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Montag, 27. Oktober 2008

Ein Ort für Gedichte und Christine Koschel

In Heft 28 des ZIFFERBLATT, wie die "Hauszeitschrift" des PEN-Clubs Liechtenstein heißt, kann man Gedichte von Christine Koschel lesen, die von Oktober 2007 bis Juni 2008 als Heinrich-Ellermann-Stipendiation in Vaduz lebte und schrieb. Der Verleger Heinrich Ellermann gehörte 1978 zu den Gründungsmitgliedern des PEN-Club Liechtenstein, und nach seinem Tod richtete die Tochter dieses Stipendium ein. Es gibt älteren Autorinnen und Autoren die Chance, noch einmal ohne alltägliche Sorgen schriftstellerisch zu arbeiten und auch PR in eigener Sache zu machen - mit professioneller Unterstützung der Kollegen.
In Zeiten des Jugendwahns denken alle, solche Förderung hätten nur junge Talente nötig. Ältere werden gern vergessen. Nicht so in Liechtenstein. Es gibt ja auch Profis, die noch nie einen Preis oder ein Stipendium bekommen haben und seit Jahrzehnten tapfer vor sich hin leiden, weil die Verwaltung des Mangels ihren angeblich so kreativen Alltag bestimmt. So eine ist die Übersetzerin Christine Koschel, deren poetisches Debüt 1961 bei Ellermann erschien. Seitdem war Funkstille, und so gibt Ellermann ihr Posthum eine zweite Chance. Sie dankte es ihm mit Texten, die man im ZIFFERBLATT 28 nachlesen kann. Leider hindert nmich eine böse Programtechnik am Zitieren.


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Einsiedlerisch lebte die Koschel neun Monate auf dem Berg und gebar Gedichte. Sie lernte wohl auch wieder durchzuatmen in der Natur, die ihr hier näher kommen konnte als in der Metropole Rom, wo die ehemalige Vertraute und Kennerin von Ingeborg Bachmann seit vielen Jahren lebt. Sie stellte sich in Lesungen einer nicht unkritischen, aber interessierten Öffentlichkeit. Sie trat ins Offene, zuletzt bei den 9. Liechtensteiner Literaturtagen. Sie ist wieder da.

--> Dieses Niemands-Land ist ihr ureigenstes. Es ist übrigens, auch wenn das vielleicht den Fürsten ärgert, in gewisser Weise auch Liechtenstein. Dieses Land im Inneren der Seele kann niemand je besitzen oder gar regieren. Es bietet sich nur dem Geduldigen als Wonsitz an. Christine Koschel hatte diese Geduld und fand Worte dafür.

Lyriker tragen mehr offenen Wunden auf ihren Seelen mit sich herum als Skifahrer oder Unternehmer. Dafür zeigen sie uns auch Dinge, die wir von lauten, selbstzufriedenen Vertretern von Macht und Geld nicht zu erwarten haben: Dinge der Erinnerung, Namen für unbenannte Gefühle und Eindrücke. Hier können sie benannt werden, in diesen Zeilen finden sie ihren Ort und bleibende Ruhestätte.


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Kampfplatz Liechtenstein - ein Zitat

Ganz normaler Wahnsinn, der für sich spricht:

Hintergrund-Information von der Homepage der "Hans Raab Stiftung Unternehmensethik und soziale Verantwortung" (www.hans-raab-stiftung.de)

Die Stiftung für Unternehmensethik und soziale Verantwortung stellt sich vor:

Stifter Hans Raab
Die gemeinnützige nach Liechtensteiner Recht errichtete Stiftung verfolgt u.a. die Zielsetzung, Bürger und Unternehmer publizistisch, gutachterlich und durch Beratung zu unterstützen. Weiter will sie durch Bildung eines Unterstützungsfonds zur Führung von Rechtsverfahren gegen zu Unrecht von Steuern und anderen staatlichen Maßnahmen betroffene Unternehmer und gegen das selbstherrliche Gebaren der Finanzbehörden und anderer staatlicher Stellen helfen. Die Stiftung verfolgt den Zweck, das freie Unternehmertum zu fördern, ebenso eine Unternehmensethik, die ihrer sozialen Verantwortung gerecht wird. Es stimmt uns bedenklich, wenn erfolgreichen Unternehmern in Deutschland, die schließlich Insolvenz anmelden mussten, vorgeworfen wird, sie hätten zu lange am Produktionsstandort Deutschland festgehalten – wie im Fall Steilmann (vgl. die Darstellung dieses und weiterer Fälle bei Gabor Steingart, Deutschland Der Abstieg eines Superstars, 8. Auflage 2004, Seite 81, 79ff.). Es kommt der Stiftung darauf an, im Bereich der Steuern, eine Politik herbeizuführen, die nicht darauf abzielt, das Vermögen des Unternehmens und das Vermögen des Unternehmers in seiner Substanz – also ruinös – durch ein extremes Übermaß zu belasten. Im Rahmen des europäischen Binnenmarktes, der neben den 25 Mitgliedstaaten auch aus den Mitgliedern der EFTA und des EWR besteht, behindern z.B. die Regelungen des Deutschen Außensteuergesetzes (z.B. §§ 1, 16 AStG iVm. § 160 AO, § 90 II AO, § 42 AO) verfassungs- und europarrechtswidrig die Waren- und Dienstleistungsfreiheit zu Ländern wie Liechtenstein, Schweiz, Slowakei etc. Uns liegen weiter Berichte Deutscher Unternehmen darüber vor, wie aufgrund der fraglichen Handhabung der Insolvenzordnung durch einzelne Richter und Insolvenzverwalter, Unternehmen ruiniert und die Untermnehmerfreiheit einschränken wird, anstatt diese darin zu unterstützen, die Unternehmen fortzuführen. Diese Möglichkeit sieht die 1991 neu eingeführte Insolvenzordnung ausdrücklich vor. Wir sammeln diese und andere Fälle der Behinderung der Unternehmerischen Freiheit in Deutschland und bitten hier um ihre Mithilfe.
In vielen Fällen wird dem Unternehmen bzw. dem Unternehmer seine nach Artikel 14 GG geschützte Freiheit genommen, das Unternehmen als Gebrauch des Eigentums so zu führen, wie er es für die Führung seines Unternehmens z. B. zur Motivation für sinnvoll erachtet. Dabei steht es dem Unternehmer im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit ausdrücklich frei auch Aspekte zu berücksichtigen, die nicht betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind wie z. B. soziale Erwägungen, Aufbau für spätere Generationen etc. Diese Entscheidungsfreiheit ist der Kernbereich unternehmerischer Freiheit, der neben Artikel 12 GG insbesondere in Artikel 14 GG geschützt ist. In Artikel 14 II GG heißt es:
„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Das bedeutet, dass das Allgemeinwohl am Eigentum lediglich partizipiert, so z. B. am Gehalt zu gleichen Teilen (Halbteilungsgrundsatz). Sozialpflichtigkeit des Eigentums berechtigt aber gerade nicht, die Führung des Unternehmens staatlicherseits zu bestimmen. Dies geschieht jedoch zunehmend.
Aufgrund der durch Artikel 2 I GG geschützten Privatheit der Lebensverhältnisse und der Unternehmerfreiheit in Artikel 14 GG steht es jedem Unternehmer frei, solange er die Rechte Dritter nicht verletzt, so zu handeln und entsprechende Verträge abzuschließen, wie er es will. Dies führt selbstverständlich nicht dazu, dass die Verträge nichtig oder steuerlich zu sanktionieren wären, was jedoch ebenfalls immer wieder geschieht.
Sozialpflichtigkeit, die zwar aber auch nur zur gleichen Teilhabe des Allgemeinwohls am Erlangten berechtigt, ermächtigt den Staat nicht, darüber hinaus in die Führung eines Unternehmens hineinzuregieren.
Die Behinderung dieser Freiheit ist oft auch mit sozialer Verarmung verbunden. Wir nehmen die soziale Verantwortung ernst, wonach das Wohl der Allgemeinheit am Erfolg des Unternehmens teilhaben soll. Dieses Wohl ist jedoch nicht gleichzusetzen mit den Interessen der Politiker. Es geht vielmehr um das Gemeinwohl aller.
In dieser verfassungs- und europarechtlich garantierten Freiheit sieht die Stiftung auch im historischen Rückblick die Möglichkeit der Entwicklung zu einem freiheitlichen und friedlichen Europa, in dem die Eigenständigkeit gewahrt bleibt. Gerade das persönliche Engagement führt zum Gemeinwohl. Leider wird es in Deutschland immer wieder behindert. Dadurch verlieren wir zugleich die Möglichkeit unsere Verhältnisse selbst zu gestalten und damit soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten. In diesem Sinne wollen wir Öffentlichkeit herstellen, beratend helfen und Kontakte für Beratung und Austausch organisieren.

Wieder mal Liechtenstein

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben - immer wieder. Schon voriges Jahr tagte der PEN im Hotel Dux (lateinisch "Führer", ähäm), aber ich kam bei einem Spaziergang mit Freunden nicht aus dem Wald. So blieb mir die nähere Umgebung verborgen. Dabei hat auch die einigen Erkenntniswert. So etwa liegt in Liechtenstein (Schaan, Ortsteil Dux) die "Hans Raab Stiftung Unternehmensethik". Schön gell?
Der Stifter ist ein deutscher Steuerflüchtling, der seine unternehmerischen Qualitäten jetzt ins Fürstentum verlegt hat. Sein neuester Hit und angeblich ein Milliardengeschäft: eine Fischzucht mit der genetischen Neuheit "Mäander", einer patentierten Kreuzung aus Wels und was weiß ich. Man kann sogar Würstchen draus machen. Der Hunger in der Welt ist besiegt - jedenfalls in der Familie Hans Raab.

Bei einem Spaziergang am frühen Morgen, wenn die Sonne scheint und die Welt noch in Ordnung ist, zeigt sich auch dieses Villenviertel (seit 1930) im Steuerparadies von seiner besten Seite. Im Hotel gibts auch selbst gemachtes Quittengelee zum Früstück und selbst gebackenen Kuchen zuk Kaffee. Leider ist die Küsche seit einiger Zeit geschlossen. In der Umgebung müssen immer mehr Weinberge, Weiden, Obstbäume und alte Eichen Neubauten weichen. Aber die Nähe zur Natur bleibt der freundlichen Frau Thöni erhalten. Sie leidet aber unter dem Wandel.


Da gibt es freilich nicht nur Schönes, sondern auch exquisite architektonische Abscheulichkeiten zu bewundern, gegen die der Führerbunker auf dem Hohensalzberg eine Idylle ist. Dass sich manche der wohlhabenden und manchmal auch reichen Besitzer regelrecht einmauern, ist ihr Problem und nicht meins (ich wäre für mehr Freiheit für mein Haus). Aber was manche dem Blick auf die immerhin selbst gewählte und teuer mit bezahlte Alpenkulisse dann zumuten, ist mir sogar dann zu schade, wenn ich bedenke, dass man digitale Filme nicht mehr kaufen muss. Beleidiguingen des Auges soll es in meinem Blog nicht geben, dazu ist mir auch die Zeit zu schade.


Ahnen kann man allerdings einiges auf diesem Bild. Von der durch Hundertwasser und Dalí inspirierten Villa bis hin zu kubistischen Betonmonstern gibt´s hier alles, was Geld kostet. An vielen Türklingeln sind keine Namensschilder: die da drin haben gewisslich genug zu verbergen, nicht nur ihren Kontostand.
Bei der Ville Stein-Egerta (im Übrigen architektonisch wertvoll und eine Stätte der Erwachsenenbildung, mit Skulpturengarten für die vom Fürsten angekauften Bildhauerarbeiten, die sonst keine haben will) fand ich immerhin ein tolles Schild am Gartentor: "Hunde und Kinder füttern verboten!"Na bitte, ich hatte es ja geahnt: Der deutsche Verbotsschilder-Wahn ist noch zu toppen.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

SWR2 Buchkritik: Alfred Hackensbergers Islam-Lexikon

Alfred Hackensberger: „Lexikon der Islam-Irrtümer. Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse von Al-Quaida bis Zeitehe“.
Eichborn Verlag, Frankfurt a.M., 274 Seiten, 19.95 €.

