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Donnerstag, 9. Juli 2015

Alte Musik für junge Leute: "Händel Goes Wild" in Ludwigsburg

Der Star des Abends: Nuria Rial (Foto: Merce Rial)
Um das Wichtigste gleich zu sagen: Für eine fachliche Kritik dieses Konzerts fühle ich mich nicht kompetent genug. Ich kann aber trotzdem nicht die Klappe halten, weil ich einfach großartig finde, was Christina Pluhar mit ihrem Ensemble "L´Arpeggiata" bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen am 8. Juli im Forum am Schlosspark gemacht hat. Die Grazerin ist jedes Jahr gut für mindestens eine überraschende Interpretation Alter Musik. Diesmal also war die Idee, den Bach-Zeitgenossen Georg Friedrich Händel aus der verstaubten Ecke des Etiketts "Alte Musik" zu holen, die eher etwas für alte Leute ist. Mit den Solisten Valer Sabadus (Countertenor), Nuria Rial (Sopran) und Gianluigi Trovesi (Klarinette und Saxophon) und einer veritablen Jazzband wurde das Ensemble aufgemotzt, aufgemischt und gerockt. Die Musiker an ihren historischen Instrumenten fingen an zu wippen und zu schnippen, dass es eine Freude war. Natürlich wurde Händel gespielt und gesungen; aber das waren eben die üblichen, meist getragenen Wolken melancholischen Wohlklangs in Ouvertüren, Arien und Duetten seiner Opern "Amadigi die Gaula", "Semele", "Il trionfo del Tempo de della Verità", "Alcina" und "Rinaldo", für die sich die Jungen sonst eher gar nicht interessieren. Doch waren sie zahlreich vertreten und reagierten teilweise so euphorisch wie bei einem reinen Jazzkonzert.
Das war´s aber nicht, sondern eben bloß eine Mischung und Aufbereitung des Barocken - aber toll gemacht vom Ensemble "L`Arpeggiata", den famosen Perkussionisten Sergey Saprychev und David Mayoral (die sich wunderbar die Klangbälle zuspielten), Boris Schmidt am zweiten, ganz jazzigen Kontrabass und dem Jazzpianisten Francesco Turrisi.
Für mich aber war der Star des Abends Nuria Rial. Die katalanische Sopranistin hat eine glockenklare, samtweiche Stimme von großem Volumen (Bandbreite war vom Komponisten hier weniger gefordert). Sie klebt nicht ständig im Vibrato wie die römische Diva Cecilia Bártoli, die bisher als Maßstab des barocken Belcanto gilt, sondern bevorzugt klare Melodiebögen und hält sie auch durch ohne zu gickeln. Was man von Valer Sabadus nicht immer sagen kann. Der Rumädiendeutsche hat eine herrliche Stimme, war aber an diesem Abend nur in den Duetten mit der Rial auf der Höhe seiner Möglichkeiten und tuckte oft ziemlich geziert herum. Mein Gott, wie herrlich, stark und frei hat er 2013 das "Stabat mater" von Pergolesi mit seinem französischen Kollegen Philippe Jaroussky gesungen! Das war diesmal aber nur Erinnerung. Nuria Rial und die Instrumentalisten haben´s rausgerissen. Das war, alles in allem, ein toller Konzertabend voller Überraschungen. So bekommt man auch mit Alter Musik die großen Säle nicht nur voll, sondern auch Skeptiker zu echter Begeisterung.



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