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Sonntag, 27. Mai 2007

PEN-Club-Treffen in Glurns, Südtirol




Paul Flora wird 85 - Ehrenpräsident des PEN-Clubs Liechtenstein in seiner Heimat

Am 5. Mai trafen sich die Mitglieder des PEN-Clubs Liechtenstein in Glurns, dem Heimatort ihres Ehrenpräsidenten Paul Flora. Das Mittelalterliche Städtchen auf italienischer Seite am Fuß des Reschenpasses hat sogar eine Straße nach ihrem berühmtesten Sohn benannt: dem Zeichner Paul Flora, der am 29. Juni 85 Jahre alt wird (der Herr rechts mit Spazierstock auf dem Foto weiter unten). Der bekannte Cartoonist lebt in der Nordtiroler Hauptstadt Innsbruck, ist aber seinem Geburtsort sehr verbunden geblieben und kommt bei jeder Gelegenheit zurück nach Glurns, das vor dem Zweiten Weltkrieg zu Österreich gehörte. Die Gegend ist 1000 Jahre altes Kulturland. In jedem Dorf stehen hier mindestens eine romanische Kirche und ein paar andere Gebäude aus dem frühen Mittelalter. Kultur meint aber auch eine besondere Obstbau-Tradition. Inzwischen kommt jeder dritte Apfel aus der ganzen EU aus dem Vinschgau - einem einzigen Tal! In dem gibt es zwischen Reschenpass und Meran mindestens zwei völlig verschiedene Klimazonen von alpin bis mediterran.
In den PEN-Club, der ja eine literarische Vereinigung ist, kam der Zeichner Paul Flora als Essayist und Autor frecher Kommentare zur Kulturpolitik. Ich hatte dort jetzt meine "Antrittsvorlesung" als neues Mitglied des PEN-Clubs Liechtenstein zu halten. Liechtenstein ist ein kleines Land, aber im Dreiländereck Österreich/Deutschland/Schweiz gehört eine interessante Mischung von deutschsprachigen Schriftstellern mit mit alpinem Hintergrund dazu. Bei mir besteht der z.B. darin, dass ich meine Kindheit in Salzburg verbrachte. Ich habe daher nicht nur nie die deutsche, sondern (ebenfalls zum größten Teil vergessen) in der Schule die österreichische Nationalhymne gelernt: "Land am Strome, Land der Berge". Und seit ein paar Jahren bekommt ich bislang fremde Heimatgefühle, wenn ich im Zug oder im Auto unterwegs bin und die ersten Berge der Alpen sehe.
In Südtirol war ich schon oft - schon bei einem dreiwöchigen Seminar für angehende Hörfunkjournalisten lernte ich als Student Brixen und Umgebung besser kennen, inklusive der deutschsprachigen Tageszeitung "Die Dolomiten". Damals kämpften die Südtiroler noch mit Bombenanschlägen gegen die Abtrennung von Österreich. Heute sind sie durch EU-Privilegien und italienische Beschwichtigungspolitik so wohlhabend geworden, dass sie vielen arbeitslosen Brüdern und Schwestern aus Nordtirol ein kleines Job-Paradies bieten können.

Sehr intensiv bereit habe ich Südtirol aber auch z.B. während der Recherchen zu einer zehnteiligen Radio-Doku über das Leben des Minnesängers und Raubritters Oswald von Wolkenstein. Der stammt aus der gegen von Meran und war einige Jahre als Diplomat für König Albrecht von Ungarn beim Konstanzer Konzil tätig. Zum Heimaturlaub (gucken, ob die Bauern auch ihre Abgaben leisten), aber auch zu ausgedehnten Dienstreisen bis nach Spanien ritt er dauernd über den Reschen- und Fernpass. Mit den Habsburgern, die von Innsbruck aus damals schon über die Alpen hinweg regieren wollten, hatte er ziemlich unziemliche Raufhändel. Ich fühle mich in Südtirol also eigentlich gar nicht fremd, sondern recht europäische zu Hause.

Über Glurns und dem relativ breiten Talabschluss des Vinschgaus thront der "Potala vom Vinschgau" - das 950 Jahre alte Kloster Marienberg (die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas), und in dem kleinen Dorf unter dem Kloster steht auf dem Friedhof ein seltenes Zeugnis der Diplomatie in kriegerischen Zeiten, die an dieser Passhöhe häufig waren.

Es ist das Grab eines Mannes, der sein Dorf vor der Zerstörung rettete, in dem er als "Sprecher zum Feind" mit den durchziehenden Heerführern sprach, anstatt zu schießen. Man hat ihm ein kleines Denkmal in Form eines mannshohen Obelisken gesetzt. Im Dorf Marienberg selbst steht noch die alte Zwingburg der Bischöfe vom Vinschgau, die gern die Mönche oben am Berg tributpflichtig gemacht hätten und dabei nicht immer friedlich blieben. Doch heute leitet ein Sohn Paul Floras dort ein landwirtschaftliches Schulzentrum. Von dem weiß ich das mit dem EU-Anteil der Vinschgauer Äpfel, die aber auch wirklich gut schmecken. Im Hof dieser Burg, die ich nicht fotografiert habe, weil sie aussieht wie 1000 Burgen auch, saß Paul Flora mit einigen Kollegen in der Sonne und hatte nichts gegen ein Foto einzuwenden. Die Kollegen übrigens auch nicht, und der Obelisk auf dem Grab des Vinschgauer Friedensfreundes am allerwenigsten.
Jahrhunderte lang war die Region zwischen Schweizern, Österreichern (vor allem Habsburgern), Bayern und Italienern umkämpft. Die Festung Mantua, wo der Tiroler Nationalheld Andreas Hofer erschossen wurde - übrigens von Napoleons Truppen, die ja auch schon mal die Gegend besetzt hatten, nicht etwa von Italienern - liegt ja heute tief in Norditalien und markiert das Ende der Alpenregion. Es ist eine besonders europäische Region - nicht nur wegen ihrer Geschichte. Sie ist es auch wegen der Menschen, die hier leben und die man hier treffen kann.

2 Kommentare:

Bea Mc Donald hat gesagt…

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Karl-Friedrich Feuerhake hat gesagt…

Sehr geehrter Herr Widmar Puhl,

in Ihrem sehr interessanten Bericht über das PEN-Club-Treffen in Glurns, Südtirol, ist Ihnen leider ein Fehler unterlaufen.

Der "Potala vom Vinschgau" - das 950 Jahre alte Kloster Marienberg, wie Sie es sinnigerweise nennen gehört nicht dem Orden der Dominikaner an, sondern es ist die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas.
Ich hoffe, Sie nehmen mir diesen Hinweis nicht übel.

Mit freundlichen Grüßen
Karl-Friedrich Feuerhake