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Donnerstag, 29. Mai 2008

Startenor José Cura ist wieder da

Vor einer umjubelten Operngala mit "Carmen" von Georges Bizet im Badischen Staatstheater Karlsruhe am 24. Mai hatte ich Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Startenor José Cura. Der Argentinier war seit dem Jahr 2000 so gut wie nicht mehr öffentlich aufgetreten und erst in dieser Saison in Zürich, Barcelona und Madrid mit einem furiosen Comeback zu erleben. Nachdem die Fachzeitschrift "Opernglas" ihm ein großes Porträt gewidmet hatte, lud ihn der Karlsruher Intendant Achim Thorwald zu "Tosca" ein - noch ein Riesenerfolg.
Jetzt hat er mit dem Badischen Staatstheater einen Dreijahres-Vertrag über eine engere Zusammenarbeit geschlossen. Dabei hatte Thorwald, selbst ein ausgebildeter Bass, Regisseur und Autor, die Vielseitigkeit Curas im Auge: Kaum jemand weiß nämlich, dass Cura Regie führte und eine Schauspiel-Ausbildung machte, bevor er überhaupt anfing zu singen. Nach einem Absturz Ende der 90er Jahre, als er einfach zu viel gemacht hatte und in eine ähnliche Krise kam wie voriges Jahr sein Kollege Rolando Villazón aus Mexiko, machte er außerdem eine zusätzliche Ausbildung als Dirigent.

Jetzt will er weniger singen, klug mit seinen stimmlichen Kräften haushalten und stattdessen mehr inszenieren und dirigieren. Da haben sich in Karlsruhe offensichtlich verwandte Seelen gefunden. Auf dem Programm für 2009 steht der Opernball mit "Viva Espana" und "Don Carlos" sowie "Otello". 2010 folgt dann Curas Paraderolle in "Samson et Delila", begleitet von Regiearbeiten und einer neuen "Carmen".
Interessant ist vor allem, wie sich Cura gegen eine zerstörerische Vermarktung durch große Labels wie Decca oder die Deutsche Grammophon wehrt: Er hat keine Agentur mehr, sondern vermarktet sich über ein eigenes Sekretariat selbst. So kann er falsche Engagements, überfüllte Terminkalender und erpresserische Rollen-"Zuteilungen" bei Opernengagements durch die Plattenindustrie vermeiden, die seine Stimme fast ruiniert hätten. Derzeit gibt es nur wenige CDs von ihm, weil die "Großen" ihn rücksichtslos aus dem Sortiment geworfen haben. Aber auch die Kleinen Labels waren kurz davor, seine CDs zu verramschen. Deshalb bekommt man sie derzeit für ein Spottgeld für 9-12 EURO. Dem Stuttgarter Fachgeschäft "Einklang" rennen die Fans die Türen ein, weil sonst fast niemand größere Bestände von Cura-CDs auf Lager hatte. Jetzt pressen die kleinen Labels nach und die Großen gucken in die Röhre - selber schuld! Ich bin doch sehr gespannt, ob dieses Beispiel bei anderen Stars wie Rolando Villazón, Anna Netrebko (nach ihrer Babypause) und Juan Diego Flores Schule macht. Vielleicht lernt auch die Musikindustrie endlich, dass große Künstler nicht zum Verheizen da sind.
Ich konnte Cura ausgiebig interviewen, aber der Text ist noch nicht übersetzt. Derzeit komme ich noch nicht dazu, denn nach meinem wohlverdienten Urlaub sind erst einmal Produktionen über Rauris und die literarischen Cafés von Madrid an der Reihe. Vielleicht kommt das Cura-Interview dann zeitgleich mit einer Audioversion in meinem Podcast unter widmar-puhl.podspot.de.

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