Seiten

Donnerstag, 20. September 2007

Die Pianistin Yubo Zhou in Baden-Baden



Beethoven und Chopin Chinesisch interpretiert


Selten kann man so etwas hören: Die junge Chinesin Yubo Zhou, die eben in Freiburg ihre Ausbildung als Konzertpianistin abgeschlossen hat, spielt wie ein Mann - aber viele männliche Pianisten würden sich wünschen, zu spielen wie sie. Ein zartes Persönchen ist sie, mit Händen und Fingern, die zerbrechlich wirken und in denen doch eine enorme Kraft steckt. Als Vorbereitung auf internationale Wettbewerbe, zu denen sie im Oktober nach Portugal und Italien reist, war sie der Einladung von Wolfgang Seiter aus Baden-Baden gefolgt, der als Dilettant im besten klassischen Sinn des Wortes, als begeisterter Liebhaber von Malerei und Musik, immer wieder internationale Künstler in seinen Zirkel nach Baden-Baden holt.
Yubo Zhong spielte in einem Nebenzimmer des Kurhaus-Restaurants just am 20. September, dem Tag, an dem die ganze Stadt im Zeichen des SWR New Pop Festivals stand. Gleich nebenan strömten die Fans, feierten lautstark ihre Stars: im Casino und in Zelten auf öffentlichen Plätzen der Innenstadt war der Teufel los. Im Nachbarsaal tagte eine andere Gesellschaft, bei der Reden gehalten wurden, Applaus störte, Neugierige die Seiten wechselten und Türen auf- und zu gingen. Unmögliche Bedingungen also, unfaire Konkurrenz außerdem, aber Yubo Zhou schien das lediglich als Herausforderung zu betrachten. Vor einem kleinen Kreis von vielleicht 40 Zuhörern spielte sie mit einer Leidenschaft, als läge ihe die Carnegie-Hall, die Royal Albert Hall oder doch zumindest das nahe Festspielhaus zu Füßen (dort war aber an diesem Abend alles dunkel. Ach Leute, was habt ihr verpasst!). Was man hören konnte, war unterschiedlich perfekt; manchmal wurde deutlich, dass hier ein Training unter erschwerten Bedingungen stattfand. Die Künstlerin probierte erkennbar gelegentlich etwas aus, ging zugunsten der künstlerischen Interpretation an technische Grenzen - und da läuft auch mal etwas schief. Aber wann kann man das in den großen Konzertsälen je erleben? Und da wird sie spielen. Yubo Zhou hat nicht nur das Talent, sie hat eine unglaubliche Technik und sowohl die physischen als auch die mentalen Voraussetzungen, um an die Weltspitze zu kommen.
"Seit 20 Jahren spiele ich Klavier", sagte sie nach dem Konzert. "Meine Mutter hatte mir verboten, auf der Straße mit den anderen Kindern zu spielen. Also habe ich jeden Tag acht Stunden Klavier gespielt."
Beethovens Klaviersonate A-Dur op. 02 Nr. 2 stand bei ihrem ersten Konzert in Baden-Baden auf dem Programm, das Scherzo E-Dur op. 54 von Chopin, die Prelude aus "Feux d´artifice" von Debussy, die Vertonung der Undine-Sage "Ondine" von Ravel und schließlich die Sonate h-Moll op. 58 von Chopin. Und als hätte sie sich nun warm gespielt und als wäre alles bis dahin nur Vorspiel gewesen, erreichte sie bei Chopin wahre Perfektion. In einem ungewöhnlich harmonischen Gleichklang aus technischer Virtuosität und tiefem Gefühl stimmte jede, auch noch die kleinste Nuance ihres Vortrags.


Auch Kenner im Publikum waren hingerissen. Ich sowieso. Das Besondere war die intimne Atmosphäre dieses Abends - eher einer Lyriklesung oder einer Jam-Session vergleichbar. Mit einer jungen Künstlerin, die wirklich etwas zu bieten hat und die gerade mit jener Ochsentour beginnt, die zwangsläufig am Anfang ihres Traums von der großen Karriere steht. Yubo Zhou stellt sich dem offensichtlich nicht nur am Flügel bestens vorbereitet, sondern auch menschlich sympathisch. Unpretenziös ist sie, gut gelaunt trotz der Zumutungen und Strapazen, eine Pianistin zum Anfassen. Sie erzählt noch von ihrem Werdegang und wie ihr Vater vor Freude weinte, als er sie nach langen Jahren des Studiums in Odessa und Freiburg zum ersten Mal wieder spielen hörte. Sie gab erst vor einigen Monaten die ersten Konzerte in China. Es werden sicher nicht ihre letzten Konzerte gewesen sein. Sie wird ziemlich sicher eine der Großen werden, die man dann so wie hier nicht mehr wird erleben können.

Keine Kommentare: