Seiten

Freitag, 5. Juni 2015

TRIMUM wird erwachsen: Das erste richtig große Konzert ist ein Erfolg

Der Hegelsaal der Liederhalle: Proppevoll am 4. Juni 2015
Da hat sich die Bachakademie etwas entgehen lassen: Kaum ist das dreijährige (daher lat. "Trimum") Projekt für interreligiöse geistliche Musik mit Juden, Christen und Muslimen vorbei, da gibt es beim Kirchentag in Stuttgart am 4. Juni 2015 einen Riesen-Erfolg. Bernhard König hatte seine Musiker auf das Thema "David" eingeschworen, wohl weil der biblische Musiker gut für ein Historiendrama und sehr vielseitige musikalische Anregungen ist. Allen drei monotheistischen Religionen hat er als Gegenstand intensiver Betrachtungen und als musikalische Inspirationsquelle gedient. Was dann zu hören war, ergab in fast zweieinhalb Stunden ohne Pause (ETWAS lang) folgerichtig auch kein reines Konzertprogramm. Der Abend begann mit einem Erzähler und bot dann in lockerer Folge alle Formen religiöser Musik entlang eines biographischen roten Fadens zu König David.
In bester Musical-Manier, teils an Carl Orff und Kurt Weill geschult, teils mit klassischen Melodien bewegten sich Instrumentalisten, der TRIMUM-Chor, der Oratorienchor Esslingen sowie etliche hoch virtuose Solisten in einem Trialog, dessen bestimmendes Merkmal Vielstimmigkeit ist. Ich wähle das Präsens, weil der TRIMUM-Chor, die treibende Kraft, im Stuttgarter Lehrhaus eine Institution geworden ist, nachdem er drei Jahre lang von der Bachakademie gefördert wurde. Projektleiter Bernhard König konnte dazu von Anfang an auf phantastische Netzwerker aus Musikern muslimischer, christlicher und jüdischer Vereine und Hochschulen zurückgreifen, vor allem der pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

Zum Schussapplaus gab es großen Jubel
Und was da zusammengewachsen ist, war eindrucksvoll zu hören und zu sehen: Keine Uniformität auf der Bühne, sondern bunte Vielfalt und internationales Zusammenspiel. Wer weiß, wie heilig die Koranrezitation den Muslimen ist, wird den Auftritt eines Vorbeters mit besonders schöner Stimme zu würdigen wissen: Gänsehaut pur, und nicht nur aus Furcht vor möglichen Reaktionen intoleranter Fanatiker. Zwar war "nur" die "Bismillah", die Anrufung des Barmherzigen, zu hören, die dem Koran und auch jedem Gebet voransteht, aber schon das war für viele sicher ein Erlebnis. 1000 Menschen füllten den Saal und spendeten  begeisterten Beifall, der nur nach dieser Darbietrung von großer Intimität unangebracht war. Von christlichen Chorälen (Bach, Mendelssohn) über arabische und türkiische Pilgerlieder oder Sufi-Melodien bis hin zu Synagogalgesängen und jiddischer Folklore reichte das stilistische Spektrum bekannter Melodien. Dazu kamen dramatische Eigenkompositionen von Bernhard König und Assaf Levitin sowie "Klangwolken" mit Elementen aller drei Stränge der Sakralmusik, die sich in großartigen Improvisationen trafen und wieder auflösten.
Es war sicher ein Glücksfall, dass dieses Konzert im Programm des evangelischen Kirchentags einen prominenten Platz fand. Aber die Leute hätten ja auch wegbleiben können. Stattdessen strömten sie in Scharen und reagierten durchweg überschwänglich. Da ist ein Konzept aufgegangen: Solche Musik berührt die Herzen, ganz gleich welcher Religion sie anhängen. Sie ist Gebet. Und das haben die Besucher gespürt - und noch etwas. Es war eine Weltpremiere: Noch nie gab es so ein religionsübergreifendes Projekt von solchen Ausmaßen und auf derart hohem professionellem Niveau - theologisch, philosophisch, musikalisch und poetisch.
Nach drei Jahren der Workshops, unermüdlicher Proben und unsicherer Zukunft kann man sagen: Das Projekt TRIMUM ist erwachsen geworden. Es hat nach etlichen kleineren Konzerten die erste große Feuerprobe bestanden und Ansätze eines ganz eigenständigen Repertoires entwickelt. Das wird vielleicht niemals fertig sein und immer in Bewegung bleiben, Aber das ist gut so. Dieser Zustand entspricht der Kunst, der Religion, den Menschen, die sich hier begegnen, und dem Leben überhaupt.



Keine Kommentare: