böse, sarkastische Musik bis auf das populäre Märchenstück "Peter und der Wolf". Ein Geistesverwandter dürfte der futuristisch-absurde Lyriker und Kinderbuchautor Daniil Charms gewesen sein (1906 - 1942). In den Jahren 1925 bis 1939 trat er häufig bei Life-Lesungen auf, weil seine Gedichte unter Stalin nicht gedruckt werden durften. 1941 wurde er verhaftet, und während der Belagerung von Leningrad ließ man ihn wohl 1942 im Gefängnis einfach verhungern.
Nach den von Prokofjeff inspirierten Improvisationen folgten die Titel "Wasser", "Luft", "Feuer" und "Erde" als Charakterstücke nach den "Vier Elementen" im Stil von Maurice Ravel (1875 - 1937). Der neben Claude Debussy bedeutendste französische Impressionist schrieb viele Naturstücke. Sein bekanntestes Werk ist der Boléro".
Demian Martin wurde 1998 in einer Stuttgarter Musikerfamilie geboren. Er improvisiert und komponiert, seit er als Sechsjähriger mit dem Klavierspielen anfing. Heute gehört die Improvisation auf Zuruf ebenso selbstverständlich zu seinen Auftritten wie Konzertmoderationen und kabarettistische Formate. Sehr amüsant das Ganze. Das fand nicht nur der Künster selbst, sondern auch eine Schulklasse des (naturwissenschaftlichen!) Lise-Meitner-Gymnasiums aus Böblingen oder reifere Semester wie der Schreiber dieser Zeilen. Die technische Brillianz des Pianisten Martin war nicht weniger beeindruckend wie sein stilistisches Einfühlungsvermögen, seine wache Reaktion auf das Publikum und sein musikpädagogisches Talent. So sollte Musikunterricht aussehen! Der Mann hatte erkennbar Spaß an seiner Arbeit, und entsprechend begeistert war dann auch der Applaus.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen