Seiten

Samstag, 16. April 2016

Großartige Solisten, lustloser Dirigent, irritiertes Orchester

Gestern zur Abwechslung ein Brahms-Abend mit dem Radio-Sinfonieorchesster Stuttgart des SWR in der Liederhalle: ein echtes Abschaltprogramm von der ewigen Böhmermann-Erdogan-Hysterie. Lars Vogt spielte das Klavierkonzert Nr. 1 zum Niederknien schön, und der Bariton Russell Braun sang eine von Detlef Glanert orchestrierte Fassung der "Vier Präludien und Ernste Gesänge" von Johannes Brahms. Großartig, facettenreich, wunderbar. Nur die "Tragische Ouvertüre d-Moll", das rein instrumentale Stück zum Einstieg, war etwas nach Haudrauf-Art dirigiert. Na ja: Stéphane Denève geht ja zum Sommer, und etliche Abonnenten mit ihm. 
Da stimmt halt nicht mehr alles in einem Orchester, dem viele Irritationen und Zickzack-Monate bevorstehen. Zum Herbst wird es mit den Kollegen aus Freiburg fusioniert, aber es gibt noch keinen neuen Chefdirigenten. Es fällt nur auf, dass in der ersten Spielzeit allein sechs Mal Gustav Mahler gespielt wird. Der ist für seine großen Besetzungen bekannt und kann 176 Musiker beschäftigen, bis durch Frustabgänge und Rente die "Normalstärke" von ca. 130 Musikern erreicht ist. Eine künstlerische Identiät oder gar ein Profil entsteht aber dadurch nicht. Jedes Konzert mit einem anderen Gastdirigenten: Das bedeutet für Orchester und Publikum eine schlimme Phase von wechselnden Richtungen, Hü und Hott. Ach, Ihr Manager, Kunst geht wahrlich anders und auf diese Weise richtig den Bach runter! Da hilft es auch nicht, diesen Zustand schönzureden und von einer Findungsphase ohne Zeitdruck zu schwafeln. Kein Ende mit Schrecken also, sondern ein Schrecken ohne Ende. Mir tun die Musiker und die Musikfreunde leid.