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Freitag, 13. Juni 2014

Virtuos und vielseitig: Igor Levit und die Cremerata Baltica in Ludwigsburg

Igor Levit und das Streichorchester Cremerata Baltica in Ludwigsburg






















Virtuos und vielseitig war der Auftritt des Pianisten Igor Levit mit dem Streichorchester Cremerata Baltica am 11. Juni im Forum am Schlosspark Ludwigsburg. Ohne Dirigenten kommunizierten der Deutschrusse und das von Gidon Cremer gegründete Orchester so spielfreudig, konzentriert und innig miteinander, dass sie den Zuhörern schon ein sehr ungewöhnliches Erlebnis boten.
Dabei zeigte sich das Orchester nach der einleitenden Bearbeitung von Franz Schuberts Quartettsatz c-Moll steigerungsfähig wie der Solist: Das Klavierkonzert Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart verlangt schon per se außerordentliche Fähigkeiten. Levit setzte aber noch eins drauf und ging an die Grenzen des Möglichen - wenn nicht streckenweise darüber hinaus. Vom Pianissmimo bis zum furiosen Tutti war das schon keine Mozart-Interpretation mehr, sondern eine Demonstration dessen, was dieser Komponist sein KANN. Wie sich Orchester und Pianist hier abstimmten und aufeinander eingingen, war ein musikalischer Dialog unter Großen. Dass nach der Pause noch eine Steigerung geben würde, hatte niemand erwartet.
Es war aber noch ein Crescendo möglich- zumindest in Sachen Temperament und Brillanz am Steinway-Flügel. Der Solist demonstrierte mit Verve, wie man sich auch in 7 Minuten an den Tasten die Finger brechen kann, wenn man nicht Levit heißt. Er tat´s aber nicht, sondern stürzte sich in die Musik wie ein Bobfahrer in den Eiskanal, hämmerte, tastete, streichelte, schlitterte beherzt und kontrollidert durch das Stück "Young Apollo für Klavier und Streichorchester von Benjamin Britten. Die treibende Energie kam hier ganz von Levit und riss Orchester und Publikum mit. Wenn Neue Musik nur immer so wäre - wir wollten kaum noch anderes hören. Das war fast schon Jazz, aber auch irgendwie mehr, und zeigte einmal mehr Levits Beherrschung des Instruments und der Stimmenvielfalt im Wechselspiel mit dem Orchester.
Nach einer grandios stimmigen Serenade für Streichorchester C-Dur von Peter Tschaikowsky, bei der auch die Cremerata Baltica zeigte, dass bei diesem von Gidon Cremer gegründeten Ensemble nur exquisite Solisten im Team spielen, kehrte Levit für eine sehr emotionale Zugabe noch einmal zurück aufs Podium. Es gibt zwar Musik, die mich persönlich mehr packt als die "North American Ballads" von Frederic Rzewski; aber als der Mann nach dem Mikrophon griff, der sonst nur Musik sprechen lässt, und von seinem Lieblingskomponisten erzählte, war auch das eine ungewöhnliche Einstimmung auf die Ballade "Which Side are You on?" aus der Zeit der Gewerkschafterverfolgungen unter McCarthy in den USA. Volksliedhafte Vorgaben mündeten in neutönende Kadenzen und jazzige Rhythmen, Disziplin verband sich mit freier Improvisation. Auch so können Freiheitslieder klingen: Bravissimo! Dieser Abend war ein Glanzlicht der Ludwigsburger Schlossfestspiele.

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