Alfred Hackensberger ist Journalist und lebt mit seiner Familie in Marokko. Seit vielen Jahren berichtet der gelernte Germanist, Gesellschaftswissenschaftler und Polititologe für angesehene Zeitungen und Sender aus der arabischen Welt. Dass er die Landessprache gelernt hat, macht einen ihn zwar nicht automatisch zum Islam-Kenner und Religionsversteher, aber es nutzte ihm beim Verfassen seines hilft. Gerade bei einem „Lexikons der Islam-Irrtümer“, wo in dem es um Vorurteile, Halbwahrheiten und Missverständnisse des Westens gegenüber dieser Religion geht.
Hackensberger beherrscht die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen. Das hilft dem Leser, das Gleiche zu tun, und so erfährt man schon unter dem Buchstaben „A“ historisch Gediegenes und flott Erzähltes über Andalusien, den arabischen Sender Al-Dschasira, die zwiespältige Wirklichkeit beim Thema Alkohol und muslimischen Antisemitismus.
Von den schwankenden Sympathiepegeln für Al-Quaida, über die nicht gerade unerheblichen Unterschiede zwischen der palästinensischen Befreiungsorganisation Hamas und der militanten, am Iran orientierten Hisbollah im Libanon bis hin zum Koran selbst, mit dem was drinsteht und was nicht: Was vor allem auffällt, ist gediegenes historisches Wissen und ein differenzierter Umgang mit heißen Eisen. Einleuchtend widerlegt der Autor z.B. das Vorurteil, der Koran sei ein Buch der Gewalt, vor allem gegen Frauen und Nichtmuslime. Leider fehlt aber eine sprachliche Analyse, die erklärt, warum Angst und verbale Gewalt mit ständigen Strafandrohungen auch denn Islam prägenals Religion der Angst und der verbalen Gewalt mit ständigen Strafandrohungen prägt, solange man denm archaischen Wortlaut Texten buchstabengetreu folgt.
Das ist eine der wenigen Schwächen dieses Buches. Eine zweite ist paradoxerweise gerade die alphabetische Ordnung der Artikel. Auf Seite 80 findet sich z.B. die sinnvolle Definition des Begriffs „Fatwa“. Das sind Lehrmeinungen islamischer Gelehrter zu nicht eindeutigen Regelungen der Scharia, des islamischen Rechts. Auch der Hinweis auf die unterschiedliche Bedeutung einer Fatwa für Sunniten und Schiiten passt hierher.
Doch erst auf Seite 229, beim Stichwort „Rushdie, Salman“, findet man den wichtigen Hinweis, dass das Todesurteil gegen diesen Schriftsteller keine Fatwa war. Hackensberger erklärt auch schlüssig, was so ein Urteil von einer Fatwa unterscheidet und warum es keineswegs so einfach geändert werden kann wie eine Fatwa. Aber da nun einmal der Begriff Fatwa bei uns im Zusammenhang mit Salman Rushdie bekannt wurde, gehören solche Informationen wohl besser zusammen unter „Fatwa“. Ein Alphabet ist eben kein inhaltliches Ordnungssystem, die Schublade „Lexikon“ für dieses Buch also manchmal irritierend. Eigentlich handelt es sich um Essays, denen eine thematische Ordnung gut täte – in Verbindung mit einem guten Stichwortregister.
Andererseits präsentiert Hackensberger erstmals neue textkritische Untersuchungen. Sie beleuchten die Zeit im 7. und 8. Jahrhundert, bevor der Koran niedergeschrieben war, als „dunkle Periode“, über die aus erster Hand nicht viel zu erfahren ist. Sie beschreiben vorislamische Mythen und stellen sogar den Propheten Mohammed als konkrete historische Figur in Frage.
Richtig spannend sind Informationen wie die, dass die erste Version des Korans nicht einmal in arabischer Sprache entstand, wie die meisten Muslime behaupten – und auch der Koran selbst. Das Heilige Buch wurde vielmehr zuerst in der Ssyro-Aaramäischen Sprache niedergeschrieben, dasie damals auf der arabischen Halbinsel gesprochen wurde. Vor dem Ende des 8. Jahrhunderts gab es gar keine arabische Grammatik. Dass islamische Geistliche oft noch an mittelalterlichen Deutungsmustern kleben, erinnert an den verkrusteten katholischen Katechismus von Papst Pius XII: noch gar nicht so lange her, aber doch gründlich überholt.
Eine besondere Stärke des Buches sind die vielen Beispiele aus dem persönlichen Umfeld des Autors. Was ihm Nachbarn, Freunde, Studenten, Interviewpartner und Taxifahrer erzählen, was er mit eigenen Augen beobachtet, das alles ist mindestens ebenso lehrreich wie alle Theorie. Ob es um religiöse Rituale und Bräuche geht, um das Fasten im Ramadan, Geschäfte, Feminismus oder Sex im Islam: Dieses Buch sollte man auf keinen Fall nur zum Nachschlagen benutzen, sondern richtig lesen.

Zwangspause für Kreativität

Die familiäten Schläge haben sich fortgesetzt. Leider war der Hörsturz meiner Frau nicht alles. Jetzt hatte auch ihr Sohn mit 47 einen Schlaganfall, und das legt doch die meisten kreativen Prozesse für einige Zeit lahm. Ich muss mich um andere Dinge kümmern und um das seelische Gleichgewicht m einer Lieben kämpfen.
Da ist dann der Autor als Buchhalter für eine kleine Firma in der Dienstleistungsbranche für die Autoindustrie tätig und muss selbst zu Zeiten der Buchmesse alles liegen lassen, was mit Literatur zu tun hat. Hoffentlich nicht für allzu lange Zeit. Ich kann so was eigentlich nicht (aus vielen Gründen), und ich will es auch nicht; aber einer muss es tun. Da sind Angestellte zu bezahlen, Rechnungen erstellen und zu schreiben, Verhandlungen mit Auftraggebern über eine professionelle Krankheitsvertretung zu führen. Sonst kommt der Mann aus der Reha-Klinik und ist auch noch seine Arbeit los. Mal ganz abgesehen von der medizinischen Seite: die ist schon dramatisch genug. Ich bitte um Nachsicht und etwas Geduld.