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Samstag, 4. Juni 2011

Bahnchef Grube mit dem Rücken zur Wand

Bahnchef Rüdiger Grube will am 6. Juni am Tiefbahnhof-Projekt Stuttgart 21 weiterbauen. Ob er das wirklich versucht oder nur eine Drohkulisse aufbaut, ist schwer zu sagen, denn er steht mit dem Rücken zur Wand. Jäger und Panikforscher schreiben angeschossenen oder in der Falle festsitzenden Raubtieren zu, dass sie besonders gefährlich sind. In aussichtloser Lage neigen auch Menschen zu irrationalen und daher unberechenbaren Handungen und entwickeln unglaubliche Kräfte. Mütter können bei dem Versuch, ihr Kind zu retten, einen Kleinwagen anheben. Diktatoren, denen das Volk die Gefolgschaft kündigt, lassen manchmal so lange auf die eigenen Leute schießen, bis niemand mehr da ist, um ein Diktat entgegenzunehmen. Und Rüdiger Grube hat ebenfalls alles zu verlieren, wenn der unterirdische Bahnhof Stuttgart 21 nicht gebaut wird: zunächst sein Gesicht, auf Dauer aber auch seinen Job.
Weiter zu bauen, ohne das Ergebnis des Stresstests abzuwarten, wäre so eine irrationale Handlung. Sie würde im Übrigen von ähnlich irrationalen Reflexen seitens der Gegner von Stuttgart 21 beantwortet: Kaum vorstellbar, was auf der Straße los wäre, wenn wirklich Baufahrzeuge anrollen würden. Nicht ein paar Hundert Parkschützer würden dann die Baustellen blockieren, sondern viele Tausende. Und am ersten Samstag danach gäbe es eine Großdemonstration wie nach dem 30. September 2010. Nur dass der neue Innenminister jetzt schon verkündet hat, Wasserwerfer würden nicht mehr eingesetzt. Gegen den Willen des Volkes ist also kein Bau mehr durchzusetzen in Stuttgart. Das muss auch einem Verbalradikalinski wie Grube einleuchten.
Die Wand, an der Grube nach der ersten Sitzung des Lenkungsausschusses steht, heißt Angela Merkel und meinetwegen auch Bundesverkehrsninister Ramsauer. Aber erstens ist das keine Wand, auf die Verlass wäre. Wuie schnell sie im Bedarfsfall nachgiebt, konnte man bei der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sehen. Und zweitens haben alle diese "Befürworter" miteinander eines gemeinsam: Sie haben die geistig-moralische Wende im Denken, von der Helmut Kohl bei seinem Regierungsantritt sprach und die Heiner Geissler mit der Schlichtung nachzuliefern versuchte, immer noch nicht vollzogen. Es geht da nicht mehr um Sinn oder Unsinn, um sachliche Argumente oder Kosten. Es geht für diese Leute um Sein oder Nichtsein, nicht um einen Bahnhof. Und wie Herr Mappus sich irrte, als er im Herbst noch sagte: "Ihr tut so, als ginge es um  die Demokratie" und damit meinte, es ginge eben nicht darum, so ist es bei manchen Hardlinern immer noch. Sie haben eine Wahl nach der anderen verloren und werden weitere verlieren, bis sie ganz bedeutungslos sind, wenn sie nicht endlich verstehen, dass es hier um die Demokratie geht, nicht mehr und nicht weniger.

Ghaddafi schlägt um sich, Berlusconi lässt seine Flüchtlinge aus Lampedusa illegal in ganz Europa untertauchen, und auch die Stuttgart-21-Mafia schlägt um sich, weil sie mit dem Rücken zur Wand steht. Der Tiefbahnhof Stuttgart 21 ist eun Anschlag auf die bisher ausgezeichnete Verkehrs-Infrastruktur im Großraum Stuttgart. Die Art, wie das Projekt trotz aller Mängel und gegen alle Zweifel mit sittenwidrigen Verträgen, Tricks und Täuschungen durchzogen werden soll, ist ein Anschlag auf die demokratische Kultur dieses Landes. Nachgeben wäre da ein falsches Signal. Diese Leute müssen vor Gericht, nicht in den Vorruhestand. Sie haben ihren Amtseid verletzt, Schaden vomn Volk abzuwenden.

Der neue baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist gut beraten, wenn er den Baustopp bis zur Entscheidung im Stresstest notfalls mit Polizeigewalt durchsetzt. Wer den Stresstest nicht abwarten und weiter Fakten schaffen will, spuckt auf die ganze Schlichtung, in der vereinbart wurde, den Bau vom Ergebnis des Stresstests abhängig zu machen (und nicht etwa bloß zu "optimieren", wie Herr Ramsauer irrigerweise meint). Der Tiefbahnhof könnte nur gebaut werden, wenn mindestens zwei Bedingungen ohne Wenn und Aber erfüllt sind: erstens dürfen die Kosten 4,5 Milliarden nicht übersteigen, und zweitens muss der geplante Tiefbahnhof in einer realistischen Fahrplansimulation 30 Prozent mehr leisten (d.h. Züge abfertigen) als der bisherige Kopfbahnhof.

Und nach dem Stresstest gilt: Das Ergebnis ist verbindlich. Die Kosten für Verzögerungen oder notwendige Nachbesserungen trägt der Verursacher, und sie sind Teil der Gesamtkosten wie übrigens auch die gesamten Planungskosten. Scheitert das Projekt an den Kosten, an Grundwasserproblemen oder an der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs, sind die Projektplaner dafür ebenso haftbar wie für eventuelle Vertragsstrafen beim Ausstieg aus Verträgen, die auf unhaltbaren Grundlagen abgeschlossen wurden.Wer anderes behauptet, versucht den Rechtsstaat durch die Erpressung mit juristischen Scheinargumenten zu demontieren.

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